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Politiker sitzen am 15.11.2017 bei einer Protestaktion gegen Steuerflucht vor dem Landtagsitz von Mecklenburg-Vorpommern.

© dpa/Jens Büttner

Steueroasen und die EU: Eine schwarze Liste mit weißen Flecken

Die EU-Finanzminister einigen sich auf eine Liste von 17 Ländern, die Steuerhinterziehung erleichtern. Was das genau heißt, wird sich erst noch zeigen.

Am Ende landeten 17 von ursprünglich 92 Kandidaten auf der schwarzen Liste derjenigen Staaten und Steuern erhebenden Gebietskörperschaften, die nicht mit der EU im Kampf gegen Steuervermeidung und Steuerumgehung kooperieren. Auf der Liste stehen Namen, die einschlägig bekannt sind als Komplizen der Steuerhinterzieher, wie etwa Panama, wo viele Briefkastenfirmen ansässig sind. Es gibt Länder wie Tunesien, Namibia und die Mongolei, die bislang allenfalls Insidern als Steueroasen bekannt sein dürften. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von exotisch gelegenen und in ihrer Größe überschaubaren Inseln und Regionen wie etwa Barbados, Amerikanisch Samoa, Grenada oder die Marshall Inseln, die auf der schwarzen Liste auftauchen.

Das Vergehen der 17 Länder

Alle 17 „Steueroasen“ haben gemeinsam, dass sie gegen Kriterien verstoßen, die die Finanzminister der 28 EU-Mitgliedsstaaten 2016 aufgestellt haben. Sie verlangen weltweit von allen Staaten Steuertransparenz, wie etwa die Teilnahme am automatischen Austausch von Steuerdaten zwischen den Finanzbehörden weltweit. Zweitens wird eine faire Besteuerung erwartet. Das heißt, es wird verlangt, dass unternehmerische Gewinne überhaupt einer nennenswerten Besteuerung unterzogen werden. Das ist längst nicht in allen Ländern weltweit garantiert. In vielen Ländern gibt es eine so genannte Null-Besteuerung für Unternehmen. Drittens verlangt die EU, dass alle Länder die Maßnahmen gegen Gewinnkürzung und Umsatzverlagerung für multinational agierende Unternehmen umsetzen („BEPS“-Maßnahmen), auf die sich die G20-Staaten, die OECD-Mitglieder und zahlreiche Entwicklungs- und Schwellenländer verständigt haben.

Entstehung der Liste und ihre Warnfunktion

Wie gesagt: Anfänglich hatten die EU-Finanzminister 92 Kandidaten für ihre Liste im Blick. Das war im Jahr 2016. Darunter waren auch Länder wie etwa die Schweiz. Allein die dringende Ermahnung, in Steuerfragen mit Brüssel besser zu kooperieren, zeigte bei vielen Ländern Wirkung. So verabschiedete die Schweiz Gesetze, die Steuerprivilegien von Unternehmen im Land abschaffen sollen, die nach Lesart der EU einer „Nullbesteuerung“ gleich kommen. Doch eine Bürgerinitiative sorgt schließlich dafür, dass es Verzögerungen gibt und Bern die Kriterien noch nicht vollends erfüllt hat. Daher landet die Schweiz zusammen mit 47 anderen Staaten auf der „grauen Liste“ der Länder, die aus EU-Sicht beobachtet werden müssen, weil sie die erforderlichen Maßnahmen zwar versprochen, aber noch nicht umgesetzt haben. Unter diesen Ländern sind auch Marokko, die Türkei, die Cayman Inseln, Guernsey, die Isle of Man und Jersey. Sie haben bis Ende 2018, in Ausnahmen bis 2019 Zeit, ihre Hausaufgaben zu erledigen.

Der estnische Finanzminister Toomas Töniste, der turnusgemäß die Treffen der EU-Minister koordiniert, spricht schon jetzt von einem Erfolg: „Etliche Länder haben sich schon ins Zeug gelegt und Zusagen gemacht, die Vorgaben der EU zu erfüllen.“

Konsequenzen für die Länder

Da es sich bei der Liste der EU-Finanzminister nicht um ein reguläres EU-Gesetzgebungsverfahren handelt, fand die Diskussion im Kreis der Finanzminister hinter verschlossenen Türen statt. Offen bleibt zunächst, welche möglichen Folgen - neben dem Imageverlust - mit einer Nennung der Länder in der Liste verbunden sein sollten. Sanktionen sind vorerst nicht vorgesehen. Peter Altmaier (CDU), geschäftsführender deutscher Finanzminister, verteidigt dies. Er hält die „Prangerwirkung“ vorerst für ausreichend: „Die wichtigste Konsequenz ist, dass in den betroffenen Ländern eine Debatte über das Thema Steuervermeidung und die möglichen Konsequenzen einer Verweigerungshaltung in Gang kommt.“

Auch die EU-Kommission hatte sich dafür ausgesprochen, gegen nicht kooperative Staaten so genannte „Maßnahmen zur Verteidigung“ zu verhängen. Doch dagegen haben sich im Gremium der Finanzminister die Vertreter von den Niederlanden, Großbritannien und Irland ausgesprochen. Da die Entscheidungen einvernehmlich getroffen werden müssen, kam ihre Intervention einem Veto gleich.

Kritik an der Liste der EU

Im Europaparlament bekommt die schwarze Liste der EU wenig Beifall. Der Finanzexperte der SPD, Peter Simon, vermisst die Steueroasen in der EU: „Wer auf globaler Ebene glaubwürdig für Veränderungen eintreten will, der muss auch den eigenen Stall ausmisten. Warum sollen wir innerhalb einer Gemeinschaft Rücksicht auf Staaten nehmen, die es sich zum Geschäftsmodell gemacht haben, anderen die Steuer zu stehlen.“ Sein CSU-Kollege Markus Ferber sieht es ähnlich und nennt Namen: „Was im Vereinigten Königreich und den zugehörigen Überseegebieten über Malta bis hin zu Madeira vor sich geht, fällt für mich definitiv in die Kategorie Steueroase.“

Auch die Nichtregierungsorganisation Oxfam hat in der vergangenen Woche mehrfach gefordert, EU-Länder wie Irland, Luxemburg, Malta und die Niederlande in die Liste aufzunehmen. Das jedoch weist die EU mit Verweis auf gemeinsame Regeln bei Steuerstandards zurück.

Der Grüne Sven Giegold bemängelt: „Die Liste ist politisch verzerrt, da relevante Finanzplätze wie die USA fehlen, obwohl sie die EU-Regeln verletzen.“ Auch kritisiert Giegold die Intransparenz der Beratungen.

Andere werfen der EU ein Beschönigen vor, denn manche Länder würden auf der aktuellen schwarzen Liste fehlen:

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Auch Transparency International äußert ähnlich wie Giegold Kritik an der Transparenz:

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Das unabhängige internationale Netzwerk für Steuerhintergehen und Steuervermeidung, das Tax Justice Network, ist mit der Schwarzen Liste der EU ebenfalls nicht ganz einverstanden:

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Die vollständige Liste der 17 Länder lautet: Bahrain, Barbados, Grenada, Guam, Macau, die Marschall-Inseln, die Mongolei, Namibia, Palau, Panama, Amerikanisch-Samoa, Samoa, St. Lucia, Südkorea, Trinidad und Tobago, Tunesien und die Vereinigten Arabischen Emirate.

Es gibt noch eine zweite Liste, eine sogenannte „graue“ Liste, auf der sich 47 Staaten befinden. Diese Liste umfasst Länder, die sich in einer "Grauzone" bewegen, und deren Steuerpolitik beobachtet werden muss. (mit dpa/Friederike Sandow)

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