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Politik: Ulla Schmidts Warentest

Die Gesundheitsministerin will ein Zentrum, um die Qualität der Medizin zu prüfen. Das will sonst fast niemand. Ihre anderen Ideen haben mehr Aussicht auf Erfolg

Der Unions-Sozialexperte Horst Seehofer (CSU) kritisiert die von Sozialministerin Ulla Schmidt (SPD) vorgelegten Eckpunkte für eine Gesundheitsreform als eine „Ansammlung von Allgemeinplätzen, die nichts aussagen“. Was bisher vorliege, sei eine Privatmeinung von Frau Schmidt. Für die Umsetzung braucht die Ministerin die Zustimmung des Kabinetts, der Koalitionsfraktionen und des Unions-dominierten Bundesrates. Der Tagesspiegel dokumentiert Details ihrer Pläne, die über die Eckpunkte hinausgehen.

Zentrum für Qualität in der Medizin: Zu den umstrittensten Vorschlägen gehört die „Stiftung Warentest“ für die Medizin. Dort sollen Kosten und Nutzen von Medikamenten bewertet und Leitlinien für Therapien entwickelt werden. Über ein Call-Center können Patienten sich informieren. „Staatsdirigismus“, schimpfen Union und Ärztefunktionäre. Ulla Schmidt besänftigt, das Zentrum solle nur der Rechtsaufsicht des Staates unterstehen und sonst unabhängig sein. Die Finanzierung soll aus Steuermitteln kommen.

Hausarzttarif: Krankenkassen sollen in Zukunft spezielle Tarife anbieten für Versicherte, die sich verpflichten, nicht zuerst den teuren Facharzt, sondern den Hausarzt aufzusuchen. Einmal im Jahr soll der Patient den Arzt wechseln können. Der Weg zum Gynäkologen, Augen- und Kinderarzt soll auch in Zukunft ohne den vorherigen Besuch des Hausarztes möglich sein. Ärztevertreter fürchten durch eine ausgedünnte Facharztversorgung monatelange Wartelisten.

Zuzahlungen: Wer sich in einen Hausarzttarif einschreibt, soll mit geringeren Zuzahlungen für Medikamente belohnt werden. Das gilt auch für Diabetiker oder andere chronisch Kranke, die sich verpflichten, an speziellen Behandlungsprogrammen teilzunehmen. Bisher richtet sich die Höhe der Zuzahlung nach Packungsgröße und Einkommen – mit Befreiungen für Härtefälle. Die sollen in Zukunft wegfallen. Stattdessen soll jeder Versicherte einen prozentualen Betrag auf den Arzneimittelabgabepreis zahlen bis zu einem Höchstwert. Für das gesamte Jahr soll weiter für Patienten die Obergrenze von maximal zwei Prozent des Einkommens gelten.

Bonus-Tarife: Bei der Ausgestaltung von Boni will das Ministerium den Krankenkassen freie Hand lassen. Allerdings mit der Einschränkung, dass keine „Bezahlmaschinen für Gesunde“ entstehen sollen. Sprich: Beitragsrückerstattung für seltene Arztbesuche, wie sie derzeit im Modellversuch erprobt wird, ist nicht gerade erwünscht. Mit Selbstbehalten liebäugelt jedoch die Union.

Patientenkarte: Bis zum Jahr 2006 soll eine freiwillige Patientenkarte eingeführt werden. Darauf gespeichert: medizinische Notfalldaten wie Blutgruppe und Allergien. Über die Karte sollen auch Behandlungsdaten abrufbar sein, um Doppeluntersuchungen zu vermeiden. Einsparpotenziale erhofft sich das Ministerium etwa durch das elektronische Rezept, das über die Karte ausgestellt werden kann. Für den Versicherten, der sich eine solche Chipkarte anschafft, soll jedoch entgegen früherer Überlegungen kein finanzieller Vorteil rausspringen.

Apotheken: Während der Bundeskanzler sich Apotheken-Ketten nach dem Vorbild der Optiker-Kette Fielmann vorstellen kann, sind Gesundheitsministerium und Opposition skeptisch. Maximal fünf Apotheken soll eine Person besitzen dürfen. Schmidt will dafür den Versandhandel übers Internet erlauben, allerdings nicht mit der Möglichkeit, auf Zuzahlungen zu verzichten. „Rosinenpickerei“ fürchten Union und Apothekerlobby.

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