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Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen)

© imago/photothek/IMAGO/Florian Gaertner

Schmutzkampagne gegen Baerbock: Außenministerin wird Kontakt mit Gigolo angedichtet

Gegen Annalena Baerbock läuft seit einigen Tagen eine Desinformationskampagne. Das Auswärtige Amt vermutet pro-russische Propaganda. Ein Faktencheck zum angeblichen Gigolo.

Stand:

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock wird im Internet unterstellt, sich auf ihren Afrika-Reisen mit einem Gigolo getroffen zu haben. Eine dubiose Internetseite, die erst seit Kurzem existiert, will dafür „glaubwürdige Beweise“ haben.

Laut dem Auswärtigen Amt handelt es sich dabei um ein „pro-russisches Desinformationsportal“, zitiert das ZDF die Behörde. Dennoch verbreitet sich die Falschinformation in den sozialen Medien und bei Telegram.

Ende Juli war auf der Internetseite „zeitgeschenen.de“ ein Text mit dem Titel „Wo gehen deutsche Steuergelder hin? Baerbock macht Sextourismus mit einem afrikanischen Prostituierten auf Amtsreisen“ erschienen. Der Text versucht einen Anschein an Authentizität und Seriosität zu erwecken, indem es ein angebliches Interview des angeblichen Gigolos mit einer existierenden nigerianischen Zeitung zitiert.

Doch bei dem zitierten „Interview“ mit der nigerianischen „Daily Post“ handelt es sich nicht um einen Bericht der Zeitung, wie „zeitgeschenen.de“ den Lesern glauben machen will. Vielmehr handelt es sich um eine Werbeanzeige, die bei dem Internetportal der Zeitung geschaltet wurde.

Auf der Internetseite der nigerianischen „Daily Post“ ist eine Werbeanzeige mit dem Titel „Ich spende einsamen Eliten emotionalen Trost – Kingsley spricht über seine Karriere als Gigolo“ erschienen.

© Daily Post/Screenshot Tagesspiegel

Der angebliche „Bericht“ ist eindeutig mit „sponsored“ gekennzeichnet – und kein redaktioneller Inhalt. Eine Anfrage des ZDF, wer die Werbeanzeige bezahlt hat, hat die „Daily Post“ laut einem Bericht des öffentlich-rechtlichen Senders bislang nicht beantwortet.

Deutsche Internetseite existiert erst seit Kurzem

Zudem wirft ein Video des „Interviews“ mit dem angeblichen Gigolo Fragen auf: Wenn die „Daily Post“ das Interview mit dem Mann, der nur Kingsley genannt wird, tatsächlich geführt haben soll, warum wurde der Clip dann von einem YouTube-Kanal veröffentlicht, der nicht mit der Zeitung in Verbindung zu stehen scheint und erst vor Kurzem eingerichtet wurde? Der Kanal existiert seit dem 23. Juni 2024. Das Video wurde am 29. Juli veröffentlicht.

Auch die Internetseite „zeitgeschenen.de“ ist offenbar erst am 24. Juli dieses Jahres registriert worden. Der älteste Eintrag ist vom 26. Juli. Der Name ähnelt der Internetseite „zeitgeschehen.de“, die hauptsächlich Polizeimeldungen verbreitet. Das Auswärtige Amt vermutet pro-russische Propaganda.

„Das pro-russische Desinformationsportal ‚zeitgeschenen.de‘ verbreitet eine falsche, frei erfundene und völlig abstruse Geschichte“, zitiert das ZDF die Pressestelle der Behörde. Und auch der Sender selbst sieht Hinweise dafür. So sei die Domain bei demselben Anbieter registriert worden, bei dem bereits eine andere „Fake-News-Webseite“ angemeldet wurde. Beide Seiten würden kein Impressum aufweisen.

Der Name der Internetseite „zeitgeschenen.de“ ähnelt dem Portal „zeitgeschehen.de“, das hauptsächlich Polizeimeldungen verbreitet.

© zeitgeschenen/Screenshot Tagesspiegel

Die Internetseite „zeitgeschenen.de“ versucht den Anschuldigungen gegen Annalena Baerbock zudem Glaubwürdigkeit zu verleihen, indem sie den Anschein erweckt, die Behauptungen des angeblichen Gigolos überprüft zu haben. Die Werbeanzeige in der „Daily Post“ bietet dem dubiosen Portal dazu mehrere Gelegenheiten.

„Könnte es wirklich Annalena Baerbock gewesen sein?“

Kingsley sagt in dem angeblichen Interview etwa nicht direkt, dass er sich mit der deutschen Außenministerin getroffen hat. Er sagt aber gerade so viel, damit „zeitgeschenen.de“ fragen kann: „Könnte es wirklich Annalena Baerbock gewesen sein?“

Seine Klientinnen seien meist „weiße Frauen aus Europa. Die meisten von ihnen haben bedeutende Machtpositionen inne“. Eine Frau habe aber herausgestochen: „Sie ist eine sehr einflussreiche europäische Politikerin. Sie ist eine Ministerin aus Deutschland, wenn ich mich nicht irre.“ Ihr Name: „Annalena“.

Terminkalender und Fotos sollen Treffen beweisen

„Zeitgeschenen.de“ gleicht auch angebliche Treffen der beiden mit Auslandsreisen der Ministerin ab. Sie stimmen überein. Im Nachhinein ist es allerdings auch ein Leichtes, an den Terminkalender der Ministerin zu kommen.

Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) bei einer Auslandsreise in Nigeria (Archivbild).

© dpa/Annette Riedl

Als weiteren angeblichen Beweis, dass Baerbock sich mit dem Sexarbeiter getroffen hat, wird eine weitere Aussage des Gigolos „überprüft“ – und ein Foto der Ministerin in Nigeria soll die Aussage bestätigen.

Baerbock habe bei ihrem ersten Treffen im Dezember 2022 in der nigerianischen Hauptstadt Abuja ein „wunderschönes karmesinrotes Kleid“ getragen. Die Ministerin trug bei ihrer Auslandsreise tatsächlich ein Kleidungsstück in dieser Farbe. Etliche Fotos von ihrer Reise zeigen sie in dem Kleidungsstück. Auch der Tagesspiegel publizierte damals ein Bild der Ministerin in dem Kleid.

Ein Hinweis, dass der Text auf „zeitgeschenen.de“ von einem ausländischen Propaganda-Netzwerk veröffentlicht wurde, könnten die vielen Übersetzungsfehler sein: „Baerbock spricht sich gegen Sexkaufverbot, Illegalität, Ausbeutung und Gewalt“ oder „Dies bedeutet, dass Annalena Baerbock nicht nur nach Sex-Resort bei ihren zweifelhaften Dienstreisen sucht, sondern auch illegale Sexarbeit, die als Begleitservice unterschirmt wird, unterstützt“. (sic)

Das ZDF äußert die Vermutung, dass der Text aus einer anderen Sprache automatisch ins Deutsche übersetzt wurde und im Anschluss nicht mehr korrigiert wurde. Doch auch „zeitgeschenen.de“ bleibt bei seinen Behauptungen über die Ministerin und den Gigolo meist im Konjunktiv. Den Zusammenhang sollen die Leser selbst herstellen. Es scheint zu klappen: Die Falschinformation wird fleißig geteilt. (tsp)

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