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„Kühlen Kopf bewahren“: Scholz schließt Beteiligung der Nato an Ukraine-Krieg aus
Die Nato werde nicht Teil der militärischen Konflikts in der Ukraine, bekräftigt der Kanzler. Oppositionsführer Merz schließt das nicht kategorisch aus.
Stand:
Während Bundeskanzler Olaf Scholz eine Nato-Beteiligung am Ukraine-Krieg ausschließt, hält Oppositionsführer Friedrich Merz sie etwa bei einem gezielten Angriff auf ein Atomkraftwerk für möglich.
„Es kann eine Situation geben, in der dann auch die Nato Entscheidungen treffen muss, Putin zu stoppen“, sagte der CDU/CSU-Fraktionschef am Freitag dem Radiosender NDR Info.
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So weit sei es zwar noch nicht. Wenn allerdings Atomkraftwerke angegriffen würden, „wenn möglicherweise sogar die Reaktorblöcke getroffen werden sollten, dann sind wir unmittelbar bedroht von den Auswirkungen dieses Krieges“. In diesem Fall müsse die Nato darüber nachdenken, ob das auch ein Angriff auf das eigene Territorium sei.
Er gehe davon aus, dass in Regierungen, EU und Nato über dieses Szenario nachgedacht werde, sagte Merz. „Die Angriffe und die Art und Weise, wie dieser Krieg geführt wird, nehmen Formen an, die zum Nachdenken zwingen.“ Ein Brand auf dem Gelände des größten Atomkraftwerks Europas in der Ukraine inmitten von Kampfhandlungen hatte zuvor massive Besorgnis ausgelöst.
Scholz fordert „einen kühlen Kopf“
Kanzler Scholz riet bei seinem Besuch des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr aber, „einen kühlen Kopf“ zu bewahren. Er schloss ein Eingreifen der Nato in den Krieg kategorisch aus. „Es ist für uns völlig klar, dass es keine militärische Beteiligung der Nato an diesem Konflikt geben wird. Das werden wir ausschließen mit alledem, was wir machen.“
„Wir sind nicht Teil der militärischen Auseinandersetzung, die dort stattfindet und werden es auch nicht werden“, sagte Scholz am Freitag beim Besuch des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr in Schwielowsee bei Potsdam. „Es ist für uns völlig klar, dass die Nato und ihre Mitgliedstaaten sich nicht an dem Krieg beteiligen.“
Für die Nato gehe es darum sicherzustellen, dass niemand das Nato-Territorium angreift. „Deshalb haben wir unsere gemeinsamen Bemühungen an der Grenze angefangen mit den baltischen Staaten über Polen, der Slowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien verstärkt“, sagte er. „Aber die sind rein defensiv, und sie bleiben auf dem Territorium der Nato.“

© Michael Kappeler/dpa
Scholz betonte auch, dass die Bundesregierung weiterhin alles für einen Waffenstillstand tun werde. „Die Bilder, die wir jetzt schon sehen von den Zerstörungen sind schrecklich genug und da brauchen wir nicht noch viele weitere dazu“, sagte er. Es sei nun sehr wichtig, „dass wir einen kühlen Kopf bewahren, dass wir sehr klar und entschlossen sind und vorsichtig bleiben“.
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Besorgt zeigte er sich über den Brand auf dem Gelände von Europas größtem Atomkraftwerk in der Ukraine, auch wenn dort keine radioaktive Strahlung ausgetreten ist. „Es zeigt aber, wie gefährlich die Situation ist. Kriege führen immer dazu, dass Zerstörungen angerichtet werden, wo sie vielleicht auch keine der Kriegsparteien wirklich vorhat, aber die trotzdem ihre schrecklichen Auswirkungen haben können.“
Verstärkung für Litauen, Rumänien und die Slowakei
Die Bundeswehr ist an dieser Verstärkung der Ostflanke Nato beteiligt. Die Bundeswehrtruppe in Litauen wurde im Zuge der Krise um 350 auf etwa 1000 Soldaten verstärkt. In Rumänien sind derzeit sechs deutsche Eurofighter stationiert.
In die Slowakei sollen „Patriot“-Flugabwehrsysteme und Soldaten geschickt werden. Diese Einsätze werden vom Einsatzführungskommando in Schwielowsee bei Potsdam gesteuert, das Scholz am Freitag besuchte.
Deutschland und andere Nato-Staaten unterstützen die ukrainischen Streitkräfte allerdings mit Waffen. Die Bundesregierung hat bereits 1000 Panzerfäuste und 500 Luftabwehrwaffen zur Verfügung gestellt, eine weitere Lieferung ist geplant.
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Die Waffen werden aber nicht direkt ins Land geschickt, sondern außerhalb der Grenzen übergeben. Das bedeutet, dass keine Nato-Soldaten die Ukraine betreten.
Scholz ist Kriegsdienstverweigerer
Der Besuch des Kanzlers bei den Soldaten in Schwielowsee war schon lange vor Kriegsbeginn geplant. Scholz ist selbst Kriegsdienstverweigerer und hat Mitte der 80er Jahre in Hamburg seinen Zivildienst absolviert.
Scholz besuchte auf dem Gelände der Henning-von-Tresckow-Kaserne den „Wald der Erinnerung“, der für die 115 im Einsatz gestorbenen Soldaten errichtet wurde. 37 davon wurden in Gefechten oder bei Anschlägen getötet - vor allem in Afghanistan.
Ein riesiger Gedenkstein, der aus dem früheren deutschen Hauptquartier in Masar-i-Scharif gegen Ende des Afghanistan-Einsatzes zurück nach Deutschland gebracht wurde, erinnert an sie.
100-Milliarden-Programm „ein gutes Zeichen“
Als Konsequenz aus der Ukraine-Krise hatte Scholz am vergangenen Sonntag im Bundestag ein gigantisches Aufrüstungsprogramm für die Bundeswehr angekündigt. 100 Milliarden Euro sollen über ein Sondervermögen für Investitionen in die Ausrüstung der Truppe bereitgestellt werden.
Auch diesen Schritt hob Scholz bei seinem ersten Truppenbesuch noch einmal hervor. „Das ist ein gutes Zeichen und unterstützt die professionelle Arbeit, die hier seit sehr langer Zeit gewährleistet wird, und auf die wir auch in Zukunft setzen wollen“, sagte er. (dpa)
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