
© Supreme Court of Donetsk People's Republic/Handout via REUTERS
Nach Schuldspruch der pro-russischen Separatisten: Schwester von zum Tode Verurteilten kritisiert fehlende Hilfe Marokkos
Die pro-russische Führung in Donezk sieht den 21-Jährigen als Söldner und will das Todesurteil vollstrecken. Nach dem Vater ruft nun die Schwester um Hilfe.
Stand:
Im Fall des in der sogenannten Volksrepublik Donezk zum Tode verurteilten Brahim Saadun hat dessen Schwester mangelndes Engagement ihres Heimatlandes und dort fehlende Empathie beklagt. „Er wird wirklich betrogen“, sagte Iman Saadun dem britischen „Guardian“. Demnach habe sie erfolglos mehrere marokkanische Behörden, darunter das Außenministerium, um Hilfe gebeten. Weil ihr Land ihn nicht einfordere, bitte sie nun darum, „dass jemand kommt und meinen Bruder aufnimmt“.
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Der 21-Jährige Saadun ist einer von drei ausländischen Männern, die am 9. Juni von pro-russischen Separatisten in der Ostukraine zum Tode verurteilt wurden. Der Oberste Gerichtshof der selbsterklärten „Volksrepublik Donezk“ bezeichnet ihn sowie die beiden Briten Aiden Aslin und Shaun Pinner als ausländische Kämpfer und begründet damit die Härte des Urteils. Zudem behauptet das Gericht, die Angeklagten hätten „ihre Schuld gestanden“.
Die Familien und Freunde der Verurteilten bestreiten jeweils den Vorwurf des Söldnertums. Der Nachrichtenagentur Reuters teilte Saaduns Vater mit, sein Sohn sei seit 2020 im Besitz der ukrainischen Staatsbürgerschaft. Demnach habe er sich nach einem Studium in Kiew freiwillig der ukrainischen Armee angeschlossen. Seine Schwester erklärte nun, der Berufswunsch des Luft- und Raumfahrtingenieurs habe Saadun in die Ukraine gezogen.
Dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zufolge kam der gebürtige Marokkaner 2019 zum Studium nach Kiew. Mitte Juni dieses Jahres forderte die Behörde des Europarats, Russland solle Saaduns Hinrichtung verhindern. Moskau solle sicherstellen, dass die verhängte Todesstrafe „nicht vollzogen wird“, hieß es in einer Eilentscheidung des in Straßburg ansässigen Gerichts. Es kam damit einer Petition nach, die ein Rechtsvertreter des Marokkaners beim EGMR eingereicht hatte.
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Freunden und Regierungsbeamten zufolge war Saadun seit November 2021 als Mitglied einer Marineeinheit in Mariupol stationiert und im April durch pro-russische Separatisten gefangen genommen worden.
Marokko verzichtet auf Kritik an Russland
Die marokkanische Regierung agiert in dem Fall bislang zurückhaltend. Die Botschaft in Kiew teilte vergangene Woche knapp mit, Saadun wurde von „einer Organisation, die weder von Marokko noch von den UN anerkannt wird“, inhaftiert. Dabei habe er die Uniform der Armee des Staates Ukraine getragen, die er selbst gewählt habe. Bisher hat Marokko die russische Invasion in die Ukraine weder verurteilt noch an den beiden Abstimmungen gegen Russland bei den Vereinten Nationen teilgenommen.
Saaduns Schwester Iman kritisierte auch in der marokkanischen Gesellschaft fehlende Empathie für ihren zum Tode verurteilten Bruder. „Die Mehrheit feiert, dass er sterben wird“, behauptet sie. Demnach richteten sich zahlreiche Beiträge in sozialen Netzwerken ihres Heimatlandes gegen Saadun. Derweil solidarisieren sich zahlreiche Menschen aus der Ukraine mit dem 21-Jährigen unter dem Hashtag #SaveBrahim.
Die Rechte von Kriegsgefangenen sind in den Genfer Konventionen geregelt. Kriegsgefangene dürfen demnach nicht gefoltert werden und haben einen Anspruch auf medizinische Versorgung. (Tsp, AFP)
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