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Videoschalte der Länderchefs mit der Bundeshanzlerin am Mittwoch.

© imago images/Becker&Bredel

Virologe Stürmer über die Corona-Verschärfungen: „Man hat kostbare Zeit verschenkt“

Der Mikrobiologe Martin Stürmer im Interview über die Gefahren der Lockerungen zu Weihnachten, Schulen in der Pandemie und eine mögliche dritte Welle.

Der Mediziner Martin Stürmer ist Experte für Virologie und Infektionsepidemiologie. Er leitet ein privates Labor für interdisziplinäre Diagnostik und ist Dozent an der Goethe-Universität Frankfurt.

Herr Stürmer, der Lockdown Light hat nicht die erhofften Ergebnisse gebracht, die Todeszahlen sind hoch wie nie. Jetzt haben Bund und Länder Verschärfungen beschlossen. Was bringt das im besten Fall?
Der Lockdown hat die Infektionszahlen tatsächlich nicht deutlich gesenkt. Es ist aber zumindest gelungen, den steigenden Trend aufzuhalten. Ich gehe davon aus, dass wir mit den Verschärfungen das Infektionsgeschehen wieder unter Kontrolle bekommen. Dafür ist entscheiden, die Kontakte weiter zu reduzieren. Denn davon ,ernährt’ sich das Virus.

Reichen die neuen Maßnahmen also aus?
Es ist wichtig, dass die Politik vor allem die Schulen noch einmal genau in den Blick nimmt. Neben der Maskenpflicht im Unterricht ist auch ein Schichtsystem für Schulklassen angebracht, außerdem das Aufstellen von Luftfiltern und nicht zuletzt den Präsenzunterricht verstärkt mit Homeschooling zu ersetzen. Damit ist aber auch ein weiterer Punkt verknüpft: der öffentliche Nahverkehr. Nicht nur die Schulbusse, auch die U-Bahnen sind zu voll.

Man braucht längere Züge, die öfter fahren. Wichtig ist aber auch: Das bringt alles nichts, wenn sich die Menschen im Privaten nicht an die Regeln halten. Hier muss man herausfinden, welche Bürger wir nicht erreichen. Für die bräuchte es gezielte Überzeugungsarbeit. Eine kleine Gruppe kann ausreichen, um alles zunichte zu machen.

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[Mehr zur Nacht der Entscheidung: Hinter den Kulissen des Corona-Gipfels - wer die Schulen auf die Agenda boxte, wem Merkels Drängen zu weit ging (T+)]

Sind Bund und Länder mit den neuen Maßnahmen ihrer Verantwortung gerecht geworden?
Es gab ja schon am Montag vergangener Woche eine Diskussionsvorlage mit sehr weitreichenden Einschränkungen. Die wurde aber von den Länderchefs abgelehnt. Dann hat man zehn Tage lang kostbare Zeit verschenkt. Jetzt wird es darauf ankommen, was von den jüngsten Beschlüssen übrigbleibt und ob alle Länder das auch konsequent umsetzen.

Der Virologe Martin Stürmer.
Der Virologe Martin Stürmer.

© imago images/teutopress

Welche Gefahr geht von den geplanten Lockerungen um Weihnachten aus?
Die Aufweichung des Lockdown zu Weihnachten und Silvester ist kontraproduktiv. Man sollte die verschärften Maßnahmen lieber konsequent den ganzen Dezember lang durchziehen. Vor allem die Ankündigung, dass zu Weihnachten gelockert wird, ist gefährlich. Das schafft ein falsches Sicherheitsgefühl, das dazu führen könnte, dass danach die Zahlen erst richtig in die Höhe schießen.

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Wie geht es im neuen Jahr weiter? Ständige Lockerungen und Verschärfungen bis zum Impfstoff?
Genau das darf nicht passieren. Sobald sich die Zahlen etwas verbessern, darf man nicht zu schnell und umfangreich lockern. Und selbst wenn etwas gelockert wird, sollte sich jeder trotzdem weiter zurücknehmen. Sonst steuern wir direkt in eine dritte Welle rein und es könnte nötig werden, einige Einschränkungen bis in den Frühsommer aufrecht zu erhalten.

Wann rechnen Sie damit, dass man wieder in Restaurants, Kneipen oder ins Kino gehen kann?
Bei Gaststätten kann ich mir vorstellen, dass man die bereits im Januar wieder öffnet, wenn es die Zahlen zulassen. Viele Gastwirte haben sich ja auch bereits gründliche Gedanken darüber gemacht, wie sie ihre Gäste schützen können. Unter deutlichen Auflagen wie Aersosol-Filter und strengen Abstandsregeln könnte man Restaurants und Fitnessstudios womöglich kommenden Monaten öffnen.

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