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Ein Polizist spricht mit einem Autofahrer in dem Jerusalemer Viertel Givat Mordechai, nachdem in mehreren strengreligiösen Vierteln der Stadt wegen des Corona-Virus weitere Beschränkungen verhängt wurden.

© Nir Alon/Zuma Wire/dpa

Studie zu Corona: Gute Noten für Israels Krisenmanagement

Israel habe früh und entschlossen auf die Gefahr durch das Virus reagiert, heißt es in einer Studie. Doch deren Verfasser und ihre Methodik sind umstritten.

In diesen sonderbaren Tagen dürfen sich Israelis sicherer fühlen als Menschen in Deutschland, Dänemark oder der Schweiz – zumindest was das Coronavirus betrifft: Im Ranking der Analyseagentur Deep Knowledge Group, die Länder nach ihren Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz vor dem Virus bewertet, rangiert Israel auf dem ersten Platz. Dahinter folgt Deutschland.

„Dank euch und unserer verantwortungsvollen Politik ist der Staat Israel eines der sichersten Länder in der Corona-Epidemie“, triumphierte Israels Premierminister Benjamin Netanjahu auf seiner Facebookseite.

Laut der Studie schneidet Israel vor allem in Sachen Reisebeschränkungen, rascher Notfallmobilisierung und staatlicher Technologie zur Überwachung der Krankheitsausbreitung gut ab. In der Tat schloss das Land seine Grenzen früher als die meisten anderen. Zudem sind der Staat und seine Bewohner daran gewöhnt, dass die Sicherheitslage sich von einem Tag auf den anderen dramatisch verändern kann. Auch in der aktuellen Krise setzt Israel Soldaten ein, um beispielsweise Essensrationen an Bürger in Quarantäne auszuliefern.

Die Maßnahmen zeigen Erfolge: Die Ansteckungsrate sinkt, die Regierung hat erste Lockerungen für kommende Woche in Aussicht gestellt.

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Dennoch gibt es im Land Kritik. Datenschützer halten die Tracking-Technologie, die potenziell Infizierte per Handy aufspüren soll, für eine gefährliche Verletzung der Privatsphäre. Gesundheitsexperten klagen, das Land führe nicht genug Corona-Tests durch. Das Management im Gesundheitsministerium, geführt von einem ultraorthodoxen Minister ohne medizinischen Hintergrund, gilt als chaotisch.

Zudem erreichen Israels Krankenhäuser ihre Belastungsgrenze schneller als jene anderer Länder: In den Krankenhäusern stehen nur drei Betten pro Tausend Einwohner zur Verfügung – in Deutschland sind es acht.

Zweifel an der Methodik der Studie

Manche bezweifeln zudem die Seriosität der Studie. Die Deep Knowledge Group, manchmal als Londoner Think Tank beschrieben, gehört zur Risikokapitalgesellschaft eines russischen Unternehmers mit Hauptsitz in Hongkong, „von der wenige Leute je gehört haben“, wie eine skeptische Investigativjournalistin für „The Times of Israel“ schrieb. Andere bemängeln, die Methodik der Studie sei nicht nachvollziehbar.

Die Gruppe selbst gibt auf ihrer Webseite an, man habe „über 70 Parameter“ berücksichtigt und Daten aus „öffentlich verfügbaren Quellen“ bezogen, darunter WHO und Johns Hopkins University. Zur Analyse habe man künstliche Intelligenz und Big-Data-Analytik eingesetzt.

Premierminister und Präsident verstießen gegen die Regelungen

Wie gut auch immer Israels Krisenmanagement sein mag – ein wichtiger Faktor für seine Wirksamkeit ist die Disziplin der Bevölkerung. Zwar halten sich die meisten Israelis pflichtbewusst an Ausgangssperren und Kontaktverbote. Zwei prominente Bürger ließen sich jedoch letzte Woche bei Verstößen erwischen: Sowohl der Premierminister als auch der Staatspräsident feierten das jüdische Pessachfest mit Verwandten, die nicht im selben Haushalt leben - und mussten sich anschließend als schlechte Vorbilder schelten lassen.

Mareike Enghusen

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