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Streit um Queer-Flagge an Bundesgebäuden: Dobrindt will Regenbogenfahne nur einmal im Jahr
Wie Bundestagspräsidentin Klöckner verzichtet der Innenminister darauf, die bunte Fahne zum Christopher Street Day zu zeigen – eine Linie, die noch von Dobrindts Vorgängerin Faeser stammt.
Stand:
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) wird zum diesjährigen Christopher Street Day (CSD) keine Regenbogenflagge setzen. Das Ministerium hisse die Regenbogenflagge seit 2022 jährlich nur am 17. Mai zum „Idahobit“, dem „International Day Against Homophobia, Biphobia, Interphobia and Transphobia“, sagte eine Sprecherin Dobrindts auf Anfrage.
Zudem sei das Hissen der Flagge an amtlichen Flaggenstöcken von Bundesgebäuden an mehr als einem Termin unzulässig, auch wenn Bezüge zum CSD gegeben seien, hieß es weiter. An der Praxis, die Regenbogenfarben am 17. Mai zu zeigen, soll wohl festgehalten werden. Änderungen sind keine geplant. „Aktuell gibt es diesbezüglich keine Erwägungen“, sagte die Sprecherin.
Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) hatte mit ihrer Entscheidung, die Flagge nur noch am 17. Mai und nicht mehr wie in den vergangenen Jahren auch zum CSD zu zeigen, Kritik auf sich gezogen.
Abgeordnete von SPD, Grünen und Linken halten den Schritt für falsch. SPD-Fraktionschef Matthias Miersch machte deutlich, dass es gerade in Zeiten zunehmender queerfeindlicher Übergriffe wichtig sei, „Flagge zu zeigen – im wahrsten Sinne des Wortes.“ Auch aus der CDU gab es Kritik.
Klöckner besteht auf Neutralität der Verwaltung
Klöckner hatte zudem einer queeren Gruppe der Bundestagsverwaltung die offizielle Teilnahme am CSD untersagt. Auf Anfrage hieß es, es habe eine „grundsätzliche Entscheidung“ gegeben, dass „die Verwaltung des Deutschen Bundestages bei politischen Demonstrationen nicht in Erscheinung tritt“.
Im Vordergrund stehe hierbei „die notwendige politische Neutralität der Verwaltung“, sagte ein Sprecher Klöckners dem Tagesspiegel. Das betreffe auch den CSD, der sich selbst als politische Demonstration beschreibe und der „sehr konkrete und weitreichende Forderungen an die Politik stellt, die weit über Menschenrechte und Vielfalt hinausgehen“.
Ob die Bundestagsverwaltung die Vereinbarkeit der Regenbogenflagge mit dem Grundsatz staatlicher Neutralität selbstständig geprüft hat, ließ der Sprecher offen. Das Verwaltungsgericht Dresden hatte 2020 geurteilt, dass mit der Flagge keine Weltanschauung bekundet werde. „Die Regenbogenfahne ist nach derzeitigem gesellschaftlichem Verständnis ein Zeichen der Toleranz und Akzeptanz, der Vielfalt von Lebensformen“, hieß es damals. Ähnlich sah es kürzlich das Berliner Verwaltungsgericht auch bei der „Progress Pride Flagge“, einer künstlerischen Erweiterung der Regenbogenfahne.
Die frühere Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte die Regenbogenflagge an den Dienstgebäuden des Bundes per Rundschreiben im April 2022 grundsätzlich genehmigt. Diese sei ein „weltweit bekanntes Symbol“ für Solidarität mit Menschen, die wegen ihrer sexuellen Identität diskriminiert würden. Zugleich hatte Faeser darauf verwiesen, dass „die Wahrung staatlicher Neutralität zwingend erforderlich“ sei.
Das Setzen der Regenbogenflagge an amtlichen Flaggenmasten und Flaggenstöcken muss sich demnach auf einen konkreten Termin beziehen, entweder auf den Jahrestag des CSD am 28. Juni oder auf einen örtlichen Anlass „ähnlich der CSD-Veranstaltung“. Gestattet ist darüber hinaus „das Anbringen der Regenbogenflagge z. B. in bzw. vor Eingangsbereichen und Innenhöfen und an Fassaden“, heißt es in dem Schreiben, das auch an den Direktor des Bundestags ging.
Verfassungsschutz zeigt Regenbogen das ganze Jahr
Klöckners Amtsvorgängerin Bärbel Bas (SPD) hatte die Flagge erstmals zum Berliner CSD im Juli 2022 auf dem Südwestturm des Reichstagsgebäudes setzen lassen. „Die Regenbogenflagge auf unserem Parlament – das bedeutet mir viel“, sagte sie damals anlässlich der nach ihrer Ansicht „historischen Beflaggung“.
In den Folgejahren ließ Bas die Flagge dann zweimal jährlich wehen, sowohl zum CSD wie zum „Idahobit“ am 17. Mai. Sie verwies darauf, dass der Deutsche Bundestag als eigenständiges Verfassungsorgan das Beflaggungswesen „für den eigenen Bereich und in eigener Verantwortung“ regele.
Faesers Flaggen-Genehmigung gilt auch für nachgeordnete Behörden des Bundes. Besondere Aufmerksamkeit von Regenbogen-Kritikern erfährt derzeit das Bundesamt für Verfassungsschutz, weil an der Zufahrt zur Behörde in Köln-Chorweiler drei Bannermasten stehen, von denen einer das ganze Jahr über durchgängig die Regenbogenfahne zeigt.
Das BfV erklärte hierzu auf Anfrage, das – dauerhafte – Anbringen der Flagge an und vor Eingangsbereichen sei von der Genehmigung des Innenministeriums umfasst. An den offiziellen Flaggenmasten der Liegenschaft hänge die Flagge nur anlässlich des „Idahobit“ am 17. Mai, in diesem Jahr zum vierten Mal.
Die vom Kölner Bundesamt als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestufte AfD lehnt die Regenbogen-Beflaggung von Amtsgebäuden als Verstoß gegen die staatliche Neutralität grundsätzlich ab. Die Fahne wird unter anderem als Ausdruck einer „Transgender-Ideologie“ gesehen, die sich mit biologischen Befunden nicht vereinbaren lasse.
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