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Hilfsbereitschaft ist einer der Faktoren für sozialen Zusammenhalt. Die Deutschen bewiesen sie während des Hochwassers.

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Update

Neue Studie: Sozialer Zusammenhalt in Deutschland mittelmäßig stark

Der gesellschaftliche Zusammenhalt in Deutschland sei nur mittelmäßig stark, heißt es in einer neuen Studie. Vor allem mit der "Akzeptanz von Diversität" tun sich die Deutschen schwer.

Die Bewohner der skandinavischen und angelsächsischen Länder halten zusammen, die Süd- und Osteuropäer weniger, die Deutschen liegen im guten Mittelfeld. Das legt die Studie „Radar gesellschaftlicher Zusammenhalt“ nahe, die die Bertelsmann-Stiftung am Dienstag präsentiert hat. Die fünf Autoren, allesamt Forscher an der Jacobs University Bremen, haben die Datensätze von zwölf internationalen Studien der letzten Jahre neu ausgewertet und 34 westliche Länder – darunter alle EU-Staaten außer Kroatien – miteinander verglichen. Auch Veränderungen der letzten 25 Jahren haben sie analysiert.

Skandinavien, Australien und Neuseeland sind top

Die Studienergebnisse sind allerdings mit Vorsicht zu genießen, wie die Autoren selbst zugeben: Die verwendeten Daten sind manchmal lückenhaft und lassen sich nicht immer genau vergleichen. Die Autoren veröffentlichen daher auch keine konkreten Zahlen, sondern ordnen nur die verschiedenen Länder in fünf Gruppen ein. So bilden etwa die skandinavischen Staaten, Australien und Neuseeland die „Spitzengruppe“ beim sozialen Zusammenhalt; die „Schlussgruppe“ besteht aus Litauen, Lettland, Bulgarien, Griechenland und Rumänien.

Deutschland lag von 1989 bis 2008 in der „Mittelgruppe“ und stieg dann ins „obere Mittelfeld“ auf. Weil die Studie aber keine absoluten Veränderungen abbildet, sondern nur relative Änderungen zwischen den Ländern, heißt das nicht zwangsläufig, dass sich der Zusammenhalt in Deutschland wirklich verstärkt hat. Es könnte auch bedeuten, dass er in anderen Ländern schwächer wurde.

Menschen schaufeln Sand und füllen Sandsäcke
Hilfsbereitschaft ist einer der Faktoren für sozialen Zusammenhalt. Die Deutschen bewiesen sie während des Hochwassers

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Deutschland schwächelt bei "Akzeptanz von Diversität"

Die Studie unterscheidet neun Dimensionen – etwa „Vertrauen in die Mitmenschen“, „Vertrauen in Institutionen“, „Gerechtigkeitsempfinden“ oder „Solidarität und Hilfsbereitschaft“ –, aus denen sich der soziale Zusammenhalt ergibt. Deutschland hat in den vergangenen Jahren besonders hohe Werte bei der „Anerkennung sozialer Regeln“ und relativ niedrige Werte bei „Akzeptanz von Diversität“ und „Identifikation mit der Nation“. Gerade diese beiden Facetten sind aber, wie die Autoren selbst sagen, weniger eng mit dem gesamten Zusammenhalt verknüpft als andere Kriterien: Länder mit schwachem Zusammenhalt haben oft relativ hohe Werte bei der Akzeptanz von Diversität und der Identifikation mit der Nation und umgekehrt.

Vertrauen in die Polizei steigt, Vertrauen ins Finanzsystem sinkt

Der soziale Zusammenhalt sei ein „beständiges Merkmal von Gesellschaften“, sagen die Autoren: Abrupte Veränderungen seien selten. Im Durchschnitt aller untersuchten Länder ist das Vertrauen in die Mitmenschen in den letzten Jahren leicht gestiegen, ebenso die Akzeptanz Homosexueller und das Vertrauen in Polizei und Gesundheitssystem. Leicht gesunken sind hingegen die Akzeptanz von Migranten und das Vertrauen in Parlament und Justiz; das Vertrauen in Finanzinstitutionen ging stark zurück. Bei der „gesellschaftlichen Teilhabe“, definiert etwa durch die Wahlbeteiligung und das Interesse an Politik, bildete Deutschland eine Ausnahme: Sie stieg in Deutschland leicht, in den anderen Ländern sank sie.

Zusammenhalt macht glücklich

Die Autoren setzen den Wert für Zusammenhalt mit verschiedenen anderen Maßzahlen ins Verhältnis und versuchen so, Zusammenhänge zu benennen. Das Ergebnis: Je wohlhabender und je innovativer ein Staat ist, je gleicher das Vermögen verteilt ist und je besser Bildungs- und Gesundheitssystem funktionieren, desto stärker ist der soziale Zusammenhalt der Gesellschaft. Der Ausländeranteil und staatliche Investitionen in Sozialleistungen spielen laut Studie hingegen keine Rolle. Und: Gesellschaften, in denen Religion sehr wichtig ist, halten weniger stark zusammen. Religiosität könnte daher eine Strategie sein, „einen schwachen gesellschaftlichen Zusammenhang auszugleichen, sagen die Autoren.

Neben den Ursachen haben die Autoren auch die Auswirkungen eines starken gesellschaftlichen Zusammenhalts untersucht. Die Erkenntnis: In Ländern mit starkem Zusammenhalt sind die Menschen zufriedener.

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