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Clausnitz in Sachsen - nur ein Ort in der langen Liste der Schande

© Hendrik Schmidt/dpa

Angriffe auf Flüchtlinge: Von Horst Seehofer zu Clausnitz?

Die Grünen machen Horst Seehofer für die fremdenfeindliche Hetze in Clausnitz mitverantwortlich. Doch wer den Gegner zum Feind macht, will diffamieren, nicht argumentieren. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Horst Seehofer ist mit der Flüchtlingspolitik von Angela Merkel nicht einverstanden. Er fordert eine strikte Reduzierung der Flüchtlingszahlen und eine Kontrolle der Landesgrenzen. Er spricht von einer „Herrschaft des Unrechts“ und droht der Kanzlerin mit einer Verfassungsklage.

Ist er deshalb für jene fremdenfeindliche Hetze mitverantwortlich, die sich in dem sächsischen Ortsteil Clausnitz so hemmungs- wie erbarmungslos ausgetobt hat? Lässt sich eine ideologische Linie vom CSU-Chef zu dem entmenschten Mob ziehen, dessen Aggressivität selbst vor Frauen und Kindern nicht Halt macht? Werden durch Seehofer womöglich auch jene aufgestachelt, die Flüchtlingsunterkünfte in Brand setzen?

Die Fraktionschefin der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, beantwortet solche Fragen mit einem klaren Ja. Sie wirft Seehofer eine Mitverantwortung für die Schandtaten von Clausnitz vor.

Mitte der siebziger Jahre galt der Schriftsteller Heinrich Böll im deutschen Boulevard und in konservativen Kreisen als „geistiger Sympathisant“ und „intellektueller Helfershelfer“ des RAF-Terrorismus. Die politische Stiftung der Grünen trägt den Namen des Literaturnobelpreisträgers.

Blockiert. Der Bus mit den Flüchtlingen in Clausnitz trug die zynisch wirkende Linienanzeige „Reisegenuss“.
Blockiert. Der Bus mit den Flüchtlingen in Clausnitz trug die zynisch wirkende Linienanzeige „Reisegenuss“.

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Anfang der neunziger Jahre, nach den rassistischen Anschlägen von Rostock-Lichtenhagen, Hoyerswerda, Mölln und Solingen, bezeichnete der damalige Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, den Schriftsteller Botho Strauß als Wegbereiter eines „neuen intellektuellen Rechtsradikalismus“. Was Strauß und andere Autoren schrieben, übertrage sich „in veränderter Form bis zu den Brandstiftern“.

Wenn der Gegner auf solche Weise zum Feind gemacht wird, hört die Verständigung auf. Wer die Kategorien von richtig und falsch durch anständig und verwerflich ersetzt, will diffamieren, nicht argumentieren.

„Alle sprechen lauter als je zuvor, nur nicht mehrdieselbe Sprache“, hieß es am Wochenende in einem Essay in der „tageszeitung“ über die „debattenkulturelle Klimakatastrophe“ des Flüchtlingsdiskurses. Clausnitz und Bautzen zeugen von einem Maß an Verrohung, gegen das hart und scharf vorgegangen werden muss. Einen Horst Seehofer in diese Härte mit einzubeziehen, schießt über das Ziel hinaus.

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