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Politik: Teamwork statt Ideologie

Wie sich Delegierte aus südlichen Mittelmeer-Anrainern auf ein Berliner Jugendparlament vorbereiten

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Safa zupft an ihrem schwarz-weißen Kopftuch und wendet sich an den „Präsidenten“ und die „Delegierten“. Die junge Palästinenserin steht hinter einem Mikrofon in der dunkel getäfelten, herrschaftlichen Eingangshalle des Goethe-Instituts in Alexandria und erklärt, warum ihre parlamentarische Arbeitsgruppe Europa als eine „Festung“ ansieht und wie daraus eine partnerschaftliche Beziehung werden könnte: Grenzen öffnen und eine Website, auf der junge Leute aus Europa und den südlichen Anrainerstaaten des Mittelmeeres sich austauschen können. Beifall. Der 24-jährige Aron, im dunklen Anzug, steht auf und dankt Safa ausdrücklich für ihre Vorschläge, hat aber kritische Anmerkungen. In ruhigem und aufmerksamem Umgangston wird hier eine politische Parlamentsdebatte geübt.

Die 24-jährige Projektmanagerin Safa aus Nablus und der Student Aron von der Hebräischen Universität in Jerusalem gehören zu den 47 Teilnehmern aus elf südlichen Mittelmeer-Anrainerstaaten von Mauretanien bis zur Türkei, die eine Woche lang im Goethe-Institut in Alexandria für ihr Zusammentreffen mit Jugendlichen aus EU-Ländern beim ersten Euro-Mediterranen Jugendparlament in Berlin trainieren. Am 1. und 2. Juni werden die Berliner Abgeordneten ihnen ihren Sitzungssaal, den Preußischen Landtag, überlassen für Debatten über Migration, die Folgen von Globalisierung und die Rolle der Medien bei der gegenseitigen Wahrnehmung. Die verabschiedeten Resolutionen sollen an die politischen Akteure weitergeleitet werden. Ein „Aushängeschild“ der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, heißt es im Bundesaußenministerium, welches das Jugendprojekt zusammen mit der EU-Kommission finanziert. Damit soll der sogenannte „Barcelona-Prozess“, die 1995 begonnene Zusammenarbeit zwischen der EU und den südlichen Anrainerstaaten des Mittelmeeres, auf der bisher vernachlässigten kulturellen Ebene neu belebt werden. Dahinter steht wohl die Erkenntnis, dass die Jugend dieser Länder mehr Interesse an Kooperation und Austausch über ideologische Grenzen hinweg hat als ihre jeweiligen Staatschefs. Jedenfalls empfinden die jungen Teilnehmer, die zwischen 22 und 25 Jahre alt sind, dies so. „Wir sind die Zukunft unserer Länder“, sagt der ägyptische Student der Agrarwissenschaft, Karim, in der Kaffeepause.

Unter der Anleitung von elf Moderatoren, die im Europäischen Jugendparlament aktiv sind, welches dreimal jährlich Schüler aus EU-Ländern zusammenbringt, beginnt die nächste „Parlamentssitzung“ mit einer Schüttelgymnastik zur Auflockerung. Organisiert werden die Jugendparlamente von der Heinz-Schwarzkopf-Stiftung, deren Leiter Philipp Scharff von den jungen Teilnehmern in Alexandria beeindruckt ist. Er spüre hier ein „größeres persönliches Engagement für Politik und den Wunsch zu Veränderung“ als bei den europäischen „Delegierten“. In Europa sei die Jugend von der Politik wohl mehr „saturiert“, lautet seine Erklärung. Anders als in der Politik träfen die Delegierten in den Jugendparlamenten ausdrücklich als „Individuen und nicht als Vertreter ihrer Staaten“ aufeinander.

Doch auch wenn sich alle Mühe geben, gelingt das nur zum Teil. „Ich mag die israelischen Teilnehmer als Personen, fühle mich aber wegen des Leids, das die Israelis uns Palästinensern antun, nicht frei im Umgang“, sagt Safa aus Nablus, die hier erstmals israelische Staatsbürger näher kennenlernt. Die 23-jährige Jael aus Tel Aviv, die noch nie in Nablus war, hat dafür Verständnis. „Ich habe mich als Erstes für die Politik meines Landes entschuldigt“, sagt sie, „aber das nützt auch nichts.“ Aber vielleicht kann sie eines Tages mehr tun. Die Jurastudentin will Diplomatin werden.

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