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Politik: Wenig Strahlkraft im Rotlicht

Leyen zieht ernüchternde Bilanz des Prostitutionsgesetzes – und will auch Freier zur Verantwortung ziehen

Berlin - Das Prostitutionsgesetz hat die Lebenssituation der Prostituierten und Strichjungen in Deutschland praktisch nicht verbessert – eine solch ernüchternde Bilanz hat Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) in einem Bericht gezogen, der die Auswirkungen des Gesetzes untersuchte. Am Mittwoch wurde er vom Kabinett beschlossen.

2002 war das Prostitutionsgesetz von der rot-grünen Koalition in Kraft gesetzt worden. Seither wird nicht mehr die Förderung der Prostitution bestraft, sondern lediglich die Ausbeutung von Prostituierten. Der Koalition schwebte damals vor, geordnete Beschäftigungverhältnisse für die geschätzt rund 400 000 Prostituierten in Deutschland zu schaffen. Etwa, indem sie sozialversichert werden und rechtlich gegen Freier und Bordellbesitzer vorgehen können.

Fünf Jahre später zeigt sich: Kaum eine Prostituierte nutzt ihre neuen Rechte. Nur ein Prozent von ihnen besitzt einen Arbeitsvertrag – der theoretisch lediglich Ort und Arbeitszeit festlegen darf, nicht jedoch mit wem und wie der Sex stattfindet. Zwar sind immerhin 87 Prozent der Prostituierten krankenversichert, ein Drittel von ihnen jedoch als Familienangehörige, nicht unter ihrer Berufsbezeichnung. Besonders negativ: Das Gesetz trägt nicht dazu bei, die Kriminalität im Umfeld der Prostitution zu verringern. Diesen Schluss ziehen die drei wissenschaftlichen Gutachten, mit denen Leyen die Folgen des Gesetzes untersuchen ließ. „Wir müssen deshalb weiter daran arbeiten, den Schutz der Prostituierten erheblich zu verbessern und die Prostitution wirkungsvoller zu kontrollieren“, sagte sie.

Erste Gesetzentwürfe dazu werden vorbereitet. Sie sehen vor, Freier sehr viel stärker zur Verantwortung zu ziehen. Wer etwa Sex mit einer Zwangsprostituierten hat, wird künftig strafrechtlich verfolgt. Allerdings: Ob sich eine Frau freiwillig prostituiert oder nicht, dürfte für Freier schwer herauszufinden sein. Leyen glaubt, Indizien ausmachen zu können: „Wenn eine Frau kaum Deutsch spricht und blaue Flecken hat, sollten die Freier misstrauisch werden.“ Wer auf eine solche Frau treffe und dies anzeige, werde nicht bestraft.

Konkrete Pläne liegen auch für den Schutz von minderjährigen Prostituierten vor. Wer bisher Sex mit einer 16-jährigen Prostituierten hatte, wurde nicht bestraft. Vom Frühjahr an wird diese Rechtslücke geschlossen und das zulässige Alter für Prostitution auf 18 Jahre angehoben. Wenn ein Freier dagegen verstößt, muss er mit einer Haftststrafe von fünf Jahren rechnen.

Bislang ist es für die Polizei nicht leicht, Zwangsprostituierte und Minderjährige in Bordellen zu entdecken. Wer ein solches Etablissement betreibt,brauchte bislang keine Erlaubnis – im Gegensatz zu einem Bierzelt, das nach dem Gaststätten- und Gewerberecht genehmigt werden muss. Das will die Ministerin ändern. Künftig sollen auch Bordelle als Gewerbe angemeldet werden müssen, damit die Polizei rund um die Uhr kontrollieren kann. Doch ein solcher Rechtsbereich ist Ländersache. Leyen hofft, dass die Bundesländer einheitliche Regelungen treffen. „Denn im Gewerberecht liegt der Schlüssel, um Zugang ins Milieu zu bekommen. Dann können wir Bordellbesitzer und Freier besser kontrollieren, ohne zu Lasten der Prostituierten zu arbeiten“, sagte sie. Am Mittwoch führte sie erste Gespräche mit Vertretern Bayerns. Geht es nach ihrem Entwurf, soll die Förderung der Prostitution wieder bestraft werden. So weit will die Ministerin aber nicht gehen. „Unser wichtigstes Ziel bleibt, den Ausstieg aus der Prostitution zu ermöglichen“, sagte Leyen, „denn viele Frauen wollen lieber heute als morgen aufhören.“ Allerdings ist die Arbeit von Fachberatungen und Streetworkern ebenfalls Ländersache. Die Bundesregierung will entsprechende Modellprojekte fördern.

Erschwert werden dürfte Leyens Ziel durch die Praxis: Denn mehr als die Hälfte der Prostituierten sind Migrantinnen, viele von ihnen werden zur Prostitution gezwungen. Sie werden sich also kaum freiwillig melden. Schon gar nicht, wenn ihnen Abschiebung aus Deutschland droht.

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