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Mission. Die „Hamburg“ ist seit August im Mittelmeer.

© Sina Schuldt/dpa

Update

Verdacht auf Waffenschmuggel: Türkei stoppt Kontrolle der Bundeswehr im Mittelmeer

Die Bundeswehr wollte einen türkischen Frachter auf Waffen untersuchen. Ankara intervenierte. Die Spannungen mit der Türkei nehmen zu.

Im östlichen Mittelmeer wachsen die Spannungen wegen eines Versuchs der Bundeswehr, einen türkischen Frachter auf dem Weg nach Libyen zu durchsuchen. Soldaten der deutschen Fregatte „Hamburg“ wollten im Rahmen der europäischen Überwachungsmission Irini im Mittelmeer ein Containerschiff auf Waffen für Libyen überprüfen, mussten das Schiff nach einem Protest aus Ankara aber wieder verlassen.

Der türkische Vizepräsident Fuat Oktay warf der EU ein „inakzeptables“ Vorgehen vor. Das Außenministerium in Ankara bestellte den deutschen Geschäftsträger und zwei andere europäische Diplomaten ein, um gegen die Irini-Aktion zu protestieren.

Es war das dritte Mal, dass die Türkei die Waffenkontrollen europäischer Staaten verhinderte. Die EU will am 10. und 11. Dezember bei einem Gipfel in Brüssel über Sanktionen zur Bestrafung der aggressiven türkischen Politik im Mittelmeer entscheiden.

Die Bundeswehr erklärte am Montag, die Soldaten der „Hamburg“ hätten am Sonntagnachmittag versucht, den türkischen Containerfrachter „Roseline A“ zu inspizieren. Allerdings konnte die Aufgabe nicht ausgeführt werden, wie das Einsatzführungskommando der Bundeswehr auf Twitter mitteilte: „Der Flaggenstaat hat nachträglich dem Boarding nicht zugestimmt, daraufhin wurde die Inspektion durch die Missionsführung abgebrochen“, erklärte das Kommando.

Welche Rüstungsgüter an Bord der „Rosaline A“ vermutet wurden, blieb unklar. Der unabhängige Istanbuler Schiffsexperte Yörük Isik sagte dem Tagesspiegel, das Schiff gehöre zur angesehenen Reederei Arkas. Das Unternehmen würde aus seiner Sicht niemals illegale Güter an Bord eines ihrer Schiffe dulden.

Arkas ist seit 15 Jahren Partnerin der Deutsche- Bahn-Tochter DB Schenker. Isik bezweifelte zudem, dass die Türkei es noch nötig habe, Rüstungsgüter per Schiff nach Libyen zu bringen. Ankara schicke seit einiger Zeit viele Transportflugzeuge.

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"Hilfsgüter und Farbe"

Der Zwischenfall spielte sich etwa 200 Kilometer nördlich der libyschen Hafenstadt Benghazi ab. Verdächtige Güter wurden auf dem Frachter nicht entdeckt. Die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu veröffentlichte Videos, auf denen ein Hubschrauber über der „Rosaline A“ zu sehen war, von dem sich Soldaten abseilten.

Andere Aufnahmen zeigten eine Diskussion der Soldaten mit Besatzungsmitgliedern auf der Brücke des Schiffes. Dem türkischen Außenamt zufolge transportierte die „Rosaline A“ humanitäre Hilfsgüter und Farbe.

Die Türkei unterstützt im Libyen-Konflikt die Regierung in Tripolis im Krieg gegen den Rebellengeneral Chalifa Haftar. Türkische Militärberater und Kampfdrohnen hatten entscheidenden Anteil am Scheitern eines Großangriffs von Haftars Truppen auf die Hauptstadt.

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Haftar erhält Unterstützung aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, Ägypten und Russland; auch Frankreich steht auf der Seite des Generals. Die ausländischen Unterstützer beider Konfliktparteien ignorieren ein UN-Waffenembargo für Libyen.

Das türkische Außenamt warf Europa vor, sich mit Irini parteiisch zu verhalten. Die libysche Regierung werde bestraft, während Lieferungen für Haftar nicht überprüft würden. Das Ministerium bestellte den deutschen Geschäftsträger in Ankara sowie die Botschafter der EU und Italiens ein; Italien ist Standort des Irini-Hauptquartiers. Die staatliche Agentur Anadolu gab dem griechischen Kommandanten des Irini-Flottenverbandes die Schuld an dem Zwischenfall mit der „Rosaline A“. Regierungstreue Kommentatoren in den türkischen Medien verlangten eine Entschuldigung von Bundeskanzlerin Angela Merkel.

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EU-Sanktionen gegen die Türkei werden wahrscheinlicher

Im Sommer hatte die Besatzung eines türkischen Kriegsschiffes nach französischen Angaben ihren Zielradar drohend auf eine französische Fregatte gerichtet und damit die Durchsuchung eines türkischen Frachters auf dem Weg nach Libyen verhindert. Türkische Kriegsschiffe hinderten zudem griechische Fregatten an der Durchsuchung eines Schiffes.

Der neue Vorfall macht EU-Sanktionen gegen die Türkei wahrscheinlicher. Europa hatte die Türkei mehrmals aufgefordert, „Provokationen“ im östlichen Mittelmeer zu unterlassen. Offenbar um Sanktionen zu verhindern, betonte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan in den vergangenen Tagen mehrmals, die Türkei sehe ihre Zukunft in Europa.

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