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Den Falschen gesperrt. Eine Begründung gibt die Konzernzentrale nicht.

© Arno Burgi/dpa

Rechtsextreme Hetze im Netz: Twitter blockiert einen Nazi-Jäger

Ein Twitter-Nutzer prangert an, dass ein Neonazi ein "Flüchtlingsendlager" in Birkenau bauen will. Er wird von dem Netzwerk ohne Begründung gesperrt.

Von Matthias Meisner

Keine Frage – hier ist ein lupenreiner Neonazi am Werk. "Bau gerade ein neues Flüchtlingsendlager", meldete Mirko M. im Mai via Facebook aus der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau. "Machen die da wieder was?", fragte jemand zurück, dazu ein Smiley. M., aktiv in der Zwickauer Neonazi-Szene antwortete: "War beruflich dort, irgendwie war wohl der Schornstein zu. Und die wollen zur Wiedereröffnung Neuste Brennwerttechnik vorführen."

Der Twitter-Nutzer Danny Marx (@dannytastisch), der seit langem rechtsextreme Umtriebe in den sozialen Netzwerken verfolgt, prangerte M. an. "Tagsüber Security, nachts möchte er die KZs wieder aufmachen. Deutschland dein Hass." Zu sehen war im Tweet außer dem Screenshot des Facebook-Postings zu Birkenau M. und eine Mitstreiterin von ihm in Security-Uniformen der Firma B.O.S. Franken Security. Die Nummer auf seiner Weste endet mit "88" – bei Rechtsradikalen der Code für "Heil Hitler".

Der Tweet wurde 264 mal geteilt, erreichte so Tausende. Auch die "Bild"-Zeitung griff den Vorfall am 21. Juni in ihrer Nürnberger Regionalausgabe auf. Entstanden ist das Foto von M. in Security-Weste demnach am 18. Juni beim Konzert von Udo Lindenberg im Nürnberger Frankenstadion, wo M. als Sicherheitsmann im Einsatz war. Die Zeitung zitierte aus weiteren Facebook-Einträgen von M. Zum Beispiel gegen Menschen, die Flüchtlinge helfen: "Ich wünsche mir", schrieb M., "dass ihr Dreckszecken Opfer krimineller Ausländer werdet. Eure Frauen sollen angespuckt, angetanzt und vergewaltigt werden. Euch selbst soll man schön die Fresse einschlagen, anstechen und abziehen..."

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Nur Twitter selbst hatte überraschend ein Problem, allerdings nicht mit dem Neonazi, sondern mit dem User Danny Marx, der dessen Hetze publik gemacht hatte. Twitter sperrte den Account von Marx, bestand ohne Begründung auf der Löschung des Tweets. Weil er das Wort "KZ" enthielt? Eine Erklärung dazu gibt die Konzernzentale in San Francisco nicht. Ein Sprecher sagte auf Tagesspiegel-Anfrage, zum Schutz der Privatsphäre und aus Sicherheitsgründen würden keine Auskünfte zu einzelnen Accounts erteilt.

Ähnliche Vorfälle bei Facebook

Der Vorgang erinnert an die zuweilen merkwürdige Praxis bei Facebook. Dort war kürzlich der Account des Journalisten Sören Kohlhuber gesperrt worden. Er hatte den Tagesspiegel-Bericht über einen Mann gepostet, der beim EM-Spiel Deutschland-Ukraine den Hitlergruß zeigte. Im Februar sperrte Facebook die Seite der "Perlen aus Freital", auf der Hetze gegen Flüchtlinge dokumentiert wird. Erst nach einer Intervention von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) wurde die Sperre wieder aufgehoben.

Danny Marx ist empört über das Vorgehen des Kurznachrichtendienstes. "Während Twitter voll ist mit strafbaren Inhalten, wird ausgerechnet ein Tweet beanstandet, der auf eben jenen, vermutlich sogar strafbaren, Hass aufmerksam macht", sagte er dem Tagesspiegel. "Ich hatte keine Möglichkeit Stellung zu beziehen. Geradezu dreist, wenn man bedenkt, dass der Tweet lediglich Screenshots von einem öffentlichen Facebook-Post enthielt, in denen gegen die Opfer der Shoa gehetzt wurde."

Marx sagte weiter, Twitter hätte besser daran getan, die Inhalte der Neonazi-Postings der Polizei zu melden, damit die sich der Sache annimmt. "Für Twitter hoffe ich, dass sie ihre Überprüfungsprozesse transparenter und dialogfreudiger gestalten, damit sie nicht weiterhin so eine unglückliche Figur dabei machen, wenn ungerechtfertigt Tweets gelöscht werden, während Neonazis weiterhin ungestört in den sozialen Netzwerken hetzen."

Die B.O.S. Franken Security distanzierte sich inzwischen von M. und seiner Kollegin, die von einem "Subunternehmen" als Security-Mitarbeiter beim Lindenberg-Konzert im Einsatz gewesen seien. Geschäftsführer Marco Rizzoli erklärte auf Facebook, seine Firma sei ein "tolerantes und weltoffenes Unternehmen". Die Geschäftsführung distanziere sich "mit aller Entschiedenheit von dem dargestellten rechtsradikalen Gedankengut und der offensichtlich dahinter stehenden Gesinnung dieser Personen". Die beiden Mitarbeiter hätten von dem Subunternehmen mit sofortiger Wirkung die Kündigung bekommen.

Rizzoli sagte dem Tagesspiegel, es sei ein Zufall gewesen, dass M. die Weste mit der Endnummer "88" bekommen habe. Die Bedeutung des Zahlencodes sei ihm nicht klar gewesen, erklärte der Geschäftsführer. "Wir haben die Weste mit dieser Nummer inzwischen vernichtet."

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