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Die "Panzerhaubitze 2000" aus deutscher Produktion ist eines der modernsten schweren Artilleriegeschütze. Zehn Geräte sind bisher an die Ukraine geliefert.

© Christof Stache/AFP

Waffenlieferungen an die Ukraine: Und die Regierung, sie bewegt sich doch

Der Ringtausch funktioniert kaum, selbst Koalitionäre fordern, direkt Waffen an die Ukraine zu liefern. Inzwischen gibt es Fortschritte, doch Widersprüche bleiben. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Hans Monath

Wenn es um das Thema Lieferung von schweren Waffen an die Ukraine geht, klafft zwischen der Selbstbeschreibung des Bundeskanzlers und dem Urteil in Kiew über die Wirkung der militärischen Hilfe ein Abgrund, der den Dimensionen des Grand Canyons ähnelt.

Auf der einen Seite steht Olaf Scholz mit seiner selbstgewiss vorgetragenen Behauptung, alles Verantwortbare zu tun, um den Angegriffenen zu helfen. Auf der anderen Seite hat sich der Verdacht festgefressen, dass die Bundesregierung in Berlin nur unter äußerstem Druck handelt, ihre Versprechungen nicht erfüllt, sondern verschleppt und verzögert, wenn es um direkte Lieferungen etwa von Panzern aus Deutschland geht. Und das zu einem Zeitpunkt, da angesichts der russischen Übermacht auf dem Schlachtfeld jeder Tag zählt.

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Wer eine adäquate Ausstattung der Ukraine zur Abwehr des Aggressors für moralisch und politisch geboten hält, konnte tatsächlich nicht zufrieden sein mit den bisherigen Lieferungen der stärksten Wirtschaftsmacht Europas an deren Armee. Vor allem auch deshalb nicht, weil die Ukrainer auch die Freiheit Europas verteidigen.

Die Debatte schien festgefahren, da gab es Anfang dieser Woche doch plötzlich Bewegung zu vermelden: Am Montag trafen die ersten drei aufgearbeiteten Flugabwehrpanzer vom Typ Gepard samt Munition aus deutscher Industrieproduktion in der Ukraine ein. Am Dienstag folgten drei Mehrfachraketenwerfer („Mars II“) und drei schwere Artilleriegeschütze („Panzerhaubitze 2000“), von denen nun zehn im Land sind.

Das ist ein Fortschritt, aber immer noch wenig verglichen mit den Dimensionen der Überlassung schwerer Waffen, die etwa die USA oder Polen dem angegriffenen Land überlassen.

Am 27.. Februar erklärte Kanzler Olaf Scholz (SPD) im Bundestag, dass Deutschland der Ukraine Waffen liefern werde. Fünf Monate später ist die Bilanz eher mager. 
Am 27.. Februar erklärte Kanzler Olaf Scholz (SPD) im Bundestag, dass Deutschland der Ukraine Waffen liefern werde. Fünf Monate später ist die Bilanz eher mager. 

© imago images/Bildgehege

Das deutsche Zögern verspielt Vertrauen – nicht nur in der Ukraine, sondern auch bei den östlichen Nato-Partnern. Polen wirft der Bundesregierung gar einen Täuschungsversuch vor, weil die Lieferung der zum Ausgleich polnischer Panzerlieferungen an die Ukraine versprochenen deutschen Leopard-Panzer über Jahre gestreckt geliefert werden soll. In der Ampelkoalition selbst mehrten sich die Stimmen von Grünen und Liberalen, die von einem Scheitern der Ringtauschkonzeption sprechen und die Regierung auffordern, Panzer direkt an die Ukraine zu liefern.

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Doch die Welt, sie erscheint widersprüchlich: Außenministerin Annalena Baerbock von den Grünen hat den polnischen Vorwurf des Täuschungsversuchs zwar zurückgewiesen, aber Probleme beim Panzer-Ringtausch selbst eingeräumt. In Prag erklärte sie am Dienstag, der Vertrag mit Tschechien über einen Ringtausch stehe kurz vor der Fertigstellung und könne Beispiel werden für Abmachungen mit weiteren Ländern.

Vor allem aus der SPD ist immer wieder die Klage darüber zu hören, dass die Bundeswehr in der langen Regierungszeit der Union kaputtgespart worden sei und keine weiteren schweren Waffen abgegeben werden könnten, ohne die Verteidigungsfähigkeit nach Nato-Vorgaben zu gefährden.

Selbst wer dem folgt, muss sich fragen lassen: Was ist mit den jeweils 100 Panzern vom Typ Leopard 1 und Marder, die deutsche Rüstungsproduzenten anbieten? Warum werden die beantragten Exportgenehmigungen nicht erteilt? Es wird Zeit, dass die Regierung die Widersprüche ausräumt, an denen nicht nur Kiew, sondern auch mancher Koalitionär verzweifelt.

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