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Stahlproduktion bei ThyssenKrupp Steel Europe in Dusiburg

© imago images/Rupert Oberhäuser/Rupert OberhA user, via www.imago-images.de

Update

Wegen Absage an „grünen Stahl“: Grüne und SPD werfen Merz vor, Industriestandort zu gefährden

Der CDU-Kanzlerkandidat glaubt nicht an den raschen, grünen Umbau der Branche dank Wasserstoff. Das bedeute das Ende der Stahlproduktion in Deutschland, warnt sein Grünen-Kontrahent.

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Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck hat CDU-Chef Friedrich Merz vorgeworfen, mit seiner Absage an „grünen Stahl“ den Industriestandort Deutschland zu gefährden. „Dahinter steht die Frage: Hat die industrielle Produktion in Deutschland eine Zukunft?“, sagte Habeck am Dienstag zum Auftakt der Klausurtagung des erweiterten Grünen-Fraktionsvorstands in Berlin.

Er wies darauf hin, dass es für mit fossilen Energieträgern hergestellten „schwarzen Stahl“ künftig keinen Markt mehr geben werde. Die Stahlproduktion in Deutschland würde dann auslaufen, wenn mit Kohle produzierter Stahl in den 2030er Jahren keine Chance mehr auf den Weltmärkten habe.

Habeck verwies dabei auf Forderungen von Stahlherstellern, Unternehmensverbänden und Gewerkschaften, die Herstellung von „grünem Stahl“ zu unterstützen. Insofern seien die Aussagen von Merz „ein Schlag in das Gesicht der Beschäftigten“ in der Stahlindustrie.

Auch andere Staaten wie die USA oder China hätten sich „längst auf den Weg gemacht“, die Dekarbonisierung der Stahlherstellung voranzutreiben. Wenn Deutschland das nicht tue, dann „heißt das, dass die Stahlproduktion in Deutschland verschwindet“.

„Deutschland muss ein Industrieland bleiben“, sagte Habeck, der noch Wirtschaftsminister ist. „Dazu muss es sich weiterentwickeln.“ Deutschland dürfe Probleme nicht aussitzen, sondern müsse sie angehen.

Unions-Kanzlerkandidat Merz hatte am Montag bei der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) in Bochum davor gewarnt, die Stahlherstellung durch eine ökologische Transformation zu verteuern. „Ich glaube persönlich nicht daran, dass der schnelle Wechsel hin zum Wasserstoff-betriebenen Stahlwerk erfolgreich sein wird“, sagte er und verwies dabei auf die mangelnde Verfügbarkeit des Energieträgers: „Wo soll der Wasserstoff denn herkommen?“

Es gebe auch andere Möglichkeiten – wie etwa die Abscheidung oder Speicherung des Klimagases CO₂. Es dürfe keine „ideologische Festlegungen“ in der Industriepolitik geben, so Merz.

Scharfe Kritik an seinen Worten kam auch aus der SPD. Merz „legt die Axt an die Stahlindustrie“, sagte Saar-Ministerpräsidentin Anke Rehlinger dem „stern“. Sie warf Merz beim Stahl fehlende industriepolitische Kompetenz vor.

Ähnlich äußerte sich SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich: „Friedrich Merz ist ein Politiker von gestern“, sagte er ebenfalls dem „stern“. „Nachdem er die Autoindustrie auf den Pfad zum Verbrenner zwingen will, positioniert er sich jetzt gegen die Zukunft der Stahlindustrie.“

Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge warnte auch grundsätzlich vor einer Abkehr von ambitioniertem Klimaschutz. „Es gibt keine andere Option als zu handeln“, sagte sie mit Blick auf immer drastischere Folgen der globalen Erwärmung, darunter aktuell auch die verheerenden Brände im Großraum Los Angeles.

Dröge rief daher die Union auf, noch im Bundestag liegende Gesetzentwürfe zum Ausbau erneuerbarer Energien und zur Förderung der Elektromobilität zu unterstützen. Mit Blick auf Merz sagte Dröge, der Kanzlerkandidat der Union sage nicht nur de facto den Stahlarbeitern: „Eure Jobs interessieren mich nicht mehr.“ Er führe auch „einen sinnlosen Kampf“ gegen Elektromobilität und die damit verbundenen Arbeitsplätze in Deutschland.

Dröge warb für eine sozial ausgerichtete Förderung des Leasings von E-Autos in Verbindung mit der Förderung umweltfreundlicher Alternativen zum Autoverkehr. Konkret nannte sie den Fortbestand des Deutschlandtickets zum bisherigen Preis von 49 Euro sowie ein generelles Tempolimit auf Autobahnen.

Umbau der Stahlbranche

Vor allem auf Basis erneuerbarer Energien aus Wind und Sonne hergestellter „grüner“ Wasserstoff soll im Energiesystem der Zukunft eine tragende Rolle spielen. Scholz verwies auf Fortschritte beim Ausbau der Wind- und Solarenergie in Deutschland.

Die Stahlindustrie ist einer der größten CO₂-Emittenten. Die Bundesregierung fördert den „grünen“ Umbau mit Milliardensummen. Die Stahlindustrie ist dafür auf große Mengen von Wasserstoff angewiesen.

Beim Aufbau eines Versorgungsnetzes aber drohen Verzögerungen. So hatte Thyssenkrupp-Chef Miguel López einen schnelleren Aufbau eines Wasserstoff-Pipelinenetzes in Europa gefordert.

Jürgen Kerner, Zweiter Vorsitzender der IG Metall, sagte zu den Aussagen von Merz: „Wer nicht an grünen Stahl glaubt, befördert das Ende der Stahlindustrie in Deutschland – mit fatalen Wirkungen weit über die Branche hinaus. Wir würden Zehntausende Arbeitsplätze verlieren und uns bei einem der wichtigsten Grundstoffe in eine gefährliche Abhängigkeit vor allem von China begeben.“ Die Industrie müsse in Zukunft klimafreundlich produzieren.

Mit Blick auf die Verfügbarkeit bezahlbaren Wasserstoffs sagte Kerner: „Wir erwarten von der deutschen und europäischen Politik Flexibilität.“ Es könne schon 80 Prozent CO₂-Einsparung erreicht werden, wenn die neuen Anlagen in einem ersten Schritt zunächst mit Gas betrieben werden. „Grüner Wasserstoff kann dann zum Einsatz kommen, sobald er bezahlbar zur Verfügung steht.“ (AFP, Reuters, dpa)

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