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Mieter sollen sich besser gegen überhöhte Mieten zur Wehr setzen können.

© Kitty Kleist-Heinrich, TSP

Wohnungsnot: Was bringt eine schärfere Mietpreisbremse für die Mieter?

Preiswerter Wohnraum wird immer knapper. Jetzt will Justizministerin Katarina Barley das Gesetz gegen überteuerte Mieten verschärfen. Fragen und Antworten zu ihren Plänen.

Große Aufregung in der GroKo: Auf den Entwurf zur Verschärfung der Mietpreisbremse aus dem Hause der neuen Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) reagieren die Rechtsexperten des Koalitionspartners CDU empört. Dabei geht der Entwurf bei weitem nicht so weit wie das, was etwa der Berliner Senat in seiner Bundesratsinitiative fordert, um die steigenden Mieten in Großstädten zu stoppen.

Was regelt die Mietpreisbremse bisher?

Sie legt den Spielraum für Mieterhöhungen von Wohnungen im Bestand im Falle eines Mieterwechsels fest. Sie gilt aber nur in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt und jeweils für maximal fünf Jahre. Die Miete darf dort auf die Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete angehoben werden, zuzüglich 10 Prozent. Ausgenommen sind neu errichtete Wohnungen, worunter alle Neubauten ab Oktober 2014 fallen. Außerdem muss die Miete für Wohnungen, die bereits vor Inkrafttreten der Bremse zu einer höheren Miete vermietet waren, nicht gesenkt werden. Es gilt Bestandsschutz. Eine weitere Ausnahmeregelung gilt für umfassend modernisierte Wohnungen. „Umfassend“ heißt, dass beim Umbau ein Drittel der Kosten anfielen, die für die Errichtung eines vergleichbaren Neubaus fällig geworden wären.

Die Mietpreisbremse wird wegen der vielen Ausnahmeregelungen als Symbolpolitik gescholten, zu Recht?

Angesichts der Entwicklung der Berliner Mieten ganz sicher: Die „Angebotsmieten“ stiegen um 8,8 Prozent, so der „Wohnungsmarktreport“ von Berlin-Hyp und CBRE-Makler – innerhalb eines einzigen Jahres.

Was steht in der Gesetzesreform der Bundesjustizministerin?

Im Kern geht es um mehr Schutz für Mieter im Fall von Modernisierungen, geringere Umlagen der Baukosten und mehr Transparenz. So schreibt Barley eine „neue vorvertragliche Auskunftsverpflichtung des Vermieters“ über die zuvor erzielte Miete ins Gesetz. Damit geht die Ministerin auf einen der wesentlichen Kritikpunkte an der bestehenden Preisbremse ein. Bisher muss der Mieter erfragen, warum mehr Miete verlangt wird als nach den Regeln zulässig. Er konnte die dann vom Vermieter gemachten Angaben (umfangreiche Modernisierung; oder Bestandsschutz früherer Verträge beispielsweise) nur schwer überprüfen.

Was ändert sich bei der Umlage von Kosten im Falle einer Modernisierung?

Die Umlage von Modernisierungskosten sinkt von bisher elf Prozent auf acht Prozent für die Dauer von fünf Jahren. Aber es dürfen außerdem maximal drei Euro je Quadratmeter mehr Miete verlangt werden für die Dauer von sechs Jahren nach der Modernisierung. Käufer von Immobilien in Berlin modernisieren gern nach dem Erwerb die Häuser, weil sie auf diesem Weg schnell höhere Mieten erzielen können. Viele Mieter können die höheren Mieten nicht bezahlen und müssen ausziehen.

Ist deshalb das Justizministerium bei der Formulierung des Entwurfs einbezogen worden?

Ja, im Gesetz heißt es ausdrücklich, dass der Verdrängung von Mietern, der „Gentrifizierung“ und „Herausmodernisierung“ vorgebeugt werden soll. Dazu wird „ein neuer Ordnungwidrigkeitentatbestand“ in das Wirtschaftsstrafgesetz aufgenommen. Dieser greift, wenn der Vermieter „bauliche Veränderungen in der Absicht“ durchführt, „den Mieter zur Kündigung zu veranlassen“. Hintergrund sind Klagen von Mietern über unangekündigte Arbeiten, undurchsichtige Kalkulationen von Umlagen sowie Lärm oder sogar „zufällig“ gekappte Versorgungsleitungen bei Sanierungsarbeiten. Das Gesetz hält es künftig sogar für gegeben, dass ein Hausbesitzer einen Mieter verdrängen will, wenn er „zwölf Monate nach Zugang der Ankündigung“ nicht mit der baulichen Veränderung beginnt. Dem Vermieter drohen drakonische Strafen: „Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 100.000 Euro geahndet werden“.

Was sagt die CDU dazu?

„Die Bundesjustizministerin torpediert das Gesetzgebungsverfahren zum Mietrecht“, schimpft Wohnungsmarkt- und Rechtsexperte Jan-Marco Luczak. „Unprofessionelles Verhalten“ wirft er Barley vor, weil die Ressortabstimmung noch in vollem Gange sei und der Entwurf nicht abgestimmt. In der Sache lehnt Luczak die vorvertragliche Auskunftspflicht der Vermieter ab. Statt dieser generellen Auskunftspflicht fordert er eine begrenzte für solche Fälle, in denen sich Vermieter auf eine höhere Vormiete berufen als nach Mietpreisbremse zulässig. Auch die generelle Absenkung der Modernisierungsumlage lehnt Luczak ab. Er will diese nur in Ballungsgebieten. „Schwammig“ und nicht praktisch handhabbar nennt er die Regelungen gegen Gentrifizierung und „Herausmodernisieren“ von Altmietern.

Wie bewerten Mietervertreter die Novelle?

Als „ersten kleinen Schritt in die richtige Richtung“, so Direktor Lukas Siebenkotten. Die Verbesserungen für Mieter reichten nicht aus und gingen nicht weit genug. Die umfassende Auskunftspflicht des Vermieters sei zwar gut, „an der eigentlichen Problematik der Mietpreisbremse“ ändere dieser aber nichts. Damit spielt er auf die vielen Ausnahmeregelungen an, mit denen die Mietpreisbremse umgangen werden kann: durch die Möblierung einer Wohnung zum Beispiel, durch den Bestandsschutz überhöhter Altmieten und durch Modernisierungen. Nicht ausreichend sei auch die Senkung der Modernisierungsumlage auf acht Prozent sowie deren Kappung auf drei Euro je Quadratmeter: „Für viele Mieter bedeutet das letztlich Mieterhöhungen bis zu 50 Prozent.“

Bringt das etwas für die Berliner und wie reagiert der Berliner Senat?

Der Rot-Rot-Grüne Senat hatte seine Antwort bereits vor drei Wochen gegeben mit einem eigenen Gesetzesentwurf zur Verschärfung des Mietrechts. Diesen Entwurf beschloss der Senat kurz nach der Demonstration von Zehntausenden gegen den „Mietenwahnsinn“ in der Stadt und will ihn als Initiative in den Bundesrat einbringen. Findet der Senatsvorschlag eine Mehrheit würde auch der Bund diese radikale Variante der Mietpreisbremse verhandeln müssen.

Was ist am Berliner Vorschlag so radikal?

Es sollen alle Ausnahmeregelungen, wegen derer die Mietpreisbremse bisher als wirkungslos gilt, gestrichen werden. Darüber hinaus sollen noch stärkere Kappungen des Spielraums für Mieterhöhungen eingeführt werden. Die Bremse würde möblierte Wohnungen einschließen, umfassend modernisierte Wohnungen ebenso und der Bestandsschutz für hohe Altmieten würde gestrichen. Modernisierungskosten dürften maximal mit zwei Euro je Quadratmeter innerhalb von acht Jahren umgelegt werden. Die Umlage würde von elf auf sechs Prozent (statt acht im Barley-Entwurf) gesenkt. Er würde entfallen, sobald die Kosten refinanziert sind. Fristlose Kündigungen wären unwirksam, wenn Mietrückstände rechtzeitig bezahlt werden. Mieterhöhungen können ausschließlich mit dem Mietspiegel begründet werden (und nicht mit Gutachten). Mieterhöhungen bis zum Ortsüblichen werden auf 15 Prozent innerhalb von fünf (statt drei) Jahren begrenzt. Geänderte Mieten und Mieterhöhungen der letzten zehn (statt vier) Jahre fließen in den Mietspiegel ein. Die Regeln zur Aufstellung des Mietspiegels werden genau festgelegt und bundeseinheitlich geregelt.

Hat sich die Opposition im Bundestag schon zu Barleys Entwurf geäußert?

Ja, die Sprecherin für Finanzpolitik der Grünen Lisa Paus wies die Kritik der CDU scharf zurück: „Die Union versucht jede noch so kleine Verbesserung des Mietrechts zu verhindern. Die Immobilienwirtschaft boomt, während die Mieten explodieren.“ Die Mietpreisbremse drohe weiter „löchrig wie ein Schweizer Käse“ zu bleiben. Alle Ausnahmen und Schlupflöcher gehörten abgeschafft. Die Mietenpolitische Sprecherin der Grünen in Berlin kritisiert: „Die Bundesregierung hat anscheinend keine Ahnung von der Lebensrealität der Mieter in den Städten. Das ist größtenteils Symbolpolitik.“ Das Schlupfloch, das möblierte Wohnungen nicht einbezogen sind, erschwere auch die Durchsetzung des Zweckentfremdungsverbots. Dass Eigentümern bei Verstößen keinerlei Sanktionen drohten, öffne dem Missbrauch Tür und Tor. Die Kappung der Modernisierungsumlage auf drei Euro sei ungenügend, die meisten Menschen könnten sich nicht mal zwei Euro mehr Miete leisten.

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