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SPD erzürnt über Gespräche mit Afghanistan: „Mit den Taliban kann es keinen Dialog geben“
Die Union will auch nach Afghanistan abschieben, ein Ex-Staatssekretär traf sich dazu mit dem früheren afghanischen Präsidenten. Innerhalb der schwarz-roten Koalition sorgt das für Zoff.
Stand:
Union und SPD streiten über Gespräche der Bundesregierung mit der radikalislamischen Taliban-Regierung über die Rückführung afghanischer Straftäter. Während aus der CDU/CSU Zustimmung kommt, lehnt die SPD solche Verhandlungen ab.
„Wie die vorige Bundesregierung mit den Taliban über die Aufnahme von Ortskräften sprach, so führt die jetzige Bundesregierung Gespräche über Rückführungen von Gefährdern“, sagte der CDU-Innenpolitiker Marc Henrichmann dem Tagesspiegel.
„Wer deutsches Recht bricht und unsere Hilfe missbraucht, muss zurückgeführt werden – auch nach Afghanistan“, sagte Henrichmann: „Die Bundesregierung ist dazu verpflichtet, alles für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu tun.“
Wer deutsches Recht bricht und unsere Hilfe missbraucht, muss zurückgeführt werden – auch nach Afghanistan
Marc Henrichmann, CDU-Innenpolitiker
Scharfe Kritik kommt aus der SPD. „Ich lehne das Vorgehen mit Blick auf die geplanten Verhandlungen mit den Taliban mit aller Schärfe ab“, sagte der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Adis Ahmetovic, dem Tagesspiegel. „Mit einer Gruppierung, die Frauen und Mädchen systematisch Bildung, Arbeit und Freiheit verweigert, die öffentliche Gewalt ausübt, Andersdenkende verfolgt und grundlegende Menschenrechte mit Füßen tritt, kann es aktuell keinen Dialog geben.“
Zu Recht seien jüngst vom Internationalen Strafgerichtshof Haftbefehle gegen führende Mitglieder der Taliban erlassen, sagte Ahmetovic. Dies sei „ein deutliches Signal der internationalen Gemeinschaft. Wer die Würde des Menschen derart missachtet, ist kein legitimer Gesprächspartner – weder diplomatisch noch moralisch.“
Zuvor hatte die „Bild“ berichtet, kürzlich habe der frühere Staatssekretär im Bundesinnenministerium und Ex-BND-Chef August Hanning den afghanischen Ex-Präsidenten Hamid Karzai im Berliner Hotel Adlon getroffen. „Hier wird offenbar ein Geheim-Deal vorbereitet“, schrieb die „Bild“.
Die Zeitung zitiert Hanning mit den Worten: „Bei einem vertraulichen Treffen im China Club kam es zu einem intensiven Austausch zwischen Karzai und mir.“ Hanning zufolge nimmt Karzai trotz seines offiziellen Rückzugs 2014 „eine zentrale Rolle als Vermittler“ ein. Er verfüge, sagte Hanning der „Bild“, über „enge Kontakte zu den aktuellen Machthabern und ist mit den erforderlichen Befugnissen ausgestattet, um Gespräche mit der deutschen Seite zu führen“.
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) will die Zahl der Abschiebungen erhöhen. Er sagte kürzlich dem Magazin „Focus“: „Nach wie vor braucht es Dritte, um Gespräche mit Afghanistan zu führen. Eine Dauerlösung darf das so nicht bleiben. Mir schwebt vor, dass wir direkt mit Afghanistan Vereinbarungen treffen, um Rückführungen zu ermöglichen.“
Die Gespräche sind ein Tabubruch.
Schahina Gambir, Innenpolitikerin der Grünen
Widerspruch zu Dobrindts Politik kam auch von Grünen und Linken. „Die Bundesregierung hat offenbar jeden moralischen Kompass verloren“, sagte die Grünen-Innenpolitikerin Schahina Gambir dem Tagesspiegel. Afghanistan sei nicht sicher und werde „unter dem Terrorregime der Taliban niemals sicher sein“.
„Mit ihrer Annäherung missachtet die Bundesregierung jegliche menschenrechtliche Prinzipien. Die Gespräche sind ein Tabubruch“, sagte die Grünen-Politikerin. Deutschland mache sich zum „außenpolitischen Erfüllungsgehilfen rechter Abschiebefantasien und normalisiert ein international geächtetes Regime, das systematisch Menschen entrechtet, foltert und öffentliche Körperstrafen durchführt“.
Ähnlich äußerten sich die Linken. „Ich finde es skandalös, dass offenbar Gespräche mit der Taliban über Abschiebungen nach Afghanistan geführt werden“, sagte Cansu Özdemir, außenpolitische Sprecherin Linken im Bundestag, dem Tagesspiegel. Es dürfe „keine Verhandlungen mit dem islamistischen Regime geben“. Personen, die nach Afghanistan abgeschoben würden, drohten drakonische Strafen.
Insbesondere die Situation von Frauen und Mädchen in Afghanistan sei „dramatisch“, sagte Özdemir: „Es kann nicht sein, dass Menschenrechte mit Füßen getreten werden, nur um ein billiges Wahlkampfversprechen von Friedrich Merz einzulösen.“ Das sei „rechte Symbolpolitik auf dem Rücken der Schwächsten“.
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