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Kein Reformwille, aber CSU-Wahlgeschenke: Dieser Koalitionsausschuss muss dem Kanzler eine Warnung sein
Bislang punktete Friedrich Merz vor allem auf dem internationalen Parkett. Der zweite Koalitionsausschuss zeigt, dass sich der Kanzler stärker im Inland engagieren muss.

Stand:
Nach mehr als fünf Stunden im Kanzleramt verzichteten die Spitzen von CDU, CSU und SPD auf eine Pressekonferenz. Wohl aus Kalkül. Denn viel hätte der Kanzler der Bevölkerung auch nicht präsentieren können.
Bei der Stromsteuer bleibt es beim Wortbruch der Koalition, die eigentlich so rasch wie möglich „für alle“ die Abgabe senken wollte. Von der Entlastung profitieren nun doch nur die Industrie und Landwirtschaft sowie Betriebe mit hohem Energieverbrauch. Die Verbraucher wolle man entlasten, „sobald hierfür finanzielle Spielräume bestehen“.
Ein Stück weit klingt das nachvollziehbar, Geschenke müssen gegenfinanziert sein. Und immerhin profitieren die Privathaushalte bereits von der Abschaffung der Gasspeicherumlage und der Absenkung der Netzentgelte. Weil kein Ausgleich für die 5,4 Milliarden teure Absenkung der Stromsteuer gefunden wurde, blieb Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) hart.
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Doch dass es der Koalition nicht um eine solide Haushaltsführung geht, zeigt sich bei der „großen Rentenreform“, von der im Beschlusspapier vollmundig die Rede ist. Statt der dringend notwendigen Reformen wollen Union und SPD hier immer mehr Geld ins System pumpen. Die Probleme werden an die nächste Generation weitergereicht.
Söder hält sein Wort, Merz nicht
Die Mütterrente – das Wahlkampfversprechen der CSU – soll nun sogar schon 2027 kommen und damit ein Jahr früher als bisher vom Arbeitsministerium geplant. Es scheint, als hätte das Wort des bayrischen Ministerpräsidenten mehr Gewicht als das des Bundeskanzlers.
Nicht nur deshalb muss dieser zweite Koalitionsausschuss für Friedrich Merz eine Warnung sein.
Die öffentlichen Querelen in den vergangenen Tagen dürften Merz vor Augen geführt haben, wie aufwendig es ist, eine Koalition geräuschlos zu führen. Bei der Stromsteuer stimmten er und sein Finanzminister sich zu wenig mit den Bundestagsfraktionen und den Ländern ab, woraufhin sich vor allem die Union mit Kritik nicht zurückhielt.
In der SPD fühlte man sich bereits an die Ampel-Jahre erinnert, als gemeinsam getroffene Kompromisse im Kabinett prompt in aller Öffentlichkeit wieder von den Parteien aufgeschnürt wurden. Hier zeigte sich, dass sowohl das Team Merz als auch das Team Klingbeil noch kaum Regierungserfahrung besitzt.
Es braucht Reformen. Die hat der Koalitionsausschuss jedoch weiterhin nicht angeschoben.
Felix Hackenbruch
Vor allem die beiden Chefverhandler von Merz und Klingbeil, Kanzleramtschef Thorsten Frei und Staatssekretär Björn Böhning, müssen sich in Zukunft enger abstimmen und stärker in ihre Parteien koordinieren. Dass Frei den wichtigen Koalitionsausschuss für einen Wahlkreistermin bei der Sparkasse schwänzte, irritiert da zusätzlich.

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Doch es braucht auch mehr Präsenz von Merz. In den ersten Wochen seiner Kanzlerschaft punktete Merz auf dem internationalen Parkett. Paris, Warschau, Kiew, Washington. G7-Gipfel in Kanada, Nato-Gipfel in den Niederlanden, EU-Gipfel in Brüssel. Nur in Berlin machte sich der Sauerländer Merz rar.
Zwar war es durchaus wohltuend, dass ein deutscher Kanzler in Europa wieder eine Führungsrolle sucht, sich um ein stabiles Arbeitsverhältnis mit dem erratischen US-Präsidenten bemüht und sich vehement für eine stärkere Verteidigung der Europäer einsetzt.
Doch der Kanzler wird auch im Inland gebraucht, zumal in diesen Zeiten. Das Land steckt wirtschaftlich in der Rezession. Mit dem Geld des Sondervermögens und den unbegrenzten Rüstungstöpfen allein wird sich das nicht ändern.
Es braucht Reformen. Die hat der Koalitionsausschuss jedoch weiterhin nicht angeschoben. Das Bürgergeld, dessen Kosten immer mehr aus dem Ruder laufen, wurde im Beschlussdokument nicht einmal erwähnt. Stattdessen will man den Verschuldungsspielraum der Länder vergrößern.
So bekommen die Wachstumsbemühungen der Koalition eine gefährliche Schlagseite. Der Kanzler muss sich hier tiefer einarbeiten und mehr Führung zeigen. Dann kann Merz beim nächsten Koalitionsausschuss auch etwas präsentieren.
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