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Eine bewaffnete Drohne der US-Luftwaffe.

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Justiz und Drohnenkrieg: Warum es keinen Freiflug geben darf

Die Klagen gegen die umstrittene Nutzung der US-Air Base Ramstein sind abgewiesen. Das letzte Wort kann dies nicht sein. Ein Kommentar.

Jost Müller-Neuhof
Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

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Von allen Arten, einen Menschen zu töten, ist der Einsatz einer Drohne vermutlich die arroganteste. Der Täter sitzt Tausende Kilometer entfernt und steuert sein todbringendes Fluggerät auf ein Opfer, das sich keines Angriffs versieht. Für ihn ist es eine Bildschirmtat, für das Opfer brutale Wirklichkeit oder vielmehr deren Ende. Nicht selten sterben dabei Menschen, die nicht getroffen werden sollen – Familien, Kinder.

Es ist kein Wunder, dass Militärs weltweit auf diese Waffe schwören. In Theorie und Praxis am weitesten sind, wie oft in technischen Dingen, die Amerikaner. Der Drohnenkrieg ist die militärische Front in einem Krieg gegen den Terror, den die Amerikaner auch sonst an allen Fronten führen. Als ehemaligen Vizepräsidenten trifft den gewählten Präsidenten Joe Biden eine herausragende Mitverantwortung. Barack Obama war ein bekennender Drohnenkrieger. Nachfolger Trump war es auch, nur war er einer, der sich weniger bekannte; er stärkte hier wieder Prinzipien militärischer Geheimhaltung.

SPD hat ihren Widerstand aufgegeben

Die Zukunft der Drohne hat erst begonnen. Wer sich ihr politisch in die Flugbahn wirft, ist erledigt. Deshalb hat die SPD ihren Widerstand aufgegeben, Bundeswehrdrohnen aufzumunitionieren. Schon jetzt verschaffen sich deutsche Soldaten im Auslandseinsatz damit die nötige Übersicht.

Und bald auch die nötige Abwehrkraft. Natürlich wollen die Deutschen nicht gezielt töten, sie wollen sich gezielt schützen. Die Waffentechnik ist für beide Verwendungen ähnlich. Und es ist kein Geheimnis, dass auch Terroristen experimentieren. Leibwächter gab es gestern; gefährdete Personen könnten künftig eine Art Flugabwehr gebrauchen.

USA haben den Drohnenkrieg juristisch entfesselt

Den Amerikanern kommt das fragwürdige Verdienst zu, die Drohne mit der Proklamation eines weltweit andauernden „Kriegs gegen den Terror“ rechtlich entfesselt zu haben. Wer hegt ihn wieder ein? Jedenfalls nicht das deutsche Bundesverwaltungsgericht, das jetzt die Klage dreier jemenitischer Staatsbürger abgewiesen hat.

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Sie warfen der Bundesrepublik eine stille Komplizenschaft vor, weil sie es duldet, dass die USA ihre Air Base Ramstein in Rheinland-Pfalz als Funkstation für die Einsätze nutzen. Sie beriefen sich dafür auf die Grundrechte in der deutschen Verfassung, die Leben schützen; Verwandte von ihnen hatten ihres schon bei Drohnenangriffen verloren.

Grundrechte gelten auch für Ausländer

Grundrechte gelten auch für Ausländer. Und sie gelten für diese auch im Ausland, wenn der Grundrechtseingriff einen hinreichenden Bezug zu Deutschland aufweist. Das sei nicht der Fall, meinten die Richter. Ramstein sei eine Maschine, soll heißen: Wenn Völkerrecht gebrochen wird, dann indem die Maschine von den USA aus bedient wird.

Daran kann man zweifeln, weil sich die deutsche Regierung diese Maschine sozusagen ins eigene Wohnzimmer stellen ließ. Das Argument des Leipziger Gerichts wirkt hier formalistisch. Es findet auch keine Haltung zu Völkerrechtsfragen außer jener, dass man hier vielfacher und geteilter Auffassung sein kann.

Gericht verschont Politik von Zwängen des Rechts

Das ist etwas wenig; die Vorinstanz, das Oberverwaltungsgericht Münster, hatte noch klargestellt, das von den Amerikanern behauptete Recht auf präventive Selbstverteidigung zu jeder Zeit und an allen Orten finde im Völkerrecht keine Grundlage. Die Bundesregierung wurde verpflichtet, bei den USA auf Rechtskonformität der Einsätze zu dringen.

Darauf verzichtet das Bundesverwaltungsgericht. Es verschont die Politik von Zwängen des Rechts. Die Bundesregierung habe sich ausreichend bemüht, man könne Außenpolitik nicht gerichtlich diktieren. Also Ruhe um Ramstein? Die Drohne hat keine Grenzen. Deshalb braucht sie Regeln. Das höchste deutsche Gericht hat vermutlich eine Chance dafür vertan. Aber man sollte die schriftlichen Urteilsgründe abwarten; vielleicht steckt Stoff drin – für die nächste Klage.

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