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Friedrich Merz.

© AFP/Ralf Hirschberger

Treffen von Schwarz-Rot: Koalition will „nach der Sommerdepression eine neue Herbst-Kraft finden“

CDU/CSU und SPD wollen nach den Streitigkeiten der vergangenen Wochen in der gemeinsamen Regierungskoalition wieder an einem Strang ziehen. Das sind ihre Pläne.

Stand:

Bundeskanzler Friedrich Merz hat sich optimistisch über die Zusammenarbeit mit der SPD geäußert. Man werde weitreichende Reformen anpacken, sagte Merz am Mittwoch nach einem zweistündigen Treffen der Spitzen von CDU, CSU und SPD im Kanzleramt. Zugleich kündigte der Kanzler an, die Stahlbranche sowie die Autobranche zu Treffen einzuladen.

Der CDU-Vorsitzende betonte die Gemeinsamkeiten bei anstehenden Sozialstaats-Reformen. „Wir sind uns einig, dass wir den Sozialstaat erhalten. Wir wollen ihn nicht schleifen, abschaffen oder kürzen“, sagte er bei einem gemeinsamen Auftritt mit den SPD-Vorsitzenden Bärbel Bas und Lars Klingbeil sowie CSU-Chef Markus Söder. „Wir wollen ihn in seinen wichtigsten Funktionen erhalten. Und das heißt, wir müssen ihn reformieren.“ Der Koalitionsausschuss habe die ersten Punkte gemeinsam besprochen, auch die Reform des Bürgergeldes.

Eine umfassende Reform des Bürgergelds soll bis zum Jahresende auf den Weg kommen. „Ich gehe davon aus, dass wir noch in diesem Jahr die wichtigsten Eckpunkte für eine solche Reform miteinander vereinbaren, so dass es dann auch zügig eine Reform des sogenannten Bürgergelds geben wird“, sagte Merz. Zuvor würden die vier Parteivorsitzenden der Koalition eigens darüber beraten.

Markus Söder (l-r), Ministerpräsident von Bayern und Vorsitzender der CSU, Friedrich Merz, Bundeskanzler und Bundesvorsitzender der CDU, Bärbel Bas, Bundesministerin für Arbeit und Soziales und Bundesvorsitzende der SPD, und Lars Klingbeil, Bundesminister der Finanzen und Bundesvorsitzender der SPD, äußern sich bei einer Pressekonferenz.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Die neue Grundsicherung werde von einer Balance von Fördern und Fordern gekennzeichnet. Missbrauch solle unter Kontrolle gebracht werden. Die Menschen sollten verstärkt in den Arbeitsmarkt gehen oder dorthin zurückkehren. 

Mit Blick auf hohe Energiepreise und die US-Zölle kündigte der CDU-Vorsitzende an: „Ich werde in kürzester Zeit jetzt zu einem Stahlgipfel einladen, und zwar sowohl die Stahlunternehmen als auch die Gewerkschaften und die Bundesländer, die Stahlindustrie haben.“ Die Branche sei massiv unter Druck. Das gelte auch für die Autobranche, die er zu einem gesonderten Treffen einladen wolle.

Bas: „Debatten übereinander müssen aufhören“

Man sei sich in der Koalition einig, dass man die Aufgaben gemeinsam lösen wolle. „Dazu zählt die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft, dazu zählt die Zukunftsfähigkeit der sozialen Sicherungssysteme und wir sind entschlossen, dieses Land wieder gemeinsam voranzubringen“, kündigte der Kanzler an. „Das ist der Auftrag, den wir uns selbst gegeben haben, mit einem sehr nüchtern formulierten Koalitionsvertrag.“

SPD-Parteichefin Bärbel Bas forderte ein Ende der öffentlichen Auseinandersetzungen in der Regierungskoalition. „Die Debatten übereinander müssen aufhören, denn wir sind uns auch einig, das hat die Menschen verunsichert.“ Nach wochenlangen Diskussionen sei es nun an der Zeit, wieder nach vorne zu gucken: „Ich bin froh, dass wir uns jetzt wieder konzentrieren auf die gemeinsamen Ziele, die wir wirklich haben.“

Hintergrund ist der Streit über eine Reform des Sozialstaats. Bas betonte, es gebe hier Einigkeit mit dem Koalitionspartner. Es gehe nicht darum, den Sozialstaat zu schleifen oder Leistungen zu kürzen. „Aber er ist reformbedürftig und dem habe ich nie widersprochen, sondern wir sind da in der Tat auf dem gleichen Kurs“, betonte die SPD-Chefin.

Priorität habe nun die wirtschaftliche Stabilität. Erstmal müssten Arbeitsplätze erhalten werden, erklärte Bas. Dies sei die Voraussetzung, um den Sozialstaat aufrechtzuerhalten. Als ein wichtiges Signal für die Industrie nannte sie die Einberufung des Stahlgipfels. „Das ist noch mal ein wichtiger Punkt, auch für die Zulieferer. Da hängt viel dran, auch für die Automobilindustrie, auch der Chemiebereich.“

Die Sozialstaatskommission werde nun „relativ schnell auch über alle staatlichen Leistungen gehen“. Ziel sei es, die Leistungen treffsicher, effektiver und bürokratieärmer zu gestalten.

Als weiteres zentrales Projekt nannte Bas die Fachkräftesicherung. Mit einer neuen „Work-and-Stay-Agentur“ auf Bundesebene solle die Anerkennung von Qualifikationen und die Vergabe von Visa beschleunigt werden. Dies solle Menschen, die bereits einen Arbeitsvertrag in Deutschland haben, schneller in den Arbeitsmarkt integrieren. „Ich bin mir sicher, dass wir dann auch einen Schub kriegen, um eben diesen Fachkräftemangel, den wir an vielen Stellen haben, auch beheben zu können.“

CSU-Chef Markus Söder sieht die schwarz-rote Koalition und Deutschland insgesamt vor entscheidenden Wochen und Monaten. „Der heutige Tag ist wichtig, um nach der Sommerdepression der Koalition eine neue Herbst-Kraft zu finden“, sagte Söder am Abend nach ersten Beratungen im Koalitionsausschuss, die anschließend noch weitergehen sollten.

Mit Blick auf manche Querelen in der Koalition vor der Sommerpause, die es etwa wegen der abgesagten Richterwahl fürs Bundesverfassungsgericht gab, sagte Söder, es habe schon eine Menge aufzuarbeiten gegeben. Manche Ereignisse hätten schon zu „Kratzern auf der Seele“ geführt. Die Parteivorsitzenden hätten aber mehr denn je ein Grundverständnis darüber, „dass wir in einer unglaublichen Verantwortung stehen, wie selten eine Bundesregierung zuvor, und dass wir zum Erfolg für unser Land verdammt sind“. Die Koalition sei handlungsfähig und handlungswillig, betonte er. (dpa/Reuters) 

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