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Proteste vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe (im Bild), wo die Beschuldigten am heutigen Dienstag einem Ermittlungsrichter vorgeführt werden sollen.

© dpa/Andreas Arnold

Vater von festgenommener Linksradikaler: „Wir hoffen, dass eine öffentliche Debatte beginnt und es nicht zu Abschiebungen kommt“

Sieben Personen, denen gewaltsame Überfälle auf Neonazis in Ungarn vorgeworfen werden, haben sich am Montag den Behörden gestellt. Der Vater einer Beschuldigten spricht über seine Befürchtungen und Erwartungen.

Stand:

Seit Februar 2023 hatten sich mehrere Personen, die dem linksradikalen Spektrum zugerechnet werden, vor der Gefahr einer Auslieferung an die ungarischen Behörden vor den deutschen Strafverfolgern versteckt. Am 20. Januar stellten sich sieben der Beschuldigten in Deutschland.

Ihnen allen wird vorgeworfen, im Zusammenhang mit dem sogenannten „Tag der Ehre“ – einem massiven Aufmarsch ungarischer und europäischer Neonazis in und um Budapest – zum Teil brutale Überfälle auf Teilnehmende verübt zu haben.

Die Anschuldigungen der ungarischen Polizei waren dabei allerdings in der Sache ebenso umstritten wie die Verhältnismäßigkeit der anvisierten Strafen, wie der Tagesspiegel in einem umfassenden Report im August 2024 darlegen konnte.

Der Hamburger Unternehmer Hermann W. ist der Vater einer der Beschuldigten. Seit Februar 2023 hat er sich gemeinsam mit anderen Eltern für eine juristische Aufarbeitung der Geschehnisse in Budapest ohne Auslieferung eingesetzt.

Herr W., dass sich die Beschuldigten, darunter Ihre Tochter, den Behörden gestellt haben, kam sehr überraschend. Was hat diesen Gesinnungswechsel hervorgerufen?
Ob es einen Gesinnungswechsel bei den Beschuldigten gegeben hat, das kann ich nicht sagen. Es gibt jedenfalls keine Versicherung der Behörden, nicht abzuschieben. Aber wir als Eltern einer Beschuldigten denken, es gibt eine gewisse Chance, wenn sich mehrere Beschuldigte stellen, so Öffentlichkeit herzustellen und dadurch Druck aufzubauen auf die Behörden, nicht an Ungarn auszuliefern – so wie auch die italienischen und französischen Behörden nicht an Ungarn ausgeliefert haben.

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Können Sie das erklären?
Gerade die französischen Behörden haben konkrete Anforderungen an die Ungarn gestellt für den Fall, dass sie ausliefern sollten. Nur die deutschen Behörden haben sich in dieser Frage noch gar nicht bewegt. Es ist entsetzlich.

Das heißt auch, dass das Risiko, trotz aller Einwände nach Ungarn ausgeliefert zu werden, weiterhin besteht?
Das Risiko ist da, ja. Es gibt keine Zusicherungen und es gibt noch nicht mal ein Gesprächsangebot der Behörden an die Anwältinnen und Anwälte.

Warum erfolgte der Schritt jetzt?
Jeder Zeitpunkt war gleich schlecht beziehungsweise gleich gut. Klar ist: Ein dauerhaftes Leben im Untergrund ist offenbar nicht durchzuhalten. Und bevor Einzelne sich stellen, war es besser, diesen Schritt gemeinsam zu gehen.

Die Beschuldigten sollten am Dienstag vor dem Bundesgerichtshof (im Bild) einem Ermittlungsrichter vorgeführt werden.

© dpa/Andreas Arnold

Wie empfinden Sie diesen Schritt persönlich als Vater einer Beschuldigten?
Es ist riskant. Aber es wäre noch riskanter, darauf zu warten, dass Zielfahnder oder auch Journalisten die Beschuldigten ausmachen.

Warum?
Wenn man sich freiwillig stellt, dann kann man zumindest auf mildernde Umstände hoffen. Wenn einen die GSG 9 in einem Regionalexpress festnimmt, ist diese Hoffnung auch passé. Wir Angehörigen hoffen, dass die Tatsache, dass sich die Beschuldigten freiwillig gestellt haben, die Ausgangssituation deutlich verbessert.

Sie als Angehörige der Beschuldigten haben Anfang Januar in Hamburg eine Veranstaltung abgehalten, bei der zum Teil hochkarätige juristische Experten gesprochen haben – unter anderem der ehemalige italienische Generalstaatsanwalt Cuno Tarfusser, der die Abschiebung italienischer Beschuldigter nach Ungarn unterbunden hat. Hat dieses Zusammentreffen Ihre Einschätzung verändert?
Nicht nur Cuno Tarfusser, auch der Berliner Juraprofessor Michael Herder hat sich sehr deutlich und sehr kritisch zum Vorgehen der Berliner Behörden geäußert. Rechtlich scheint die Lage klarer zu sein, als zumindest die Berliner Behörden das bisher gehandhabt haben.

Das heißt, Sie hoffen nun auf eine öffentliche Debatte über die Rechtmäßigkeit der Abschiebungen nach Ungarn?
Genau. Wir hoffen, dass mit diesem heutigen Schritt eine öffentliche Debatte beginnt. Und durch die Einschätzungen unterschiedlicher Rechtsexperten haben wir die Hoffnung, dass es nicht zu Abschiebungen nach Ungarn kommt.

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