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Kanzlerkandidat Armin Laschet (CDU)

© Kay Nietfeld/dpa

Und was, wenn Laschet verliert?: Planspiele für den schlimmsten Fall der Fälle

Alle hoffen noch auf Sieg. Aber hinter den Kulissen planen etliche in der Union schon die Karriere nach einer Niederlage.

Von Robert Birnbaum

Das Schreiben im Namen des Fraktionsvorsitzenden klingt nach Routine. Ralph Brinkhaus lud vorige Woche alle Abgeordneten und Kandidaten von CDU und CSU für den Dienstag nach der Bundestagswahl in den Reichstag: Erst Treffen der Alten mit den Neuen, dann die Konstituierung der künftigen Unionsfraktion „mit den erforderlichen Beschlüssen und Wahlen".

Was so geschäftsmäßig daherkommt, enthält in Wahrheit jede Menge Sprengstoff. Wenn Armin Laschet die Wahl verliert, wird spätestens an diesem Nachmittag der Rest der Macht in der Union neu verteilt.

Denn ohne Kanzleramt und Ministersessel würde auf einen Schlag der Fraktionsvorsitz zum einzigen Posten von Wert.

Offiziell ist das Thema tabu

Hinter vorgehaltener Hand nicht. Zwischen erster Prognose am Sonntag und dem Dienstagabend liegen nur 48 Stunden. Wer eine Niederlage für sich nutzen will, plant besser für den Fall der Fälle vor.

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Brinkhaus selbst hat schon aufgezeigt. Aber der Westfale kann sich Chancen allenfalls ausrechnen, wenn Laschet siegt oder der Ausgang so knapp wird, dass der Anspruch aufs Kanzleramt nicht gleich ins Leere läuft.

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Nur dann läge es nahe, den Amtsinhaber zumindest für ein Jahr zu bestätigen. Danach wählt die Fraktion ohnehin noch einmal neu, dann für den Rest der Zeit.

Verliert Laschet die Bundestagswahl, schlägt die Stunde für andere. In der Partei kursieren drei altbekannte Namen, allesamt aus Nordrhein-Westfalen: Friedrich Merz, Jens Spahn, Norbert Röttgen.

Die wichtigsten Tagesspiegel-Artikel zur Bundestagswahl 2021:

Merz hat zwar einmal vor Wählern verkündet, Oppositionsführer könnte er, „aber das tue ich mir nicht noch mal an.“ Doch Merz-Kenner in der Partei gehen Wetten ein, dass er den Satz am Wahlabend gegebenenfalls vergisst. Einer würde sich schon finden, der ihn so inständig bittet, dass er doch nicht Nein sagen könnte.

Ein Problem des Sauerländers wäre freilich: Markus Söder will ihn nicht. Und der CSU-Chef macht zusammen mit dem CDU-Chef den Personalvorschlag für den Fraktionsvorsitz.

Ein gescheiterter Kanzlerkandidat Laschet hätte dabei wenig zu melden, der "Kandidat der Herzen“ umso mehr.

Söder hält Merz für politisches Alteisen. Der 65-Jährige stünde als konservativer Flügelmann für Rückzug in alte Bastionen. An einer gespaltenen CDU mit rückwärtsgewandtem Image kann Söder kein Interesse haben, wenn er in zwei Jahren selbst eine Landtagswahl bestehen muss. Mit den alten "mia san mia"-Gesängen lässt sich das moderne Bayern nicht gewinnen.

Schon einmal Konkurrenten: Jens Spahn und Friedrich Merz beim ersten Rennen um den CDU-Vorsitz
Schon einmal Konkurrenten: Jens Spahn und Friedrich Merz beim ersten Rennen um den CDU-Vorsitz

© Florian Gärtner/imago images/photothek

Mit den zwei anderen an der Spitze der Schwesterpartei ginge das einfacher. Dass Röttgen wie Spahn sich bestens einen Führungsjob vorstellen können, ist auch kein wirkliches Geheimnis in der Partei. Röttgens Anhängerschaft in der Fraktion ist nach wie vor überschaubar. Für Spahn als einstigen Laschet-Teamgefährten wäre die Kandidatur auch kein Durchmarsch. Niemand kann übrigens ausschließen, dass sich am Ende mehrere Bewerber eine offene Feldschlacht in der Fraktion liefern würden.

Aber der Preis ist schließlich einen Versuch wert. Denn es geht nicht nur um den Posten des Oppositionsführers im Bundestag.

Auch der Parteivorsitz stünde neu zur Debatte. Dass beide Ämter in der Opposition in eine Hand gehören, hat schon Angela Merkel vorgemacht, als sie vor zwei Jahrzehnten Merz den Fraktionsvorsitz abnahm. Und dass ein Wahlverlierer das sein Büro im Adenauer-Haus behalten könnte, übersteigt selbst die Phantasie von Leuten, die Laschets Zähigkeit kennen.

Der Aachener spielt in den Szenarien für den Fall einer Niederlage ohnehin keine Rolle, egal ob er auf dem Umweg über die Landesliste in den Bundestag einzieht oder nicht. Ihm droht das Aus.

Den Rückweg nach NRW hat Laschet selbst ausgeschlossen. Er wäre auch sinnlos. An Rhein und Ruhr wird schon im Mai neu gewählt. Verkehrsminister Hendrik Wüst steht in den Startlöchern.

Gewählt wird im Frühjahr ebenfalls in Schleswig-Holstein und im Saarland. Die CDU-Ministerpräsidenten in Kiel und Saarbrücken, Daniel Günther und Tobias Hans, müssten fürchten, im Strudel einer frischen Niederlage mit zu versinken.

Sie würden wohl versuchen, dem Kanzlerkandidaten alle Schuld persönlich zuzuschieben. Dem bliebe dann einzig die Erkenntnis des kurzzeitigen CSU-Vorsitzenden Erwin Huber. Der Sündenbock, stellte der Niederbayer fest, nachdem seine Partei die absolute Mehrheit verloren hatte: "Der Sündenbock ist kein Herdentier.“

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