
© dpa/Wolfgang Kumm
Staatsferne der Presse: Buschmann fährt sein „Rechtsbriefing“ zurück
Macht die Regierung verbotenerweise Journalismus? Der Justizminister zieht erste Konsequenzen aus der Kritik an einem neuen Info-Dienst.
Stand:
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) kürzt das Angebot des im vergangenen Jahr gestarteten „Libra Rechtsbriefing“ ein, eines Informationsdienstes für juristische und rechtspolitische Nachrichten. So soll der wöchentliche „Libra“-Newsletter künftig nicht mehr wie bisher für jedermann kostenlos bestellbar sein. Zudem würden die über die „Libra“-Website zugänglichen Archivinformationen eingeschränkt, teilte eine Sprecherin mit.
Damit reagiert der Minister auf Kritik aus der Union, das im April 2022 gestartete Angebot verletze das Gebot der Staatsferne der Presse. Auch der Bundesverband der Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) hatte Buschmann aufgefordert, den „eklatanten Verfassungsverstoß zu beseitigen“.
Derzeit prüft der vom Justizministerium beauftragte Berliner Rechtswissenschaftler Christoph Möllers, ob das Angebot mit dem Grundgesetz vereinbar ist. „Mit Blick auf die in der Öffentlichkeit formulierten Zweifel an der Rechtmäßigkeit von ,Libra’ wurden daher die genannten vorläufigen Einschränkungen getroffen“, erklärte die Ministeriumssprecherin weiter.
Das Gebot der Staatsferne der Presse setzt der am Markt tätigen öffentlichen Hand (. . .) auch im Interesse der Bürgerinnen und Bürger an einer unabhängigen Information und Meinungsbildung enge Grenzen.
Der Bundesgerichtshof in seinem Urteil zu „dortmund.de“
Unmittelbar verantwortlich für das „Libra Rechtsbriefing“ ist die Saarbrücker juris GmbH, an der der Bund eine Mehrheit hält. Ein Sprecher erklärte, das Rechtsbriefing sei „weiterhin auch für Nutzer über den Kreis der juris-Kunden hinaus erreichbar“. Die Website von „Libra“ werde laufend weiterentwickelt.
Das Unternehmen ist ein zentraler Anbieter für Gerichtsentscheidungen und juristische Fachinformationen. Es beschäftigt 240 Mitarbeiter und verzeichnet wachsende Umsätze. Im Geschäftsjahr 2021 hat juris nach eigenen Angaben rund 65 Millionen Euro erwirtschaftet.
Aus der Union wird auch das Gehalt des Geschäftsführers kritisiert, das mit rund 333.000 Euro über dem Niveau von Kanzlern und Ministern liegt und ähnlich hoch sei wie bei Intendanten großer öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten.
Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, die sich mit verschiedenen eigenen Angeboten ebenfalls an juristisch interessierte Nutzer richtet, warf dem „Rechtsbriefing“ kürzlich vor, FDP-Politiker und vor allem Minister Buschmann selbst „wie in einem Werbeprospekt“ erscheinen zu lassen. Tatsächlich werden verschiedene rechtspolitische Vorhaben der Regierung zwar nicht einseitig, aber durchaus mit Wohlwollen geschildert.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen sich staatliche Hoheitsträger und von Hoheitsträgern beherrschte Unternehmen zurückhalten, wenn sie am „Wettbewerbsgeschehen auf dem Gebiet der Presse“ teilnehmen.
„Das Gebot der Staatsferne der Presse setzt der am Markt tätigen öffentlichen Hand zugunsten der anderen Marktteilnehmer – insbesondere der institutionell geschützten Presse, aber auch im Interesse der Bürgerinnen und Bürger an einer unabhängigen Information und Meinungsbildung – enge Grenzen“, hieß es im vergangenen Jahr in einem Urteil zum Stadtportal „dortmund.de“. Bei der Beurteilung, was zulässig sei, komme es auf den Einzelfall an und darauf, welche optischen und inhaltlichen Elemente den „Gesamtcharakter“ der Angebots prägten.
Der Versand des „Libra“-Newsletters werde nun weiter „so angepasst, dass künftig nur noch juris-Kunden und Interessenten mit Abschluss eines Testvertrags für juris-Module den Newsletter erhalten“, erklärte die Sprecherin Buschmanns.
Ob dies am Konflikt mit dem „Gebot der Staatsferne“ grundsätzlich etwas ändert, ist allerdings offen. Auf der „Libra“-Webseite bleibt der wöchentliche Newsletter zudem weiterhin abrufbar.
Die Mitglieder des „Rechtsbriefing“-Teams sehen sich selbst offenbar eher als experimentierfreudige Medienmacher denn als nüchterne Dienstleister. „Unsere Redaktion arbeitet journalistisch“, heißt es auf der Webseite. „Wir berichten, interviewen, analysieren und fragen im Wochentakt, was die juristische Welt von morgen formen wird.“ Auch die weitere Expansion in andere Formate scheint nicht ausgeschlossen: „In unserer Redaktion liegen auch Mikros und Kameras, wer weiß, was wir damit anstellen.“
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: