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Eine autonom operierende Abwehrdrohne (l) bringt bei einer Vorführung am Tag der Bundeswehr in Hamburg eine Angriffsdrohne durch Beschuss mit einem Netz zum Absturz. +++ dpa-Bildfunk +++

© picture alliance/dpa/Markus Scholz

Streit über Rolle der Bundeswehr : Wie Deutschland den Anti-Drohnen-Kampf beginnt

Debatte um Drohnenabwehr: Der bisher strikte Grundsatz, wonach die Polizei für innere und die Bundeswehr für äußere Sicherheit zuständig ist, müsse reformiert werden, sagt SPD-Wehrexperte Robbe.

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Selbst am Sonntag noch wirkten die Drohnensichtungen am Flughafen München nach. Zwar startete der Flugbetrieb pünktlich, schrieb der Flughafen MUC auf seiner Website. „In Einzelfällen kann es jedoch noch zu Nachwirkungen kommen.“

Wegen Drohnensichtungen im Umfeld und über dem Flughafen München war der Betrieb an Deutschlands zweitgrößtem Airport am Donnerstagabend und dann erneut am Freitagabend eingestellt worden. Betroffen waren Tausende Fluggäste. Unklar ist nach wie vor, wer die Drohnen steuerte.

München ist nur ein weiterer Ort in einer ganzen Serie deutscher, west- und nordeuropäischer Städte, in denen Drohnen Flugausfälle und vor allem Sorgen auslösten.

Bundesregierung und Länder wollen eine bessere Abwehr der potenziell gefährlichen Fluggeräte ermöglichen. Die Wege aber dahin sind unklar, und innerhalb der schwarz-roten Koalition gibt es bereits einen Streit um den Einsatz der Bundeswehr im Innern, dem das Grundgesetz bislang strenge Grenzen auferlegt.

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU, rechts), steht mit Beamten der Sicherungsgruppe des Bundeskriminalamts (BKA) an einem Jammergewehr für die Drohnenabwehr.

© dpa/Kay Nietfeld

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) sagte am Samstag, eine Grundgesetzänderung sei gar nicht nötig, damit die Bundeswehr wie von ihm geplant Amtshilfe leisten könne. Dobrindt will ein gemeinsames Drohnenabwehrzentrum schaffen, das Kompetenzen bei Bundespolizei, Zoll, Bundeskriminalamt und Länderbehörden bündelt und bessere Analysen ermöglicht. Er sprach von einem „Wettrüsten“ zwischen Drohnenbedrohung und -abwehr. 

Amtshilfe der Bundeswehr nötig?

Je nach Art der Drohnen, um die es gehe, könne eine Amtshilfe der Bundeswehr nötig werden, sagte Dobrindt. Dafür müssten die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Drohnen, die auf Baumwipfelhöhe flögen, könnten etwa von der Polizei gestört werden, sagte Dobrindt.

Auch vieles davon, selbst wenn es von ausländischen Mächten initiiert und gesteuert ist, ist Teil einer gezielten Provokation, nicht automatisch immer eine Bedrohung.



Alexander Dobrindt (CSU), Bundesinnenminister

Die Bundeswehr müsse zivile Einrichtungen gegen Drohnenangriffe verteidigen können, verlangt der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestages, Thomas Röwekamp (CDU).

„Wir müssen gesetzlich klarstellen, dass die Bundeswehr im Wege der Amtshilfe gegen Drohnenangriffe verteidigen darf, egal ob sie eine militärische Einrichtung oder zivile Infrastruktur angreifen“, sagte Röwekamp dem Tagesspiegel: „Dafür müssen wir in dem Luftsicherheitsgesetz und in einem neu zu beschließenden Seesicherheitsgesetz die notwendigen Regelungen dafür schaffen, dass die Fähigkeit zur und die Verteidigung gegen solche Angriffe bei der Bundeswehr zusammengeführt wird.“

Wir brauchen nicht 17 unterschiedliche Gesetze mit unterschiedlichen Verteidigungsfähigkeiten für die Bedrohung unserer militärischen Infrastruktur.

Thomas Röwekamp (CDU), Vorsitzender des Verteidigungsausschusses des Bundestages

Deutschland müsse „sicherheitspolitisch erwachsen werden“, sagte Röwekamp: „Der Föderalismus und die Trennung von innerer und äußerer Bedrohung sind ungeeignet, der Bedrohung von Drohnen gerecht zu werden. Wir brauchen nicht 17 unterschiedliche Gesetze mit unterschiedlichen Verteidigungsfähigkeiten für die Bedrohung unserer militärischen Infrastruktur.“

Die Nato müsse „bei den Fähigkeiten zur Luftverteidigung schnell und erheblich aufwachsen.“ Dabei seien „die schnellen Innovationszyklen bei der Drohnenherstellung herausfordernd“.

Pistorius sieht Dobrindts Pläne skeptisch

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sieht Dobrindts Pläne skeptisch. Das machte er in einem Interview des „Handelsblatts“ deutlich, das bereits vor den Drohnensichtungen am Münchner Flughafen geführt worden war. „Dieses Zentrum wäre dann nur für eine potenzielle Bedrohung durch Drohnen zuständig. Wir müssen aber damit rechnen, dass es multiple Gefährdungsszenarien geben könnte“, sagte Pistorius. „Daher brauchen wir in erster Linie ein gemeinsames 24/7-360-Grad-Lagebild.“

Deutschland hole bei der Drohnenabwehr gewaltig auf, erklärte Pistorius. Zugleich dämpfte er aber die Erwartungen an die Bundeswehr. „Die Bundeswehr kann nicht überall in Deutschland, wo Drohnen auftauchen, zur Stelle sein und sie vom Himmel holen“, sagte er. „Viel entscheidender ist, dass die Polizeien der Länder und des Bundes die Fähigkeiten aufbauen, die sie brauchen, um bis zu einer bestimmten Höhe agieren zu können.“

Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) warnte derweil vor weitreichenden Einsätzen der Bundeswehr im Inneren. „Drohnenabwehr ist eine sicherheitspolitische Kernaufgabe“, sagte Hubig im Interview mit der „Welt am Sonntag“. „Bei Drohnenangriffen im Innern ist die Polizei gefragt.“ Wo der Rechtsrahmen nachjustiert werden müsse, werde das geschehen. „Einsätze der Bundeswehr im Inneren sind aus guten Gründen nur in sehr engen Grenzen zulässig – und dabei muss es bleiben.“

Der bisherige strikte Grundsatz, nach dem die Polizei für die innere und die Bundeswehr für die äußere Sicherheit zuständig ist, bedarf mit Blick auf die hybriden Bedrohungen dringend einer Neuregelung.

Reinhold Robbe, SPD-Verteidigungsexperte und ehemaliger Wehrbeauftragter des Bundestages

Mit dieser Festlegung aber stößt Hubig auch auf parteiinternen Widerspruch. So fordert der SPD-Verteidigungsexperte Reinhold Robbe angesichts der aktuellen Bedrohungen durch Drohnen, die strikten Vorschriften zum Einsatz der Bundeswehr im Innern zu lockern.

„Der bisherige strikte Grundsatz, nach dem die Polizei für die innere und die Bundeswehr für die äußere Sicherheit zuständig ist, bedarf mit Blick auf die hybriden Bedrohungen dringend einer Neuregelung“, sagte Robbe dem Tagesspiegel: „Angesichts der permanenten Cyber-Angriffe und Bedrohungen durch Drohnen benötigen wir eine pragmatische Antwort auf diese Gefahren.“

Diese Antwort müsse „sich ausschließlich an den tatsächlichen Abwehrfähigkeiten der Sicherheitsorgane orientieren“, sagte der frühere Wehrbeauftragte des Bundestages. „Einige Akteure in der deutschen Politik scheinen die Augen zu verschließen vor der Tatsache, dass wir es seit der Entstehung der russischen Diktatur unter Putin nicht mehr mit einem berechenbaren und regelbasierten Staat zu tun haben“, sagte Robbe.

Da Putin sich weder an das Völkerrecht noch an sonstige internationale Menschenrechtsstandards halte, müsse Deutschland so schnell wie möglich seine „Gesetzeslage und die personelle und materielle Ausstattung unserer Sicherheitsorgane diesen Bedrohungen aus Russland anpassen“, sagte Robbe. „Nur wenn unsere Gesellschaft die beschriebenen Notwendigkeiten einsieht, wird die Bundesregierung in der Lage sein, das Richtige zu tun“, sagte der SPD-Politiker.

Robbe forderte, „das Zuständigkeitswirrwarr bei der Bekämpfung von nicht zu identifizierenden Drohnen ganz schnell zu beseitigen“. Der Ex-Wehrbeauftragte sagte: „Es zeugt von einer unverantwortlichen Unbedarftheit der politisch Verantwortlichen, wenn bis heute nicht geklärt wurde, wer beispielsweise für die Drohnenbekämpfung letztlich verantwortlich und zuständig ist.“

Der Drohnenabschuss ist oft kompliziert, nicht nur wegen ihres Absturzes auf bebautes oder gar bewohntes Gelände. Oft sind kleine, sich langsam bewegende Drohnen mit einem klassischen Radar gar nicht zu sehen. Außerdem können Drohnen Sprengstoff geladen haben.

Eine technische Möglichkeit, Drohnen manövrierunfähig zu machen, besteht darin, mit Störsignalen ihre Funkverbindung von der Basisstation abzureißen. Im besten Fall gehen die Drohnen sodann zu Boden, ohne einen Schaden anzurichten.

Die israelische Laserwaffe „Iron Beam“ (Eiserner Strahl) gilt als günstige und präzise Methode, um Drohnen unschädlich zu machen. Der klassische Abschuss von Drohnen durch Raketen hingegen gilt als extrem aufwändig. (mit dpa)

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