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Unions-Fraktionschef Friedrich Merz und Bundeskanzler Olaf Scholz bei einer Sitzung des Deutschen Bundestages.

© IMAGO/photothek.de/Florian Gaertner

TV-Duell zwischen Scholz und Merz: Einen kleinen Erfolg hat der Kanzler bereits errungen

Wer kann am Sonntagabend mit welchen Themen punkten – und wo liegen die Schwächen der Kontrahenten? Ein Überblick über Chancen und Risiken von Olaf Scholz und Friedrich Merz.

Stand:

Was genau ist vergangene Woche im Bundestag eigentlich geschehen? Über diese Frage dürften Olaf Scholz und Friedrich Merz am Sonntagabend im sogenannten „Kanzlerduell“ energisch streiten.

Olaf Scholz wird Merz wohl dafür attackieren, dass die CDU/CSU-Fraktion unter dessen Führung erstmals auf AfD-Stimmen zur Mehrheitsbeschaffung setzte – und Merz damit nicht nur ein Tabu, sondern auch sein eigenes Wort brach.

Merz dagegen wird über diese Tatsache vermutlich überhaupt nicht sprechen, sich schon gar nicht dafür rechtfertigen wollen. Jede Möglichkeit zur Ablenkung kommt ihm da sehr gelegen.

Er wird Scholz als Verhinderer einer strikteren Migrationspolitik darstellen. Als einen Zauderer, der sich aus Unfähigkeit, Wahlkampftaktik oder gar aus ideologischen Gründen den rationalen Sachvorschlägen der CDU widersetzt habe.

„Framing“ nennen Politikwissenschaftler dies. Also das Ringen um die Etablierung eines für die eigene Seite möglichst vorteilhaften Deutungsrahmens.

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Zweifel säen an der Wählbarkeit des Anderen

Ab 20.15 Uhr treffen Scholz und Merz in ARD und ZDF live für 90 Minuten aufeinander. Millionen Menschen dürften zuschauen. Der Kampf um das Framing der Bundestagsabstimmungen ist auch deshalb wichtig, weil sich daraus überhaupt erst Angriffsstrategien ableiten lassen, nämlich: Wie säe ich am besten Zweifel an der Wählbarkeit meines Kontrahenten?

Daten: wahlrecht.de, Stand 17.09.2025

Scholz wird argumentieren, dass man Merz ab sofort nicht mehr glauben könne, wenn er das nächste Mal behauptet, jede Zusammenarbeit mit der AfD grundsätzlich abzulehnen. Oder wenn er behauptet, er garantiere, dass er die AfD von der Macht fernhalte.

Merz wird wohl argumentieren, dass es unter einem Kanzler Scholz auch künftig keine echten Reformen in der Migrationspolitik geben kann.

Erster kleiner Sieg für Scholz ist schon da

Dass es überhaupt zu diesem Duell statt zu einem Dreier- oder Vierergefecht kommt, kann angesichts der Umfrageergebnisse als erster kleiner Sieg für Scholz gelten.

Neben der Migrationspolitik werden beide auch über die Lage der deutschen Wirtschaft streiten. Hier ist Merz im Vorteil, denn Scholz verantwortet als Regierungschef eine lange Rezession. Seine mögliche Verteidigung, er habe zunächst die Versäumnisse einer 16-jährigen CDU-Kanzlerschaft aufarbeiten müssen, dürfte nicht verfangen. Erstens war Merz in dieser Zeit kein Akteur, zweitens war Scholz teilweise Vizekanzler, Finanz- und Arbeitsminister.

Angriffsfläche bietet Merz im Hinblick auf seine fehlende Regierungserfahrung. Doch die Bevölkerung nimmt Scholz’ eigene Regierungszeit derart negativ wahr, dass sich sowohl die SPD-Basis als auch die große Mehrheit der SPD-Sympathisanten lieber Pistorius als Kandidaten gewünscht hätten. Seine Regierungszeit wird so negativ wahrgenommen, dass der Kanzler bereits öffentliche Versprechungen macht, bei einer zweiten Chance werde er es dann aber sicher besser hinkriegen und zum Beispiel öfter „auf den Tisch“ hauen. Sie nehmen sich hier wahrscheinlich beide nichts.

Zieht die Pose des Besonnenen noch?

Im aktuellen Wahlkampf setzte Scholz bislang auf die Rolle des Besonnenen, Verlässlichen und Nervenstarken. Desjenigen, der im Ernstfall lieber erst reflektiert, bevor er reagiert. So einer könne Deutschland am Sichersten durch schwierige Zeiten navigieren und zum Beispiel eine weitere Eskalation der Spannungen mit Russland verhindern. Als „besonnen“ inszeniert sich Scholz, Kritiker nennen ihn zaudernd.

Angesichts der riesigen Kluft in den Umfragen dürfte es Scholz allerdings schwerfallen, in dieser Rolle auch im Kanzlerduell zu verbleiben. Wer derart im Rückstand liegt und dies noch ändern möchte, muss eigentlich in die Offensive gehen.

Scholz braucht jetzt dringend Wirkungstreffer. Und der bisher einzige Wirkungstreffer gegen Merz in diesem Wahlkampf gelang ganz ohne Scholz’ Zutun. Den hat sich der CDU-Kanzlerkandidat durch sein Willkommenheißen von AfD-Stimmen zur Mehrheitsbeschaffung selbst verpasst.

Von daher heißt die größte Gefahr für Friedrich Merz an diesem Sonntag vermutlich Friedrich Merz. Falls der zuweilen verbale Vesuv loslegt und in Rage gerät und dann etwas Unüberlegtes aus ihm herausplatzt oder er anderweitig patzt, könnte Scholz tatsächlich punkten.

Nach einem vielversprechenden Plan klingt das eigentlich nicht. Andererseits: Nicht durch eigene Stärke, sondern durch die Schwäche des Gegners zu punkten, das ist doch genau das Muster der Karriere von Olaf Scholz.

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