zum Hauptinhalt
Auch mit diesem stolzen Amerikaner müssen die Deutschen im Gespräch bleiben. Senator Ted Cruz im Juli 2016 in der Quicken Loans Arena von Cleveland im Bundesstaat Ohio.

© Alex Wong/AFP

Deutschland und Amerika: Vergesst die Republikaner nicht!

Beim Comeback der transatlantischen Beziehungen darf eine neue Agenda nicht allein auf die Demokraten setzen. Ein Gastbeitrag.

Stand:

Sudha David-Wilp ist Senior Transatlantic Fellow und stellvertretende Leiterin des Berliner Büros des German Marshall Funds of the United States. Jamie Fly ist ebenda Senior Fellow.

Mit Joe Biden kehrt ein vertrautes Gesicht ins Weißen Haus zurück, da ist es verlockend anzunehmen, dass sich auch die transatlantischen Beziehungen zum Besseren wenden. Schließlich hat der Präsident versprochen, von Neuem auf die Verbündeten zuzugehen, und überdies kontrolliert die Demokratische Partei beide Häuser des Kongresses. Dennoch sollten die Europäer die Republikanische Partei nicht vorzeitig abschreiben.

Mehr als 74 Millionen Amerikaner haben für die Wiederwahl von Donald Trump gestimmt, der Vorsprung der Demokraten im Kongress ist hauchdünn. Die Republikaner sind nicht weit davon enfernt, 2022 das Repräsentantenhaus und den Senat zurückzuerobern. Selbst ihre Rückkehr ins Weiße Haus 2024 ist durchaus möglich. Und das alles, obschon der Flirt der Republikaner mit alternativen Fakten und Verschwörungstheorien zu einem gewaltsamen Angriff auf den Sitz der amerikanischen Demokratie führte – und zum Tod von fünf Menschen.

Die jüngsten Ereignisse haben es den Republikanern ermöglicht, endlich mit dem Trumpismus abzurechnen. Einige Parteimitglieder im Kongress brechen mit dem ehemaligen Präsidenten, auch wenn ihm die Wähler weitgehend treu zu bleiben scheinen. Aus der Ferne betrachtet, sieht die Partei völlig zerrissen aus und steht vor einer ungewissen Zukunft, aber ihre Renaissance ist deshalb nicht ausgeschlossen.

Gemeinsame Strategien fehlen

In der Ära nach 9/11 fallen die transatlantischen Debatten meist parteiisch aus, es gibt oftmals eine demokratische und eine republikanische Sicht der Dinge; die Fähigkeit Amerikas und Europas, gemeinsame Strategien zur Bewältigung globaler Herausforderungen zu finden, werden damit untergraben – vom Terrorismus über den Klimawandel bis hin zu Herausforderungen durch autoritäre Regime.

Am Ende von George W. Bushs zweiter Amtszeit hatten laut Pew Research nur noch etwa 30 Prozent der Deutschen ein positives Bild von den Vereinigten Staaten. Während der achtjährigen Präsidentschaft Barack Obamas stiegen diese Werte wieder an, ehe sie – unter dem Eindruck von Donald Trump – auf nur 25 Prozent im September 2020 fielen.

Um diesen Pendel-Effekt künftig zu vermeiden, wären Amerikas europäische Partner gut beraten, sich nicht nur auf die neu gestärkten Demokraten zu konzentrieren, sondern auch die Beziehungen zu Amerikas einziger Oppositionspartei zu pflegen.

Die Republikanische Partei repräsentiert mit all ihren Fehlern einen bedeutenden Teil der Amerikaner, die skeptisch gegenüber Bündnispartnern sind, die nicht ihren Teil der Kosten tragen wollen. Außerdem halten sie wenig von internationalen Abkommen und Organisationen, die ihrer Ansicht nach mehr an einem ständigen Austausch als an konkreten Ergebnissen interessiert sind.

Die Republikaner besitzen offensichtlich andere Prioritäten als ihre demokratischen Kollegen. Sie konzentrieren sich auf Sicherheitsbedrohungen für die USA, und um den Klimwandel zu bekämpfen, suchen sie eher nach technologischen Innovationen als nach neuen Regulierungen.

Übergangsfigur Biden

Angesichts der Tatsache, dass die aktuelle europäische Agenda weitgehend mit den Prioritäten der Demokraten übereinstimmt, sind viele Verbündete erleichtert, dass nun Joe Biden im Weißen Haus sitzt. Doch er gilt als Übergangsfigur innerhalb der eigenen Partei. Da die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie noch lange zu spüren sein werden, wird Amerika wahrscheinlich noch auf Jahre hinaus gespalten sein und sich eher auf die eigenen Probleme konzentrieren.

Wenn das Comeback der transatlantischen Beziehungen mehr als eine Episode sein soll, muss eine neue transatlantische Agenda Themen einschließen, die für Amerikaner auf beiden Seiten des politischen Spektrums eine Rolle spielen. Von der Trump-Administration identifizierte Themen wie Kosten- und Lastenverteilung, die Ineffizienz internationaler Organisationen und die wachsende Gefahr, die von revisionistischen Akteuren für die Gesellschaften ausgeht, sind allesamt Bereiche für eine mögliche Zusammenarbeit.

Der Schlüssel zur Entpolitisierung des transatlantischen Verhältnisses wird darin liegen, die Beziehungen zu den republikanischen Kongressabgeordneten wiederherzustellen, die schon vor Trumps Amtsantritt überzeugte Befürworter der amerikanischen Bündnispolitik waren. Man wird dafür sorgen müssen, dass die Bündnisse spürbare Vorteile bringen – und zwar auf beiden Seiten des Atlantiks.

Globale Herausforderungen

Die Europäer sollten mit Amerikanern außerhalb von Washington und abseits von Ost- und Westküste Beziehungen pflegen. Nach den pandemiebedingten Einschränkungen des Reiseverkehrs müssen die zwischenmenschlichen Kontakte neu aufgebaut und gestärkt werden. Trotz der Differenzen über die Politik Donald Trumps haben Durchschnittsamerikaner und -europäer mit ähnlichen Herausforderungen zu kämpfen, mit Migration, Automatisierung und alternden Bevölkerungen in einer zunehmend unsicheren Welt.

[Jeden Donnerstag die wichtigsten Entwicklungen aus Amerika direkt ins Postfach – mit dem Newsletter „Washington Weekly“ unserer USA-Korrespondentin Juliane Schäuble. Hier geht es zur kostenlosen Anmeldung: tagesspiegel.de/washington-weekly]

Amerikas Polarisierung und fragile Demokratie dort werden von den Europäern heute gern als Beispiele betrachtet, die es zu verhindern gilt. Europäische Politiker sollten jedoch erkennen, dass die jüngsten Vorkommnisse in den USA keine amerikanische Spezialität sind. Wenn es den Regierungen in Europa nicht gelingt, mit den Herausforderungen einer epochalen Pandemie und dem schwindenden Vertrauen in die Demokratie umzugehen, könnte die Lage auch auf dem alten Kontinent jederzeit eskalieren.

Während Joe Biden versucht, ein gespaltenes Amerika zu einen, kommt es darauf an, dass auch Amerikaner und Europäer aller politischen Richtungen einen neuen transatlantischen Konsens finden, der die Vielfalt der Ansichten spiegelt, die unseren Demokratien zueigen sind. Ein transatlantisches Bündnis, das sich auf Prioritäten stützt, die nur der Hälfte der amerikanischen Wähler am Herzen liegen, mag im gegenwärtigen Post-Trump-Moment verlockend sein, aber es wird letztlich keinerlei Zukunftsfähigkeit und Belastbarkeit besitzen.

Aus dem amerikanischen Englisch von Gregor Dotzauer

Sudha David-Wilp, Jamie Fly

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })