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Friedrich Merz (CDU) und Lars Klingbeil (SPD) bei der Verkündung der Sondierungsergebnisse.

© REUTERS/ANNEGRET HILSE

Sondierungspapier von Union und SPD : Viel Vernunft, wenig Sparwille

CDU, CSU und SPD planen eine vernünftige Migrations- und Arbeitsmarktpolitik. Doch sie bestätigen das Klischee, wonach Schwarz-Rot gern Geld ausgibt. Wie war das noch mit dem Konsolidierungsbedarf?

Daniel Friedrich Sturm
Ein Kommentar von Daniel Friedrich Sturm

Stand:

Die Ergebnisse der Sondierungsgespräche von CDU, CSU und SPD atmen in weiten Teilen einen Geist der Vernunft. Es wird höchste Zeit für eine geordnete, realitätsnähere Migrationspolitik. Ob die von der Union durchgesetzten Zurückweisungen an den deutschen Grenzen die im Wahlkampf geweckten Erwartungen tatsächlich erfüllen, wird sich angesichts der vereinbarten Absprachen mit den Nachbarländern allerdings noch zeigen müssen.

Dass die SPD den Pfad des Begrenzens und Steuerns der Migration einschlägt, ist die logische Folge ihres blamablen Wahlergebnisses und des Verlustes vieler Wählerinnen und Wähler an AfD und CDU/CSU. Deutschland aber schottet sich nicht ab. Alle drei staatstragenden Parteien wissen, dass der Wohlstand dieses Landes von der Zuwanderung von Fachkräften abhängt, und: von einer besseren Integration – übrigens derjenigen, die schon lange hier leben. Vieles von dem, was Union und SPD anpeilen, war mit der Ampel unmöglich.

Union und SPD wollen die Grundlagen für mehr, längeres und flexibleres Arbeiten und eine bessere Entlohnung legen. Endlich richtete sich der Fokus auf diejenigen, die arbeiten, „sich abrackern“ (SPD-Chef Lars Klingbeil), Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Sogar die SPD hatte diese Menschen teils aus dem Auge verloren. Es ist doch ganz einfach: Die beste Politik für diejenigen, die – aus unterschiedlichsten Gründen – nicht arbeiten können, sind bessere Bedingungen für alle jene, die das Solidarsystem erst ermöglichen. Sanktionen für Arbeitsverweigerer, die bisher von den Beitragszahlungen von arbeitenden Menschen leben, sind nötig für die Akzeptanz des Solidarsystem, ja des Sozialstaates.

Klientelpolitik mit der Gießkanne

Bei der Vorstellung der Sondierungsergebnisse sprach CDU/CSU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz gleich zweimal von „erheblichem Konsolidierungsbedarf“, von einer „größeren Kraftanstrengung“ im Bundeshaushalt. Von alldem findet sich in dem Papier von CDU, CSU und SPD wenig bis nichts. Stattdessen versprechen die drei Parteien einen Ausbau der Mütterrente, eine höhere Pendlerpauschale, eine geringe „Schnitzelsteuer“ und die Rückkehr zu den Agrardiesel-Vergünstigungen. Damit wollen Merz, Klingbeil, Saskia Esken und Markus Söder für ihre jeweilige Klientel Geld per Gießkanne verteilen. Sie bestätigen damit alte Klischees über große Koalitionen: Der Minimal-Konsens lautet Konsum.

Wie war das noch mit all den Einspar-Parolen von Merz, Carsten Linnemann und Julia Klöckner, die sie noch vor gut zwei Wochen landauf, landab verbreiteten? Was steckt denn wirklich hinter dem Bekenntnis zu Investitionen, also eben nicht für konsumtive Ausgaben? Wenn Union und SPD bei diesen unnötigen, teilweise potenziell extrem kostspieligen Ausgabeplänen bleiben, müssen sie sich fragen lassen, ob das 500-Milliarden-Euro-Schuldenpaket wirklich der Zukunft dienen soll, und nicht allein der Gegenwart.

Ohnehin hängen all diese Vorhaben an der Zustimmung der Grünen zu den beiden Mega-Projekten, also der Aussetzung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben oberhalb von ein Prozent der Wirtschaftskraft und dem Halbe-Billion-Paket für Infrastruktur. Die Grünen-Spitze wies am Wochenende ziemlich krawallig darauf hin, die Pläne von Schwarz-Rot seien „Gift für das Land“, und die Zustimmung zum Schuldenpaket damit in weitere Ferne gerückt.

Es wirkte wenig überzeugend, als Merz am Samstag darauf hinwies, er habe bei der Grünen-Fraktionsführung „eine Nachricht hinterlassen“. Mit einer solch kargen Kommunikation werden Union und SPD die Grünen zu einem Ja für eine Verfassungsänderung kaum bewegen können. Die Grünen wiederum sollten klarmachen, dass sie den Pakt für mehr Verteidigungsausgaben unterstützen. Alles andere wäre ein Verrat an ihrer eigenen Politik.

Übrigens: Selbst wenn der alte Bundestag und danach der Bundesrat die Pläne von Schwarz-Rot zügig beschließen sollte, wäre es klug, wenn Union und SPD eine Gesprächsbasis mit Grünen, womöglich auch mit den Linken, schafft. Bei der Suche nach einer Zwei-Drittel-Mehrheit wird Schwarz-Rot einen Konsens mit Grünen und Linken brauchen, und im Bundesrat sind die Grünen ein Machtfaktor.

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