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Sitzung des Bundeskabinetts am 4. Juni.

© REUTERS/Nadja Wohlleben

Verschärfung der Migrationspolitik beschlossen: Bundesregierung will sichere Herkunftsstaaten künftig selbst bestimmen können

Um die angekündigte „Asylwende“ voranzutreiben, bringt Schwarz-Rot eine weitere Reform auf den Weg. Diese soll Innenminister Dobrindt mehr Handlungsspielraum ermöglichen.

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Die Bundesregierung hat weitere Verschärfungen in der Migrationspolitik auf den Weg gebracht. Für schnellere Asylverfahren und leichtere Abschiebungen will sie künftig ohne Zustimmung der Bundesländer sogenannte sichere Herkunftsstaaten bestimmen können.

Einen entsprechenden Gesetzentwurf von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) beschloss das Bundeskabinett am Mittwoch. Der Entwurf muss noch durch Bundestag und Bundesrat.

Das Kabinett entschied nach Angaben des Bundespresseamts über eine Formulierungshilfe des Innenministeriums für die Koalitionsfraktionen zur Einstufung von Staaten als sichere Herkunftsländer: Demnach kann die Bundesregierung diese Einstufung künftig per Rechtsverordnung vornehmen – also ohne Zustimmung des Bundesrats. Dort haben Länder mit Regierungsbeteiligung von Grünen und Linken in der Vergangenheit entsprechende Vorhaben blockiert. 

Es gehe darum, die „Asylwende“ zu vollziehen, sagte Dobrindt, der sich nach der Kabinettssitzung im Innenausschuss den Fragen der Abgeordneten zu den von ihm angeordneten Zurückweisungen Asylsuchender an den Grenzen stellte.

Von Deutschlands Nachbarstaaten werde dieser Kurswechsel insgesamt positiv aufgenommen. Politiker der Linken und der Grünen kritisierten, dass der Minister vor seiner Befragung im Ausschuss erst mit Pressevertretern sprach.

Fokus auf Maghreb-Staaten und Indien 

Die von Schwarz-Rot geplante Reform soll Asylentscheidungen für Menschen aus diesen Staaten beschleunigen und Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber erleichtern.

Möglich wird die Einstufung zusätzlicher Länder per Verordnung, weil sie sich nicht auf das im Grundgesetz verankerte Recht auf Asyl für politisch Verfolgte erstrecken soll, das ohnehin nur sehr wenige Schutzsuchende zugesprochen bekommen.

Bei den meisten Asylbewerbern, die in Deutschland einen Schutzstatus erhalten, greift der Flüchtlingsschutz oder der sogenannte subsidiäre Schutz für Menschen, denen im Herkunftsland ernsthafter Schaden droht.

Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD heißt es: „Wir beginnen mit der Einstufung von Algerien, Indien, Marokko und Tunesien.“ Eine entsprechende Einstufung weiterer sicherer Herkunftsstaaten solle geprüft werden.

In der Vergangenheit war die Einstufung von Ländern wie Algerien, Marokko und Tunesien mitunter am Bundesrat gescheitert. Im Dezember 2023 wurden aber Georgien und die Republik Moldau in die Liste aufgenommen. Darauf stehen auch Ghana und der Senegal sowie die Westbalkanstaaten.

Kritik an neuen Asyl-Bestimmungen

Etliche Juristen halten die geplante Neuregelung für wenig zielführend. Der Deutsche Anwaltverein kritisierte, dass die Asyl-Regeln unnötig verkompliziert würden.

Weil sich der Gesetzentwurf nicht auf das Asylrecht im Grundgesetz, sondern auf EU-Recht beziehe, drohten in der Verwaltungspraxis und vor Gericht „unnötig komplexe Differenzierungen“, warnte der Migrationsrechtsexperte des Vereins, Christoph Tometten. Dies werde gerade keine Beschleunigung von Verfahren bewirken.

Pro Asyl nannte das Vorgehen von Union und SPD „undemokratisch und verfassungsrechtlich fragwürdig“. Die rechtspolitische Sprecherin der Organisation, Wiebke Judith, sagte: „Die Bestimmung von angeblich sicheren Herkunfts- und Drittstaaten erschwert es gefährdeten Menschen, den ihnen eigentlich zustehenden Schutz zu bekommen.“

Gestrichen werden soll laut Kabinettsbeschluss zudem eine Vorschrift, wonach Menschen, die von Abschiebungshaft oder Ausreisegewahrsam betroffen sind, einen vom Staat bestellten Anwalt bekommen.

Diese Verpflichtung war erst in der Zeit der Ampel-Regierung auf Drängen der Grünen ins Aufenthaltsrecht aufgenommen worden. Sie gilt auch für Asylbewerber, die im sogenannten Dublin-Verfahren in einen anderen EU-Staat überstellt werden sollen und für die sogenannte Überstellungshaft angeordnet wurde. (dpa, KNA)

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