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Warten statt Arbeiten: Der neue Bundestag gönnt sich eine Pause
Union und SPD wollen die Koalitionsverhandlungen abwarten, bevor das Parlament wieder tagt. Das ärgert die Opposition, dort sieht man die Arbeitsfähigkeit gefährdet.
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Sechs Wochen sind seit der Wahl des neuen Bundestags inzwischen vergangen. Wochen, in denen in der Welt und im Land viel passiert ist. Die Abgeordneten des neuen Bundestags haben seitdem wenig Kernarbeit geleistet.
Ein einziges Mal sind die 630 Mitglieder zur Konstituierung zusammengekommen und haben ein neues Präsidium gewählt, ansonsten befindet sich das Parlament im Wartestand.
Ein Zustand, der wohl noch eine Weile anhalten wird. Am Freitagmorgen beschloss der Vorältestenrat im Bundesrat, die geplanten Sitzungen in der kommenden Woche abzusetzen. Abgesehen von einer Feierstunde am 8. Mai anlässlich des 80. Jahrestags zum Ende des Zweiten Weltkriegs kommen die Abgeordneten regulär erst wieder am 12. Mai zusammen.
Vor allem die Oppositionsparteien schäumen, dass die Sitzung in der kommenden Woche mit den Stimmen von Union und SPD abgesetzt wurde: „Unglaublich, dass der gerade konstituierte Bundestag deshalb nicht mit seiner Arbeit beginnt“, sagte Christian Görke, parlamentarischer Geschäftsführer der Linken.
Es ist offensichtlich, dass der Bundestag nicht tagen darf, damit der Wahlbetrug der Union dem Volk nicht sichtbar gemacht wird.
Bernd Baumann, der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD, vermutet ein politisches Kalkül der Union.
Ihn ärgert, dass Schwarz-Rot noch vor zwei Wochen unter Hochdruck drei Grundgesetzänderungen zur Schuldenreform durchs alte Parlament „gedrückt“ habe. Und nun müssten die Abgeordneten darauf warten, bis die neue Regierung stehe.
Görke sieht es als seine Oppositionspflicht, die Regierung zu kontrollieren. „Aktuelle Anlässe wie die Zollpolitik des US-amerikanischen Präsidenten und die dramatische finanzielle Situation unserer Kommunen gibt es genug“, sagte er.
Auch die Einsetzung eines Hauptausschusses ist strittig
Noch größer ist der Ärger bei der AfD. „Der neue Bundestag ist völlig handlungsunfähig“, sagte der parlamentarische Geschäftsführer Bernd Baumann dem Tagesspiegel. Er hat bereits vor einigen Tagen einen Brief an die neue Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) sowie an die anderen Fraktionen geschrieben. Darin forderte Baumann die Einsetzung eines Hauptausschusses.
Dabei handelt es sich um einen Ausschuss, der in der Übergangsphase bis zu einer neuen Regierungsbildung die zentrale parlamentarische Arbeit regelt. Seit 2013 hatte es zu Beginn einer neuen Legislatur immer einen solchen Hauptausschuss gegeben, etwa um Bundeswehreinsätze zu verlängern oder Corona-Maßnahmen vorzubereiten.

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„Die Arbeit der Legislative kann im Sinne der Gewaltenteilung nicht davon abhängig sein, wann gegebenenfalls eine Exekutive zustande kommt“, hatte Baumann in dem Brief gefordert.
Im Gespräch gibt Baumann zu, dass seine Fraktion noch ganz andere Motive umtreiben: „Es ist offensichtlich, dass der Bundestag nicht tagen darf, damit der Wahlbetrug der Union dem Volk nicht sichtbar gemacht wird.“ Würde es Ausschüsse und Sitzungen geben, wolle die AfD Gesetzesvorhaben einbringen, die die Union eigentlich unterstützen müssten: eine Rücknahme des Heizungsgesetzes, die Zurückweisung von Geflüchteten an den Grenzen, die Rückkehr zur Atomkraft.
Das Kalkül: Die Union soll getrieben werden. Wenn die Koalitionsgespräche mit der SPD gelingen sollen, müssten die Konservativen alle Anträge ablehnen. Genau damit will Baumann den CDU-Chef vorführen: „Friedrich Merz hat im Wahlkampf Versprechen abgegeben, die er jetzt brechen will.“
Wir halten derzeit Sitzungen des Bundestages vor der absehbaren Regierungsbildung für nicht erforderlich.
Ein Unions-Sprecher
Als weniger dringlich sehen die Grünen die Einsetzung eines Hauptausschusses, weil aktuell keine zeitkritischen Beschlüsse anstehen würden. Doch auch dort sieht man es kritisch, dass der Bundestag erst lange nach der Osterpause wieder zusammenkommen soll. Vor einer „Hängepartie“ warnt Irene Mihalic, Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion.
Bei der Union sieht man das ganz anders: „Wir halten derzeit Sitzungen des Bundestages vor der absehbaren Regierungsbildung für nicht erforderlich“, sagte ein Sprecher der Fraktion dem Tagesspiegel. Es sei sinnvoller, mit der Bildung von Ausschüssen so lange zu warten, bis die Ressortzuschnitte im Koalitionsvertrag geklärt seien.
„Falls es kurzfristige dringliche Dinge gibt, kann der Bundestag jederzeit einberufen werden“, sagte der Unions-Sprecher. So lange haben die Abgeordneten Pause.
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