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Reform des Klimaschutzgesetzes beschlossen: Umweltverband reicht Verfassungsbeschwerde ein
Trotz heftiger Kritik hat die Bundesregierung eine Änderung des Klimaschutzgesetzes durchgesetzt. Die Deutsche Umwelthilfe sieht eine „verfassungswidrige Entkernung“ der Klimapolitik – und reicht Klage ein.
Stand:
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) reicht Verfassungsbeschwerde gegen das neue Klimaschutzgesetz der Bundesregierung ein. Das teilte die Organisation in Berlin mit. Der Beschwerde hätten sich elf junge Menschen angeschlossen, hieß es weiter.
Nach Angaben von DUH-Rechtsanwalt Remo Klinger wird die Beschwerde pünktlich zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes an diesem Mittwoch bei den Richtern in Karlsruhe eingehen. Die umstrittene Novelle des Gesetztes war am Montag vom Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier unterschrieben worden.
Zuvor hatte Steinmeier das Gesetz einer Prüfung unterzogen. Wie das Bundespräsidialamt am Montag zur Ausfertigung erläuterte, stand im Mittelpunkt die Vereinbarkeit mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts aus dem Frühjahr 2021. Der Bundespräsident sei zu dem Ergebnis gekommen, „dass evidente Verfassungswidrigkeit nicht gegeben ist“, hieß es.
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Das sieht die DUH anders. „Die Ampel-Regierung verabschiedet sich mit dieser Gesetzesänderung vom Klimaschutz. Wir nehmen diesen klaren Verfassungsbruch nicht hin“, erklärte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch. Auf 205 Seiten argumentiert die DUH unter anderem, dass der Pfad zur Minderung von Treibhausgasen „abgeschafft“ und die Klimaschutz-Ziele verwässert worden seien.
Mit der Novelle des Klimaschutzgesetzes wurden die sogenannten Sektorenziele abgeschafft. Diese nahmen bisher jedes einzelne Ministerium beim Klimaschutz in die Pflicht. Künftig muss nur die Bundesregierung als Ganzes das Erreichen der Klimaziele sicherstellen, kann also Sektoren verrechnen.
Umstrittenes Gesetz erneut auf dem Prüfstand
Das Klimaschutzgesetz in seiner jetzigen Form war das Ergebnis eines Richterspruchs aus Karlsruhe im Jahr 2021 - basierend auf einer Klage der DUH.
Zusammen mit mehreren jungen Menschen hatte die DUH damals vor dem Bundesverfassungsgericht einen historischen Erfolg erzielt. Die Richter hatten das 2019 in Kraft getretene Klimaschutzgesetz für teilweise verfassungswidrig erklärt. Die zum Teil noch sehr jungen Beschwerdeführer würden durch die unzureichenden Klimaschutzmaßnahmen „in ihren Freiheitsrechten verletzt“, hieß es damals zur Begründung.
Das höchste deutsche Gericht hatte die Bundesregierung daraufhin verpflichtet, mehr zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels des Pariser Klimaabkommens zu unternehmen. Ein Kernelement des im Anschluss erlassenen Gesetzes: Die Sektorenziele.
Unsere 200 Seiten Klageschrift sind fertig und werden eingereicht, sobald das Gesetz in Kraft tritt
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe
Diese Sektorenziele wurden nun in den Bereichen Bau und Verkehr die Vorgaben gerissen. Die Ministerien hätten daraufhin nach dem alten Gesetz Sofortprogramme vorlegen müssen. Mit der Novelle ist dies nicht mehr der Fall, einklagbare Sektorziele für die Senkung der Treibhausgasemissionen wurden abgeschafft.
Ein Nachsteuern ist künftig nur noch vorgeschrieben, wenn die Emissionsziele insgesamt in zwei Jahren in Folge nicht erreicht werden. Anders als bisher entfällt damit die Pflicht zur Vorlage von Sofortprogrammen für einzelne Sektoren, etwa den Verkehrsbereich.
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Scharfe Kritik von Umweltverbänden
Doch der Verkehrs- und Gebäudesektor seien Großbaustellen für den klimafreundlichen Umbau Deutschlands, sagte Viviane Raddatz, Klimachefin beim WWF Deutschland. „Mit der Novelle des Klimaschutzgesetzes gilt am Ende die einfache Rechnung: Tun Gebäude- und Verkehrssektor weiterhin zu wenig, werden das andere Sektoren langfristig nicht ausgleichen können“.
Neben den Folgen fürs Klima könnten dann Strafzahlungen an die EU drohen, so Raddatz weiter. „Prokrastination ist für alle letztlich die teuerste Option.“
Prokrastination ist für alle letztlich die teuerste Option
Viviane Raddatz, Klimachefin beim WWF Deutschland
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) erhalte durch die Reform einen Freifahrtschein für die Klimaschutzlücke im Verkehrsbereich, kritisierte auch der Bundesgeschäftsführer der DUH, Jürgen Resch.
Die vom DUH eingereichte Beschwerde ist eine von drei Verfassungsbeschwerden, die Umweltverbände gegen das neue Gesetz eingereicht haben. Neben der DUH führen auch Greenpeace und Germanwatch sowie der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) gemeinsam mit dem Solarenergie-Förderverein Deutschland (SFV) jeweils eine Beschwerde.
Der Bundestag hatte die Änderung des Gesetzes Ende April beschlossen. Der Bundesrat billigte die Reform im Mai. Bislang fehlte aber noch die Ausfertigung des Gesetzes durch den Bundespräsidenten.
Die Bundesregierung zeigte sich angesichts der schon länger bekannten Klagedrohungen am Montag gelassen. Auf die Frage, ob die Regierung weiter davon überzeugt sei, dass ihr Gesetz mit der Verfassung vereinbar sei, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit: „Ja, davon sind wir überzeugt.“ (epd, AFP, moma)
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