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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht in der Generaldebatte um den Haushalt 2025 im Bundestag.

© dpa/Kay Nietfeld

„Sprücheklopfen, nichts hingekriegt“: Scholz wirft Union Untätigkeit und Inszenierung vor – Merz hält das für „infam“

Mit der Generaldebatte stand der nächste Showdown zwischen Regierung und Opposition an: Zunächst erhebt CSU-Politiker Dobrindt schwere Vorwürfe gegen den Kanzler. Doch Scholz poltert zurück.

Stand:

Gestern erklärte Friedrich Merz die Ampel-Koalition unter Kanzler Olaf Scholz für handlungsunfähig und führungslos. Heute legt zum Auftakt der Generaldebatte nicht der Unionschef, sondern der CSU-Landesgruppenvorsitzende Alexander Dobrindt nach. „Ihre Koalition ist keine Koalition des Fortschritts, es ist eine Koalition des Abstiegs in diesem Land“, sagte Dobrindt am Mittwoch im Plenarsaal. Deutschland sei heute weder sicherer noch wettbewerbsfähiger noch politisch stabiler als vor Amtsantritt des Bundeskanzlers.

„Diese Verweigerungshaltung ist eine Kapitulation gegenüber der Überforderung unserer Kommunen, Schulen und der Sicherheitslage“, sagte Dobrindt. Der CSU-Politiker warf Scholz Ignoranz und Arroganz vor sowie die Chance verpasst zu haben, die illegale Migration wirksam einzudämmen. Die Migrationsgespräche zwischen Regierung und Union am Dienstag seien ein weiterer Tiefpunkt in der „Abstiegsbilanz“ der Ampel.

Die Rede von Scholz bei der Generaldebatte

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Der Bundeskanzler ging zum Auftakt seiner Rede nicht auf Dobrindts Angriff ein, sondern kommentierte zunächst das AfD-Erstarken bei den jüngsten Wahlen im Osten. „Die Ergebnisse sind bedrückend“, sagte der Kanzler: „Die AfD ist schlecht für unser Land.“ Sie habe ein Menschen- und Frauenbild von gestern. „Wir werden alles dafür tun, dass die AfD wieder an Bedeutung verliert“, sagte der Kanzler kämpferisch und erhielt dafür Applaus von nahezu allen anderen Abgeordneten. Die Devise sei „nicht motzen, sondern anpacken“.

Scholz wirft Union erneut „Sprücheklopfen“ vor

Später sprach der Kanzler dann zur aktuellen Asyl- und Migrationsdebatte und holte dabei erneut scharf gegen CDU-Parteichef Friedrich Merz aus. „Sie sind der Typ von Politiker, der glaubt, mit einem Interview in der ,Bild am Sonntag’ hätte er schon die Migrationsfrage gelöst“, rief der SPD-Politiker am Podium des Parlaments. Kaum habe Merz die Redaktionsräume verlassen, habe er aber schon vergessen, was er vorgeschlagen habe. „Weil Sie niemals vorhatten, sich darum zu kümmern.“

Nicht motzen, sondern anpacken.

Olaf Scholz, Bundeskanzler

Der Kanzler warf der Union zudem jahrelange Untätigkeit in der Migrationspolitik vor. „Sprücheklopfen, nichts hingekriegt“, rief Scholz der Union zu. Merz habe ihm sogar vorgeschlagen, die Ampel-Koalition zu sprengen. Die Bürger wollten keine Theateraufführungen erleben, sondern dass ernsthaft und seriös Politik gemacht werde. Es wäre gut gewesen, in der Migrationsfrage zu gemeinsamen Lösungen zu kommen, sagte Scholz.

Dazu betonte der SPD-Politiker, dass die legale Einwanderung angesichts des Bevölkerungsrückgangs wesentlich für den deutschen Wirtschaftsstandort sei. „Es gibt kein Land der Welt mit schrumpfender Erwerbsbevölkerung, das wirtschaftliches Wachstum hat. Das ist die Wahrheit, mit der wir konfrontiert sind“, sagte Scholz. Es brauche Weltoffenheit und zugleich Kontrolle und Steuerung.

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Der Bundeskanzler verteidigte zudem die deutsche Unterstützung der Ukraine („so lange wie nötig“) und erneuerte seinen Aufruf für eine weitere Friedenskonferenz. „Und bei der muss es dann sein, dass Russland mit am Tisch sitzt“, sagte Scholz. Auszuloten, was geht, sei nun die Aufgabe.

Merz weist Vorwürfe der Inszenierung zurück

Auch Unionschef Friedrich Merz stellte den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zum Auftakt seiner Rede in den Fokus. „Wir müssen immer wieder sagen, auf welcher Seite wir stehen“, mahnte der CDU-Parteivorsitzende und erinnerte dabei auch an den Terroranschlag vom 11. September, der sich heute vor 23 Jahren in den USA ereignete. „Unvergleichbar kleiner“ seien dagegen die Aufgaben, die es aktuell in Deutschland zu bewältigen gelte.

Später wies Merz den Vorwurf des Bundeskanzlers zurück, die jüngsten Gespräche zur Asyl- und Migrationspolitik von Anfang an inszeniert zu haben. „Diese Behauptung ist infam“, sagte der CDU-Politiker und wandte sich dabei direkt an den Kanzler. Merz erneuerte seine Lesart, die von der Regierung in dem Gespräch auf den Tisch gelegten Vorschläge seien unzureichend gewesen. Deshalb habe die Union das Treffen verlassen. Eine „Endlosschleife“ von Gesprächen lehne man ab.

Immer wieder richtete sich Friedrich Merz am Mittwochvormittag direkt an Kanzler Olaf Scholz.

© REUTERS/ANNEGRET HILSE

Zudem bekräftigte Merz seine Forderung, temporär alle Asylbewerber an deutschen Grenzen zurückzuweisen. Die Menschen müssten gemäß den Dublin-Regelungen dort einen Asylantrag stellen, wo sie die EU zuerst betreten hätten. Das sei sowohl rechtlich möglich als auch praktisch geboten.

Mit Bezug auf den Bundeshaushalt – der normalerweise im Fokus der Generaldebatte steht – warf Merz der Ampelkoalition vor, falsche Weichen zu stellen. „Wir bewegen uns mehr und mehr in die Richtung einer Planwirtschaft“, sagte der CDU-Chef. Der Sozialhaushalt sei „explodiert“ und Politik auf Kosten der jungen Generation. Auch forderte er, öffentliche Infrastruktur stärker aus privaten statt nur aus öffentlichen Mitteln zu finanzieren.

Dürr ruft Union zu Zusammenarbeit in Migrationspolitik auf

Die auf vier Stunden angesetzte Generaldebatte stellt den Höhepunkt der Haushaltsberatungen dar. Dabei wird traditionell die Regierungsarbeit auf allen möglichen Politikfeldern zerpflückt – weit über den Etat hinaus. Eröffnet wurde die sogenannte Elefantenrunde vom CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, nicht wie erwartet von Unionschef Friedrich Merz. Später sprachen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Vorsitzenden der übrigen Bundestagsfraktionen.

Bundeskanzler Olaf Scholz bei der Generaldebatte am Mittwoch.

© dpa/Kay Nietfeld

Nach Dobrindt und Scholz etwa AfD-Co-Fraktionschefin Alice Weidel. Mit ähnlichen Worten wie zuvor Dobrindt griff Weidel den Bundeskanzler scharf an. „Sie sind der Kanzler des Niedergangs, Herr Scholz“, sagte Weidel und warf Scholz eine Politik der „Wohlstandsvernichtung, Deindustrialisierung, Massenmigration und Verlust der inneren Sicherheit“ vor. Die Bürger würden mit Alibipolitik und Migrationsgipfeln beschwichtigt.

So kann man im Kern die EU kaputtmachen.

Katharina Dröge (Fraktionsvorsitzende Grüne) über die CDU-Asylvorschläge

„Kluge Politik behält den Überblick“, sagte Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge mit Blick auf die Konsequenzen aus dem tödlichen Messeranschlag von Solingen. Nötig sei ein Sofortprogramm, insbesondere zur besseren Unterstützung der Polizei. „Naiv“ sei es hingegen, wie Merz zu glauben, dass die Schließung der Grenzen zu EU-Nachbarstaaten die Probleme löse. Folge wäre „absolutes Chaos“ in Europa, sagte Dröge. „So kann man im Kern die Europäische Union kaputtmachen.“

Auch der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Rolf Mützenich, sagte, es sei illusorisch, auf große Fragen einfache, „schnelle und widerspruchsfreie“ Antworten geben zu können. „Das Versprechen, Herr Merz, schneller Resultate bleibt eine Selbsttäuschung oder ist schlicht eine bewusste Irreführung der Öffentlichkeit“, sagte Mützenich.

Die Generaldebatte in Berlin war für vier Stunden angesetzt.

© dpa/Michael Kappeler

FDP-Fraktionschef Christian Dürr rief die Union in seiner Rede zur weiteren Zusammenarbeit mit der Ampel-Regierung auf. „Ich glaube, für eine Blockade in der Frage der Ordnung und Begrenzung der Migration haben die Menschen in Deutschland kein Verständnis mehr“, sagte Dürr. Notwendig sei, dass Demokraten, der Bund und die Länder in der Migrationspolitik an einem Strang ziehen.

Die Co-Vorsitzenden der Gruppe Die Linke – den Fraktionsstatus hatte die Partei im Zuge zahlreicher BSW-Übertritte verloren – kritisierte die Bundesregierung dagegen dafür, falsche Prioritäten zu setzen. „Tun Sie doch nicht so, als wäre [die Migration] das einzige Problem, vor dem unser Land gerade steht“, sagte Heidi Reichinnek. Andere Politikbereiche wie die Wohnungs- oder Gesundheitspolitik würden hingegen vernachlässigt.

Ab 13 Uhr wurden dann die Etats weiterer Bundesministerien beraten: zunächst der des Auswärtigen Amtes; ab 14.45 Uhr der Verteidigungsetat von Boris Pistorius (SPD). Den Abschluss bildet eine Debatte über das Budget von Verkehrs- und Digitalminister Volker Wissing (FDP) ab 16.30 Uhr. Die Haushaltsberatungen dauern noch bis einschließlich Freitag. (mit dpa, AFP)

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