zum Hauptinhalt
Ein Einwohner von Sjewjerodoneszk läuft an einem zerstörten Gebäude vorbei.

© REUTERS/Serhii Nuzhnenko/File Photo/File Photo

Tag 112 des Ukraine-Kriegs: Warum Sjewjerodonezk strategisch wichtiger ist als Mariupol

Der Kampf um das „Tor zur Donbass-Region“, Gazprom kürzt erneut Lieferungen und weitere Entwicklungen des Tages. Der Überblick am Abend.

Britische Geheimdienste gehen inzwischen davon aus, dass Russland den Großteil von Sjewjerodonezk unter seine Kontrolle gebracht hat. Doch die ukrainischen Soldaten geben sich noch nicht völlig geschlagen, neben Hunderten Zivilisten sollen sich viele noch im Azot-Chemiewerk befinden (mehr dazu in unseren Leseempfehlungen). Als Tor zur Donbass-Region habe die Stadt eine „noch größere militärische Bedeutung“ als etwa Mariupol, schätzt William Schneider von der US-Denkfabrik Hudson Institut gegenüber der Nachrichtenagentur AFP die Lage ein.

[Diesen Überblick können Sie werktäglich jeden Abend als Newsletter direkt in ihr Postfach bekommen - unter diesem Link können sie sich kostenlos anmelden.]

Dass Russland scheinbar insgesamt wieder an Stärke gewinnt, erklärt sich der Militärexperte Gustav Gressel im Gespräch mit meinem Kollegen Christoph von Marschall unter anderem damit, dass die ukrainischen Kräfte, die in den Osten verlegt wurden, nicht mehr so standfest und unerfahrener seien. Russland wiederum habe taktisch dazugelernt. Das ganze Interview finden Sie hier. Darin spricht Gressel auch über das Problem der stockenden Militärhilfe des Westens.

Diese stockende Hilfe wird sicherlich eines der Themen sein, wenn morgen die Reise von Olaf Scholz mit Emmanuel Macron und Mario Draghi nach Kiew stattfinden soll. So sagte etwa der Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, Mychajlo Podoljak, dem „Spiegel“, mit Versprechungen könne man nicht kämpfen – und dass er hoffe, „dass die Staats- und Regierungschefs, wenn sie hierherkommen, den Krieg spüren werden“. 

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg jedenfalls hat heute schon einmal gesagt, dass die Nato-Staaten weiter schwere Waffen an die Ukraine liefern wollen.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages im Überblick:

  • Der russische Energiekonzern Gazprom reduziert die maximalen Gasliefermengen durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 nach Deutschland erneut. Zuvor hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck die Drosselungen als „politische Entscheidung“ moniert. Mehr dazu lesen Sie hier.
  • Russland und China wollen nach Kreml-Angaben angesichts der westlichen Sanktionen ihre wirtschaftliche Zusammenarbeit verstärken. Dies hätten Wladimir Putin und Xi Jinping bei einem Telefongespräch vereinbart worden. Mehr dazu in unserem Newsblog.
  • Seit Beginn der Sanktionen hat Deutschland russische Vermögenswerte von 4,48 Milliarden Euro eingefroren. Dazu zählten unter anderem Zentralbankguthaben, aber auch unternehmerische Beteiligungen, sagte Finanzminister Christian Lindner. 
  • In von Russland besetzten Gebieten in der Ukraine sollen Kinder aus Heimen verschwunden sein. Hinweise dazu hat die Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrats bei ihrem Besuch in der Ukraine erhalten. 
  • Die Nato-Staaten werden nach den Worten von Generalsekretär Jens Stoltenberg der Ukraine weiterhin schwere Waffen liefern. Er erwarte, dass auf dem Nato-Gipfel Ende Juni ein neues Hilfspaket vereinbart werde.
  • Europa muss Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zufolge ein klares politisches Signal an die Ukraine senden. Dazu sei Einigkeit untereinander notwendig, sagte er. Er sagte zudem, sie alle wollten, dass es eine Feuerpause gebe und die Verhandlungen wieder aufgenommen würden.
  • Deutschland will der Ukraine einem Bericht zufolge drei statt der bisher im Gespräch gewesenen vier Mars-II-Raketenwerfer liefern.Das berichtet der „Busines Insider“.

Hintergründe und Analysen:

1. Erdoğans Erfolgsmodell, gebaut von seinem Schwiegersohn: Die „Wunderwaffe“, die der Ukraine Hoffnung schenkt (T+)

Günstig, effektiv, vielseitig. Die türkische Drohne Bayraktar TB2 wird in der Ukraine teils kultisch gefeiert. Davon profitiert vor allem einer: Präsident Erdoğan.

2. Vor dem Besuch in KiewScholz, Macron und Draghi suchen den einfachen Ausweg

Selenskyj träumt von der Eroberung der Krim, die Besucher von einer Verhandlungslösung. Die wahre Frage: Wie verhindern sie den nächsten Krieg? Ein Kommentar.

3. Azot-Fabrik im DonbassEin Chemiewerk wird zum Mittelpunkt der Kämpfe um Sjewjerodonezk

Hunderte Zivilisten sollen noch auf dem Fabrikgelände ausharren. Der Fall Azot erinnert stark an die Azovstal-Ereignisse. Ein Überblick.

4. Als Geflüchtete auf Arbeitssuche: Diese fünf ukrainischen Frauen haben den Jobeinstieg in Deutschland geschafft

Tierärztin, Köchin, Psychologin, Ballerina und Designerin: Wie Ukrainerinnen ihre neue Arbeit in Deutschland organisiert haben.

Dana Schülbe

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false