zum Hauptinhalt
Friedrich Merz setzt im Wahlkampf auf die Themen Sicherheit und Migration.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

„Symbolische Forderung“: Juristen kritisieren Ausbürgerungs-Vorschlag von Merz

Doppelstaatler, die straffällig werden, sollen laut CDU-Chef die deutsche Staatsangehörigkeit verlieren. Juristisch ist das denkbar, doch es gibt Probleme.

Stand:

Friedrich Merz‘ Kalkül scheint aufgegangen: Seit Tagen wird sein Vorschlag, die Staatsbürgerschaft in bestimmten Fällen abzuerkennen, von der politischen Konkurrenz und in den Medien diskutiert. „Friedrich Merz spielt bewusst mit dem rechtspopulistischen Feuer und ist als Kanzler aller Deutschen nicht geeignet“, kritisierte SPD-Chefin Saskia Esken. Linken-Chef Jan van Aken sprach gar von „widerlichem Rassismus“.

Aus rechtlicher Sicht scheint der Vorstoß von Merz, der sich nur auf straffällige Doppelstaatler bezieht, umstritten. „Ein Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit allein aufgrund des Verstoßes gegen Strafvorschriften wäre mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben“ nicht vereinbar, sagte ein Sprecher des Innenministeriums am Dienstag.

Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden.

So steht es im Grundgesetz, Artikel 16.

Den entscheidenden Rechtsrahmen bietet dafür das Grundgesetz. „Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden“, heißt es in Artikel 16. Eine Festlegung, die ihre Wurzeln in der NS-Zeit hat, als die Nationalsozialisten politisch Verfolgten systematisch die Staatsbürgerschaft entzogen.

Dass für Doppelstaatler jedoch etwas weniger strikte Regeln gelten, wird im zweiten Satz von Paragraf 16 im Grundgesetz deutlich. „Der Verlust der Staatsangehörigkeit darf nur aufgrund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird“, heißt es dort.

Nur wer sich von Deutschland abwendet, kann ausgebürgert werden

Sina Fontana, Rechtswissenschaftlerin und Professorin an der Universität Augsburg, sieht jedoch hohe Hürden für eine Ausbürgerung. „Es muss eine Abwendung von der Bundesrepublik Deutschland erfolgen. Dafür reicht es nicht, wenn Menschen einmal straffällig werden“, sagte Fontana dem Tagesspiegel. Gültig sei die Aberkennung etwa, wenn man sich einer terroristischen Vereinigung im Ausland anschließe.

Sie kritisiert den Vorstoß von Merz, weil dadurch das Vorurteil mitschwinge, dass Menschen, die die deutsche Staatsbürgerschaft erworben haben, häufiger straffällig würden. „Das Staatsangehörigkeitsrecht ist der falsche Rechtsrahmen, um für mehr Sicherheit zu sorgen“, sagt Fontana und spricht von einer „symbolischen Forderung“.

Tatsächlich kritisiert Merz in dem entsprechenden Interview die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts der Ampel. Dadurch sind etwa Einbürgerungen bereits nach fünf statt bislang acht Jahren möglich. „Eine doppelte Staatsangehörigkeit sollte immer eine begründungspflichtige Ausnahme bleiben“, sagte er der „Welt am Sonntag“.

Auch Matthias Friehe, Professor an der EBS Law School in Oestrich-Winkel, ist davon irritiert, dass Merz seine Kritik am Staatsangehörigkeitsrecht mit Ausbürgerungen verknüpfen will.

„Wenn die Verhältnismäßigkeit gegeben ist, steht das Grundgesetz dem Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit bei Doppelstaatlern nicht entgegen“, stellt er fest. Das hätte dann aber weitere Auswirkungen. „Man dürfte aus meiner Sicht eine solche Regelung nicht auf Eingebürgerte beschränken“, sagt er. Menschen, die von Geburt an eine doppelte Staatsbürgerschaft hätten, würden dann auch unter die strengeren Regeln fallen, so Friehe. Auch mit Blick ins Ausland gebe es dafür wenige Vorbilder. „International wäre das eine eher ungewöhnliche Regelung“, sagt Friehe.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })