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Unterschiedlicher Meinung in der Affäre um Cyberangriffe: Außenminister Mike Pompeo (l.) und US-Präsident Donald Trump.

© Mandel Ngan/AFP

Update

Cyberangriffe auf sieben US-Bundesbehörden: Trump verteidigt Russland und bringt China ins Spiel

Die Hackerattacken auf die US-Regierung nehmen immer größere Ausmaße an. Außenminister Pompeo sieht Russland dahinter, Trump gibt sich ungewohnt diplomatisch.

Die Übergangsphase von einem US-Präsidenten zum nächsten ist schon in normalen Zeiten eine besonders sensible Zeit. In diesem Jahr, in dem der Wahlverlierer seine Niederlage leugnet und die Einarbeitung des Neuen wochenlang blockiert hat, gilt das ganz besonders.

Die Supermacht USA wirkt von ihren innenpolitischen Problemen abgelenkt - und das bringt böswillige ausländische Kräfte auf den Plan.

Der in der vergangenen Woche öffentlich bekannt gewordene Hackerangriff auf amerikanische Regierungsbehörden ist offenbar noch viel größer und gefährlicher als gedacht. Nach Angaben des Magazins "Politico" drangen Hacker auch in mehrere Abteilungen des Energieministeriums ein, darunter die National Nuclear Security Administration (NNSA), die die Aufsicht über das amerikanische Atomwaffen-Arsenal hat., sowie die Federal Energy Regulatory Commission (FERC), die einen Teil des nationalen Stromnetzes überwacht. Darüber seien die zuständigen Ausschüsse des US-Kongresses am Donnerstag unterrichtet worden.

Damit sind inzwischen sieben Bundesbehörden betroffen. Über die bereits bekannten Cyberangriffe auf das Finanz-, das Heimatschutz-, das Außen-, das Landwirtschafts- und das Handelsministerium sowie die National Institutes of Health hatte die amerikanische Cyber-Sicherheitsbehörde Cisa am Donnerstag erstmals ausführlich informiert.

Das Risiko durch den großangelegten Cyber-Angriff ausländischer Hacker auf Bundesbehörden und Unternehmen in den USA sei sehr "ernst zu nehmen", erklärte die Cisa. Die spätestens im März begonnene Attacke sei durch einen "fortgeschrittenen, hartnäckigen" Akteur erfolgt, erklärte die Sicherheitsbehörde am Donnerstag. Die Angreifer hätten "Ausdauer, operative Sicherheit und komplexe Fähigkeiten" gezeigt. Die Abwehr der Hacker sei "hochgradig komplex und herausfordernd".

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US-Außenminister Mike Pompeo macht Russland für den großangelegten Cyberangriff verantwortlich. Die Täter hätten mit großem Aufwand versucht, über die Software eines Drittanbieters auf die IT-System der Regierung zuzugreifen, sagte Pompeo am Freitag en einer Radiosendung. Es sei "ziemlich eindeutig", dass Russland hinter diesen Attacken stecke.

Donald Trump bricht sein tagelanges Schweigen

Der amtierende US-Präsident Donald Trump sieht es anders als sein Außenminister. Geht es nach ihm, steckt nicht unbedingt Russland hinter der groß angelegten Cyberattacke auf amerikanische Regierungseinrichtungen - sondern womöglich China. Es werde immer gleich Russland verdächtigt, wenn etwas passiere, schrieb Trump am Samstag auf Twitter.

Dabei könne es möglicherweise auch China sein, doch diese Option werde „aus überwiegend finanziellen Gründen“ nicht diskutiert. Trump spielte in seinem Tweet das Ausmaß und die Gefahr des Hackerangriffs herunter und nutzte den Vorfall, um erneut unbelegte Betrugsvorwürfe zur Präsidentenwahl zu verbreiten.

Andere Regierungsmitarbeiter werfen Russland ebenfalls vor, an der Attacke zu beteiligt zu sein. Auch US-Medien hatten über Verbindungen der Angreifer zum russischen Geheimdienst berichtet. Moskau weist dies zurück.

Auch das Heimatschutzministerium wurde von Hackern angegriffen.
Auch das Heimatschutzministerium wurde von Hackern angegriffen.

© Jason Redmond/AFP

Aber die hoch komplexe Vorgehensweise spricht dafür, dass da absolute Profis mit am Werk sind. Wie Cisa erläuterte, haben die Hacker Schadsoftware benutzt, die bei Updates eines gern genutzten Programmes der texanischen Firma Solarwinds aktiv wurde. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters war zudem ein weiteres "großes Technologieunternehmen" gehackt worden, um so Zugriff auf Netzwerke von deren Kunden zu bekommen.

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Unter den Kunden von Solarwinds sind Regierungseinrichtungen und Unternehmen. Auch der Softwarekonzern Microsoft hat das Programm "Politico" zufolge genutzt und ist ebenfalls von dem Hackerangriff betroffen. Insgesamt sind nach Angaben von Solwarwinds rund 18.000 Kunden betroffen. Auch drei Bundesstaaten sollen angegriffen worden sein, berichtet Bloomberg News. Was genau hinter dem Angriff steckt und wie umfassend der Schaden ist, ist noch offen.

Joe Biden zeigt sich besorgt über die Berichte

Die Aufregung in Washington ist groß, und sie wird verstärkt durch das Misstrauen, das der Regierung des Noch-Präsidenten Donald Trump entgegengebracht wird.

Der neu gewählte Präsident Joe Biden zeigte sich überaus besorgt über die Berichte und kündigte an, er werde Cyber-Sicherheit zur "obersten Priorität" auf allen Ebenen seiner Regierung machen. Sobald seine Regierung im Amt sei, werde sie hart gegen die Angreifer vorgehen, teilte er mit. Die Demokraten im Kongress verlangen, besser über das Ausmaß der Attacken informiert zu werden.

Nach Angaben des Energieministeriums sind zwar Bereiche, die die nationale Sicherheit direkt berühren, nicht betroffen. Aber der Nationale Sicherheitsrat habe bereits selten genutzte Notfallmaßnahmen in Kraft gesetzt, schreibt "Politico" und zitiert einen hochrangigen Regierungsmitarbeiter damit, dass dies "einer der folgenschwersten Cyber-Angriffe in der amerikanischen Geschichte" sein könnte.

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