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Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel

© dpa

Außenpolitik: Sigmar Gabriel will nicht mehr für Rüstungsexporte zuständig sein

Der Bundeswirtschaftsminister will auf Kompetenzen verzichten und Waffenexporte vom Auswärtigen Amt genehmigen lassen. Das ist ein ungewöhnlicher Schritt, aber Gabriel ist konsequent. Rüstungsexporte sind kein Mittel der Industriepolitik, sondern der Außenpolitik.

Von Hans Monath

Normalerweise brennen Politiker mit großem Gestaltungswillen darauf, den eigenen Einflussbereich und die eigenen Zuständigkeiten eifersüchtig zu verteidigen und, wo immer möglich, auch auszuweiten. Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD), dem auch seine Gegner Machtbewusstsein nicht absprechen, hat diese Regel am Mittwoch durchbrochen.

Der Wirtschaftsminister schlug in einer Grundsatzrede vor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) vor, Kompetenzen des eigenen Hauses abzugeben. In künftigen Regierungen solle das Auswärtige Amt federführend über Rüstungsexporte entscheiden, sagte der SPD-Chef: „Ich jedenfalls fände das eine überlegenswerte Reform.“ Denn in seinem eigenen Ressort komme es stets zum Widerspruch von industriepolitischen auf der einen, außen- und sicherheitspolitischen Interessen auf der anderen Seite.

Der Vorschlag kommt überraschend, steht aber in der Kontinuität von Gabriels Argumentation der vergangenen Monate. Mit großer Energie hatte sich der Vizekanzler auf das Thema Rüstungsexporte gestürzt, eine restriktive Genehmigungspraxis und damit eine Generalrevision der Entscheidungen der schwarz-gelben Vorgängerregierung über den Export von Panzern und anderem Kriegsgerät versprochen. Wehrexperten der Union beschwerten sich deshalb im Kanzleramt und warfen ihm vor, er gefährde die Existenz der deutschen Rüstungsindustrie. Gabriel konterte mit einem Grundsatz, den er auch vor der DGAP bekräftigte und vom Gesetz vorgegeben hält: Rüstungsexporte könnten kein Mittel der Industriepolitik, sondern immer nur eines der Außen- und Sicherheitspolitik sein.

Sigmar Gabriel steht unter mehrfachem Druck

Mit seinem großen Versprechen, an heikle Staaten in der Regel nicht mehr zu liefern, nahm Gabriel ein Herzensthema seiner eignen Partei auf: Die Sozialdemokraten, die sich als Friedenspartei verstehen, halten es für unverantwortlich, Despoten oder Kriegstreiber mit Waffen auszurüsten. Dass der Bundessicherheitsrat in seiner jüngsten Sitzung mit Gabriels Zustimmung die Lieferung von Waffen und gepanzerten Fahrzeugen unter anderem nach Katar und Saudi-Arabien genehmigte, verstörte die SPD deshalb sehr.

Gabriel steht unter mehrfachem Druck:  Als Wirtschaftsminister muss er die Interessen der deutschen Industrie vertreten, auch wenn diese Kampfpanzer oder Kanonenrohre produziert. Und seit die Terrormiliz „Islamischer Staat“ eine ganze Region mit Gewalt überzieht, hat sich die Bundesregierung zu Waffenlieferungen an die Kurden durchgerungen, obwohl für die spätere Verwendung dieses Kriegsgeräts niemand garantieren kann.

Die SPD würde einen generellen Stopp deutscher Rüstungsexporte in die Krisenländer der arabischen Welt gerne durchsetzen – dennoch machte der Wirtschaftsminister vor der DGAP deutlich, dass er dazu nicht bereit ist. Faktisch verteidigte der Vizekanzler damit einen Handlungs- und Entscheidungsspielraum für Exporte auch in diesen Raum. Es müsse anhand strikter Kriterien im Einzelfall entschieden werden. Geprüft werden müsse etwa ein möglicher Einsatz deutscher Rüstungsgüter zur Repression der Opposition oder auch die Akzeptanz der Lieferung in der deutschen Öffentlichkeit. Eine Lieferung des Kampfpanzers Leopard in ein arabisches Land schloss Gabriel aus. Er komme anhand der Kriterien zu dem Ergebnis, dass sich die Lieferung des Waffensystems „nicht rechtfertigen ließe“.

Als zentrales Ziel deutscher Außen- und Sicherheitspolitik nannte Gabriel „die Erhaltung der Bündnisfähigkeit und der dazu notwendigen rüstungstechnologische Kernkompetenzen“. Deutschland müsse kooperationsfähig bleiben und eine „mitentscheidende Rolle“ beim Erhalt einer unabhängigen europäischen Rüstungsindustrie wahrnehmen. Dazu solle sein Ressort mit dem Verteidigungsministerium und dem Auswärtigem Amt Klarheit über die Kernkompetenzen der Verteidigungsindustrie schaffen.

Die Einschätzung von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), wonach ein Großteil der Rüstungsindustrie für Deutschlands Sicherheit entbehrlich sei, kritisierte Gabriel in ungewöhnlich deutlicher Form. Bundestag und Bundesregierung müssten diskutieren, ob die „sehr schmale Festlegung“ der CDU-Politikerin zu den deutschen Kernfähigkeiten ausreichend sei, sagte der SPD-Chef.

Er sei auch „ein bisschen überrascht“ gewesen, dass für Leyen der U-Boot-Bau nicht zu den Kernkompetenzen gehören solle. Man werde sehen, ob sie im eigenen politischen Lager dafür „ein hohes Maß an Zustimmung“ bekommen werde, stichelte Gabriel. Es gebe „gute Möglichkeiten“, den Export von U-Booten zu genehmigen, es gehe „um ein paar tausend Arbeitsplätze“. Dass nach seiner eigenen Definition Arbeitsplätze für Waffenexportentscheidungen keine Rolle spielen sollen, hatte Gabriel da offenbar schon wieder vergessen.

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