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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier redet im Bundesrat. Hinter ihm Bundesratspräsident Reiner Haseloff.

© Reuters/Fabrizio Bensch/Pool

Mahnung des Bundespräsidenten: "Unser Feind ist das vermaledeite Virus"

Frank-Walter Steinmeier appelliert: Kampf gegen Pandemie darf nicht zum Schwarzer-Peter-Spiel zwischen den staatlichen Ebenen werden

Frank-Walter Steinmeier kennt den Bundesrat, von mehreren Seiten. Er war mal Staatskanzleichef in Niedersachsen, sein Chef hieß Gerhard Schröder. Also war es Steinmeiers Geschäft, sich um Bundesratsdinge zu kümmern. Als Schröder Kanzler war, hatte sein Kanzleramtschef Steinmeier das weiterhin zu tun. Übergangslos sozusagen, denn der niedersächsische Ministerpräsident wechselte ja nach seinem Wahlsieg 1998 direkt vom einen ins andere Amt. Aber die Warte veränderte sich natürlich.

Der Bundespräsident erinnerte daran, als er am Freitag seine Jubiläumsrede im Bundesrat hielt. Der versammelte sich zur tausendsten Sitzung seit 1949. Das Bund-Länder-Geschäft steht, pandemiebedingt, gerade wieder im Mittelpunkt der Politik, des öffentlichen Interesses, der Kritik. Weniger der Bundesrat als Institution ist involviert – seine Sache ist vor allem die Gesetzgebung. 

Derzeit ist es mehr die Ministerpräsidentenkonferenz, mit der die Kanzlerin die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung verhandelt und koordiniert – eine reine Exekutivsache. Die Runde versucht, zwischen einheitlichen Bundesvorgaben und vielfältigen Länderinteressen einen möglichst gemeinsamen Weg zu finden – wie gut das gelingt, ist Ansichtssache.

"Zähes Ringen zwischen Lockdown und Lockerung"

Steinmeier, der das Bund-Länder-Geschäft also aus dem Effeff kann und kennt, hat dazu am Freitag ein bisschen Mahnung an die politisch Verantwortlichen mit einem Appell an die Bevölkerung verbunden.  Zwischen Lockdown und Lockerung finde ein zähes Ringen statt, sagte er. „Wenn ein Drittel der Bevölkerung noch härtere Beschränkungen will, ein Fünftel sich aber schon jetzt überfordert fühlt – und der Zuspruch für die aktuelle Politik in beide Richtungen verloren geht –, dann stehen politisch Verantwortliche vor einer schwierigen Aufgabe – im Bund und in den Ländern.“ 

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Streit sei da unvermeidbar. „Aber der Kampf gegen die Pandemie darf nicht zum Schwarzer-Peter-Spiel zwischen den staatlichen Ebenen werden.“ Man solle nicht vergessen: „Unser Feind sitzt nicht in Staatskanzleien oder Pharmakonzernen, nicht in Brüssel oder Berlin. Unser Feind ist das vermaledeite Virus.“

"Demokratie ist ausgehandelte Gemeinsamkeit"

Der erfahrene Mehrebenenpolitiker Steinmeier sieht im Ausgleich die Vorzüge des Föderalismus. Für ihn bedeutet er vor allem Machtbegrenzung – „kurzum: dass niemand rücksichtslos durchregieren kann“. Denn Demokratie sei „ausgehandelte Gemeinsamkeit“. Der 1949 gegründete Bundesstaat sei „Ausdruck von zutiefst antitotalitären und antizentralistischen Überzeugungen“, und der Bundesrat, der damals entstand, „verkörpert eine ausgesprochen demokratische, republikanische Lesart des Föderalismus“.

Historische Unterschiede

Da Jubiläumsreden ohne historische Passagen nicht auskommen, hat der Bundespräsident sich  auch ein wenig in die Vergangenheit begeben. Wie kürzlich übrigens auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier. Gibt es nun eine kleine Geschichtsdebatte zwischen zwei Berliner Politikgrößen? Der konservative Minister jedenfalls sammelt Bücher über den von ihm sehr verehrten Otto von Bismarck. Der hat bekanntlich den Vorläufer des heutigen Bundesrats selber konstruiert, wie ja das ganze Organisationsgefüge des Kaiserreichs, das als „Fürstenbund“, genauer als System „verbündeter Regierungen“ konzipiert war.  

Bismarck als Vorbild?

Bismarcks Bundesrat sollte damals einiges leisten: Preußens Hegemonie sichern, die anderen Staaten einbinden, den formal demokratisch gewählten Reichstag nicht mächtig werden lassen, Bismarck die Möglichkeit geben, als Reichskanzler, preußischer Ministerpräsident und oberster Aufseher im Bundesrat alle wesentlichen Fäden in der Hand zu halten.

Altmaier hat nun vor einigen Tagen die Runde der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten als „Erbstück aus der Bismarck-Zeit“ gelobt, das „unity in diversity“ ermögliche. Allerdings gab es solche Runden der damaligen Ministerpräsidenten mit Bismarck so gut wie nie. Man hatte in Bayern, Württemberg oder Sachsen keine große Neigung dazu. Im damaligen Bundesrat aber, den Altmaier wohl meinte, saßen, außer Bismarck und einigen preußischen Ministern, nur Beamte.

"Verfassungspraktischer Alleskönner"

Steinmeier hat es nicht so mit historischen Prägewirkungen. Zwar weiß auch er, dass Bundesrat einst und Bundesrat heute miteinander zu tun haben. Aber das Fazit seiner Lektüre: „Namensgleichheit bedeutet nicht bruchlose historische Kontinuität.“ Er sieht die heutige Länderkammer als die neue demokratische, parlamentarische Institution, wie sie der Verfassungsgeber vor gut 70 Jahren wollte.

Steinmeier hat am Freitag sogar eine eigene Definition geprägt: Mit dem Bundesrat sei damals ein „verfassungspraktischer Alleskönner“ geschaffen worden. „Er verzahnt Bund und Länder, Exekutiven und Legislative, Politik und Verwaltung, Parteien und Koalitionen.“ Er wähle Verfassungsrichter, sein Präsident vertrete das Staatsoberhaupt, seine Mitglieder hätten Rederecht im Bundestag. „Der Bundesrat trägt regionale und lokale Interessen nach Berlin.“

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