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Sarah Philipp, Vorsitzende der NRW-SPD, schaut am Rande der Wahlparty der SPD im Rathaus in Gelsenkirchen auf ihr Smartphone.

© dpa/Bernd Thissen

SPD-Niederlage in Dortmund: Ein Menetekel für die ganze Sozialdemokratie

Die SPD verliert immer öfter dort, wo sich Probleme ballen, wo sich viele Menschen abgehängt fühlen. Ein Rezept dagegen: staatliche Versäumnisse offen benennen und konsequent angehen.

Daniel Friedrich Sturm
Ein Kommentar von Daniel Friedrich Sturm

Stand:

Am Sonntag erlebte die SPD im Ruhrgebiet eine Niederlage, die weit über Nordrhein-Westfalen hinaus wirkt. Seit 1946 stellen die Sozialdemokraten den Oberbürgermeister in Dortmund. Am Sonntag verlor der bisherige SPD-OB die Stichwahl. Das Rathaus wird künftig von der CDU geführt.

Für die Sozialdemokraten kommt dieses Ergebnis einer Katastrophe gleich. Dortmund war für die SPD stets mehr als nur eine Hochburg. Dortmund war SPD, und SPD war Dortmund.

Die SPD brauche hier, nein, im ganzen Ruhrgebiet, nur einen „Besenstiel“ aufzustellen, der sogleich gewinne, hieß es über Jahrzehnte. Das war natürlich immer schon falsch. Es gibt in der Demokratie keine automatischen, garantierten Wahlsiege.

Die SPD war im Ruhrgebiet über eine so lange Zeit deshalb so erfolgreich, weil sie als Schutzmacht der „kleinen Leute“ agierte. Im Pott waren die Genossen meistens bürgernahe, pragmatische Anpacker, mit klarer Sprache, verankert in Gewerkschaften, Sport, Vereinen. Theoretische, akademische und ideologische Debatten waren ihnen zuwider.

Genau das ist der SPD verloren gegangen, deshalb ist ihre Niederlage in Dortmund kein lokales Phänomen, sondern ein Menetekel für die gesamte Sozialdemokratie. In weiten Teilen des Landes vertrauen die Bürgerinnen und Bürger der SPD eben nicht mehr. Sie verliert immer öfter dort, wo sich Probleme ballen, wo sich viele Menschen abgehängt fühlen. Heute scheint die SPD deren Sorgen nicht mehr gerecht zu werden. Es fehlen die Anpacker. Es fehlen die verständlichen, unverbrämten, ehrlichen Botschaften.      

Trösten mit Sieg in Köln

Von einer „schmerzvollen Niederlage“ spricht Sarah Philipp, neben Achim Post Co-Vorsitzende der NRW-SPD, in Dortmund. Welche politischen, strategischen, personellen Konsequenzen aber folgen daraus? Vermutlich keine. Schon scheint es, als tröste sich die SPD mit ihrem Sieg in Köln. Dort gewann sie das OB-Amt, aber dieser Erfolg war nur mithilfe der CDU möglich und fußt auf der lokalen Unzufriedenheit mit Schwarz-Grün.

Die SPD sollte daher wenigstens auf ihre erfolgreichen Anpacker und Macher vor Ort hören, die die Schwächen des Staates jeden Tag hautnah erleben und zu lösen versuchen.

Daniel Friedrich Sturm

Die einst stolze NRW-SPD ist nur noch ein Schatten ihrer selbst. Ein zugkräftiger Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2027 ist nicht in Sicht. Verständlicherweise dürfte Arbeitsministerin Bärbel Bas keine Lust haben, den Karren zu ziehen. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) wird mit bunten Bildern und Hände schüttelnd die Staatskanzlei verteidigen können, wenn die Genossen nicht umgehend harte Konsequenzen ziehen.

Ein lebensnaher, kluger Oberbürgermeister

Wie eine erfolgreiche Politik aussehen kann, zeigen beispielsweise zwei in NRW siegreiche Sozialdemokraten. Schon vor zwei Wochen wurde Hamms Oberbürgermeister Marc Herter mit 64 Prozent im Amt bestätigt. Herter will das finanziell nicht eben gesegnete Hamm zur „familienfreundlichsten Stadt Deutschlands machen“. Er hat damit ein verständliches Thema, ein Markenzeichen entwickelt, das er konsequent beackert. Er spornt Stolz in einer Stadt an, die sonst nicht besonders stolz daherkommt. Das ist lebensnah und klug.

Am Sonntag setzte sich in Duisburg der amtierende OB Sören Link mit 79 Prozent gegen einen AfD-Herausforderer durch. Link machte bundesweit Schlagzeilen, indem er eine Razzia gegen Sozialbetrug im Problem-Hochhaus „Weißer Riese“ anordnete. Er spricht Themen wie Armutszuwanderung an. Er habe, sagt Link, beim Thema soziale Gerechtigkeit „keine Lust, verarscht und beschissen zu werden. Das ist aber genau das, was da passiert“. Seine Distanz zur Bundes-SPD lässt er erkennen.

Die SPD hat in vielen Städten erfolgreiche Bürgermeister und Oberbürgermeister, Anpacker und Kümmerer im besten Sinne. Sie alle denken aber nicht daran, sich auf Landes- oder Bundesebene „verbrennen“ zu lassen. Das verstärkt den gefährlichen Einfluss erfolgloser, stets nur über Listen gewählter Abgeordneter.

Die SPD sollte daher wenigstens auf ihre erfolgreichen Anpacker und Macher vor Ort hören, die die Schwächen des Staates jeden Tag hautnah erleben und zu lösen versuchen. Viele Menschen wissen und reden über staatliche Defizite, etwa beim Bürgergeld. Die SPD sollte solche Schwächen ansprechen, sie zu beseitigen versuchen. Früher hieß das einmal: Sagen, was ist. Machen, was geht.

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