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Schlecht abgeschirmt. Der Fiskalpakt steht auf tönernen Füßen.

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Euro-Rettung: Wackeliger Fiskalpakt

Für die Euro-Rettung braucht die Regierung die Opposition – und zugleich muss Merkel die FDP bei Laune halten. Nach dem Hin und Her vom Wochenende wird das schwieriger.

Von
  • Antje Sirleschtov
  • Robert Birnbaum

Es ist ein Spiel, wie es im Kleinen Handbuch der Politik nicht schöner aufgezeichnet stehen könnte; und wenn es nicht um sehr, sehr ernste Dinge gehen würde, dann wäre es zum Lachen. Es geht aber um die Euro-Rettung. Seit Wochen rangelt die Regierung mit der Opposition um die Zustimmung zum Fiskalpakt. Man braucht einander – das europäische Vertragswerk erfordert eine Zweidrittelmehrheit im Parlament.

Vorige Woche schien eine Einigung nah, die das Hauptstreitthema Finanztransaktionssteuer mit einem Kompromiss befriedet. Doch dann kam das Wochenende. Und so kann man am Montag die SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles dabei erleben, wie sie einen strengen Blick aufsetzt und im Willy-Brandt-Haus verkündet: „Bevor wir überhaupt weiter diskutieren mit Union und FDP, ist eine Klarstellung erforderlich, und zwar von Frau Merkel persönlich!“

Die Klarstellung, die Nahles verlangt, betrifft die Einigung über die Börsensteuer. Am Wochenende ist einiges passiert, was den Verdacht nahelegt, die schwarz-gelbe Koalition habe jene Einigung aus der vergangenen Woche nicht ganz ernst gemeint. Erst wird eine interne Bemerkung des Kanzleramtschefs Ronald Pofalla ruchbar: In dieser Wahlperiode werde es mit dieser Steuer sowieso nichts mehr, deshalb könne man sie SPD und Grünen ruhig versprechen. Als Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) dann auch noch öffentlich darauf hinwies, dass es in Europa ziemlich lange dauern könne, so eine Steuer einzuführen, vermutlich über den Wahltag 2013 hinaus – da war die Empörung bei SPD und Grünen groß.

Wenn Union und FDP ihre Zusagen zurückzögen, sagte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin am Montag im ARD-„Morgenmagazin“, „dann wird es schwierig mit der Ratifizierung vor der Sommerpause.“ Darauf ließ sich am späten Montagabend bereits die Probe machen: „Nach diesem Treffen glaube ich nicht, dass es am Mittwoch zu einer Einigung kommen kann“, sagte der CDU-Haushaltsexperte Norbert Barthle dem Treffen der Unterhändler von Regierung und Opposition. Eine Einigung sei bei dem rund zweistündigen Treffen nicht erreicht worden.

So weit das Geschehen auf offener Bühne. Das Spiel hinter den Kulissen ist komplizierter. Tatsächlich hat Pofalla den Satz gesagt; allerdings nicht in Richtung Opposition, sondern an die Adresse des FDP-Chefs Philipp Rösler. Die FDP hat sich stets gegen eine Finanztransaktionssteuer gesperrt. Erst beim Chefgespräch mit den Chefs von CDU und CSU, Angela Merkel und Horst Seehofer, vorige Woche schwenkte Rösler plötzlich und auch für die eigenen Parteifreunde überraschend um – ihm leuchtete Pofallas Hinweis ein, aus der Steuer werde im langsamen Europa in absehbarer Zeit sowieso nichts.

Dass der flotte Spruch des Kanzleramtschefs öffentlich wurde, war nicht geplant, ist aber auch kein Zufall. Schließlich muss die FDP erklären, wieso sie plötzlich für die Steuer ist, die sie seit Jahren als sinnlos und schädlich für Wirtschaft und Kleinanleger geißelt. Da kam Pofalla gerade recht.

Bis Montag wähnte sich die FDP auf der sicheren Seite. Man habe seine Bedingungen für die Steuer formuliert, hieß es, die SPD habe diese akzeptiert. Nun solle Schäubles Ministerium einen Gesetzesvorschlag vorlegen. „Wir sind vertragstreu“, beteuerte FDP-Generalsekretär Patrick Döring am Montag, am Zuge seien jetzt die anderen. FDP-Unterhändler Volker Wissing verbreitete allerdings fast gleichzeitig, die Botschaft, die drei Vorbedingungen, die er in das Kompromisspapier mit der Opposition verhandelt habe, machten die Umsetzung dieser Steuer eher unpraktikabel.

Die Sozialdemokraten klagen zwar laut darüber, durch die Anmerkungen Pofallas und Schäubles sei man auf dem Weg zu einer Einigung „wieder zurückgeworfen worden“, wie Generalsekretärin Nahles das nennt. Intern aber zweifelt die SPD-Führung nicht an der Bereitschaft der Kanzlerin, sich zu der neuen Steuer zu bekennen, zumal der Zeitdruck aus SPD-Sicht nur auf Merkel lastet. Der offene Streit mit der Regierung schließt zudem die eigenen Reihen: Der SPD-Parteivorstand beschloss am Montag ein Papier mit Leitlinien für die Fiskalpakt-Verhandlungen ohne Gegenstimmen.

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