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Wahlkampfauftakt der SPD: Als hätte es nie Zweifel an Olaf Scholz gegeben
Die Umfragewerte sind miserabel, um die Kür des Kandidaten gab es heftigen Streit. Doch die Sozialdemokraten jubeln Kanzler Scholz zu, als hätte es all den Zwist nie gegeben.
Stand:
Vielleicht klappt es ja, das Wahlpublikum mit demonstrativem Optimismus zu überzeugen. Die SPD versucht es zumindest und hat dem Treffen, mit dem sie am Sonnabend in den Wahlkampf startet, den Namen „Wahlsiegkonferenz“ gegeben.
Kandidierende aus der ganzen Republik sind nach Berlin ins Willy-Brandt-Haus gekommen, um sich einstimmen zu lassen. „Heute beginnt die Aufholjagd“, dieses Motto gibt der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil in seiner Rede aus.
Ein erstes positives Zeichen gibt es: Der Kanzler und Kandidat Olaf Scholz kann in der Direktwahlfrage gegenüber seinem Herausforderer Friedrich Merz (CDU) den Abstand verkürzen. Nach einer Insa-Umfrage für die „Bild“-Zeitung würden 22 Prozent der Menschen Scholz direkt zum Kanzler wählen, das sind sieben Prozentpunkte mehr als in der Vorwoche. 30 Prozent würden sich für Merz entscheiden (minus eins zur Vorwoche).
Trotzdem liegt die Union im Parteienvergleich weiter klar in Führung, mit unverändert 32 Prozent, während die SPD bei 15 Prozent steht. Die Sozialdemokraten sind also dringend darauf angewiesen, ihre Basis überall im Land zu motivieren.
Vermeide Alkohol beim Schreiben von Beiträgen und halte dich von Zynismus fern.
Aus dem SPD-Wahlkampfhandbuch
Im Wahlkampf-Handbuch, das die Parteiführung den Genossen an die Hand gibt, wird zum Thema Aufholjagd Fußball-Lyrik bemüht. „Spätestens seit Sportreporter-Legende Frank Buschmann wissen wir ja: Hinten wird die Ente fett!“, zitiert Generalsekretär Matthias Miersch.
Die Parteiführung hat für die 108 Seiten Handreichung so ziemlich alles bedacht. „Vermeide Alkohol beim Schreiben von Beiträgen und halte dich von Zynismus fern“ heißt es zum Beispiel im Abschnitt „Spielregeln für den Umgang mit Social Media“.
So motiviert der Kanzler die Basis
Noch ist nichts Derartiges schiefgegangen, und der Wahlkampf beginnt ja auch gerade erst. Im Willy-Brandt-Haus feiert die Parteibasis Scholz. Er zeigt sich siegesgewiss: „Da werden sich einige noch ganz schön wundern“, ruft der Kanzler.
Er gibt dem ehemaligen Koalitionspartner noch einmal einen mit. „Lindner und seine FDP haben die Arbeit der Bundesregierung über Monate hinweg systematisch sabotiert“, sagt er. „Sie wollten aktiv verhindern, dass diese Bundesregierung erfolgreich ist – eine Bundesregierung, der sie angehören. Das ist eigentlich völlig unfassbar. So etwas darf in Deutschland nie wieder passieren.“
Friedrich Merz muss aufpassen, dass er nicht der berühmteste Totalverweigerer dieses Landes wird.
Lars Klingbeil, SPD-Vorsitzender
Aber auch in Richtung des übrig gebliebenen Koalitionspartners teilt er aus: „Klimaschutz funktioniert eben nicht mit der grünen Brechstange.“ Natürlich greift er auch den Kanzlerkandidaten der Union an. „Unser Land ist längst viel weiter als Friedrich Merz und die seinen“, sagt Scholz.
Die beste Anti-Merz-Pointe aber hat vorher der Parteivorsitzende gesetzt. „Friedrich Merz muss aufpassen, dass er nicht der berühmteste Totalverweigerer dieses Landes wird“, hat Klingbeil gesagt: mit Blick auf Ideen zur Stärkung der Wirtschaft, bei denen die Sozialdemokraten die Union gern in die Pflicht nehmen würden.
Scholz präsentiert die Argumente, mit denen er im Wahlkampf für sich werben will, von der Renten- bis zur Gesundheitspolitik. Strafzahlungen, wenn Autohersteller Flottengrenzwerte nicht einhalten, wolle er „mit allen Mitteln“ verhindern. Es brauche einen Investitionsbonus: „Das wirkt sofort, das stärkt den Standort Deutschland.“
Familien hätten „Respekt“ und Entlastung verdient, statt Durchhalteparolen. Ohne die SPD drohe eine „Rentenkürzung durch Unterlassen“, wenn nämlich die derzeit bestehende Rentengarantie auslaufe.
Der Kanzler kommt auch auf den Ukraine-Krieg zu sprechen. Weder die „Kreml-Lautsprecher“ hätten recht, deren Ideen nur zu einer „Grabesruhe“ führen würden. Noch die „Heißsporne“ würden richtig liegen, die Russisch Roulette mit der Sicherheit Deutschlands spielen würden.
Ich werde in den nächsten 85 Tagen alles, aber auch wirklich alles geben, was ich nur geben kann.
Bundeskanzler Olaf Scholz
Dann zielt Scholz direkt aufs sozialdemokratische Herz. „Unsere Partei ist mir eine Heimat“, sagt er. „Ich werde in den nächsten 85 Tagen alles, aber auch wirklich alles geben, was ich nur geben kann.“
Und die Partei ist ganz bei ihm. Die Genossinnen und Genossen klatschen und jubeln, als hätte es die desaströse Kandidatendebatte, die lauten Rufe nach Verteidigungsminister Boris Pistorius, nie gegeben.
„Du bist der Richtige für Deutschland“: Das sagt Generalsekretär Miersch zum Kanzler nach dessen Rede. So ähnlich hat es auch die Parteivorsitzende Saskia Esken gesagt.
Was auch immer am 23. Februar herauskommt: Es ist nicht mehr nur das Ergebnis von Scholz. Es ist das Ergebnis der ganzen Partei.
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