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Autoverkehr in Berlin.

© Michael Kappeler / dpa

Update

Weniger Fußgängerzonen, dafür mehr kostenloses Parken: Grüne und SPD empört über „Auto-Plan“ der FDP – „gefährlicher Irrglaube“

Um die Innenstädte zu beleben, setzt sich die FDP für ein deutschlandweites „Flatrate-Parken“ ein. Der sogenannte „Auto-Plan“ der Liberalen stößt bei den Koalitionspartnern auf heftige Kritik.

Stand:

Ein neues Papier der FDP zu Mobilität hat am Montag für starke Kritik gesorgt. Die Liberalen setzen in ihrem Vorschlag auf mehr kostenloses Parken in Innenstädten oder alternativ ein deutschlandweites „Flatrate-Parken“. Zudem sollen weniger Fußgängerzonen und Fahrradstraßen eingerichtet werden, um Autos in den Städten mehr Raum zu geben.

„Autos gegen Fußgänger zu stellen ist nicht sinnvoll“, sagte Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch am Montag der Nachrichtenagentur AFP. „Es ist ein gefährlicher Irrglaube, dass man mit mehr Autoverkehr mehr wirtschaftliche Stärke in den Innenstädten schafft“, warnte auch Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne).

„Worum es doch eigentlich geht, ist alle zusammen zu denken, um weniger Stau in den Städten und mehr Freiraum für alle“, mahnte Audretsch. „Das geht nur mit Investitionen, in Infrastruktur, in Busse und Bahnen oder in die Sanierung von Brücken.“ Bei den laufenden Haushaltsverhandlungen könnten FDP-Chef Christian Lindner und Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) „beweisen, dass sie es ernst meinen mit einer guten Mobilität für alle“, forderte der Grünen-Politiker.

Eine Politik rein für das Auto bedeutet eine Gefahr für den Standort und Einzelhandel

Belit Onay, Oberbürgermeister von Hannover, Bündnis 90 / Die Grünen

Ein entscheidender Hebel für eine Belebung der Innenstädte sei nicht mehr Autoverkehr, sagte Hannovers Bürgermeister Onay den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Eine Politik rein für das Auto bedeutet eine Gefahr für den Standort und Einzelhandel“, warnte der Oberbürgermeister. Dies sei in den Kommunen auch parteiübergreifend Konsens, verwies er auf diesbezügliche Stellungnahmen etwa des Deutschen Städtetages sowie auch auf Ergebnisse wissenschaftlicher Studien zu dem Thema.

Gegen die Konkurrenz des Online-Handels könnten Geschäfte in den Innenstädten nur bestehen, „wenn die Leute gern dort sind“, hob Onay weiter hervor. Zwar sei wichtig, dass Innenstädte auch mit dem Auto erreichbar seien, sagte auch der Grünen-Politiker. Dies dürfe jedoch nicht mehr Parkflächen und mehr Durchgangsverkehr bedeuten. Dies seien „vergebene Ressourcen“.

Wir wollen keine ideologische Mobilitätspolitik

Bijan Djir-Sarai, FDP-Generalsekretär 

Die FDP hat Kritik zurückgewiesen. „Wir wollen keine ideologische Mobilitätspolitik“, sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai am Montag in Berlin. „Es gibt keine gute und keine schlechte Mobilität“, betonte er. Die FDP wolle die Form von Mobilität ermöglichen, die „vor Ort gefragt und gefordert“ werde.

Brandenburgs FDP-Chef Zyon Braun, der das Papier mit entwickelt hatte, forderte mehr „Wahlfreiheit in der Mobilität“. Dazu gehöre auch das Auto. Den „Kulturkampf gegen das Auto“ werde die FDP nicht mitmachen, denn viele Menschen seien darauf angewiesen, vor allem auf dem Land.

Braun nannte unter anderem Pendler und Senioren. „Ein Kulturkampf einseitig gegen das Auto ist ein Kulturkampf gegen die Lebensrealität der Menschen, insbesondere in Brandenburg und in ländlichen Regionen“.

Der Plan der Liberalen sei „keine Pro-Auto-Kampagne“, betonte der Parteichef aus Brandenburg, wo Ende September Landtagswahlen stattfinden. Er verwies darauf, dass das 49-Euro-Ticket für den Nahverkehr öffentlich subventioniert und damit auch von Menschen in denjenigen Regionen solidarisch mitgetragen werde, die nicht an den Nahverkehr angeschlossen sind.

Mit dem Vorstoß für kostenfreies Kurzzeitparken oder ein bundesweites Parkmodell nach dem Vorbild des 49-Euro-Tickets im öffentlichen Nahverkehr wolle man „dem Ausbluten der Städte etwas entgegensetzen“, sagte Braun. Er räumte aber ein, dass die Bundesebene die Kommunen lediglich auffordern könne, solche Maßnahmen zu ergreifen, weil das Parkthema in ihre Zuständigkeit fällt.

Wo heute schon Verkehrsprobleme aufgrund knapper Flächen bestehen, sollten Pull-Effekte für den Pkw vermieden werden

Stellungnahme des ADAC

Bei der SPD stößt das Papier des Koalitionspartners auf Kritik. Ihr Verkehrspolitiker Detlef Müller bekräftigte zwar, dass das Auto gerade im ländlichen Raum der „Grundpfeiler der Mobilität“ sei und bleibe. „Mit ihrem Beschluss will die FDP aber nichts weiter, als das Thema mit Blick auf die Landtagswahlen populistisch auszuschlachten. Damit spielt sie Verkehrsträger gegeneinander aus und zeigt, dass sie verkehrspolitisch wieder in den 1970ern angekommen ist.“ Nötig sei ein „intelligenter Mix aus allen Verkehrsmitteln“.

Generalsekretär Djir-Sarai wies den Vorwurf zurück, mit dem Papier für erneuten Streit in der Bundesregierung zu sorgen. Auch die Koalitionspartner SPD und Grüne machten bei anderen Themen „davon Gebrauch zu sagen, was die eigenen Überzeugungen und Vorstellungen sind“, sagte er. „Das tun wir auch.“

Zum Forderungskatalog der FDP gehört auch, Jugendlichen ab 16 Jahren das begleitete Autofahren zu ermöglichen. Grüne Wellen sollen durch Digitalisierung und Künstliche Intelligenz effektiver werden. Für Baustellen verlangt die FDP Arbeit auch an Wochenenden und in der Nacht sowie im Dreischichtbetrieb.

Ihr Katalog enthält zudem bekannte Positionen wie den Verzicht auf ein allgemeines Tempolimit auf Autobahnen sowie auf angebliche Stilllegungspläne der EU-Kommission für Millionen Dieselfahrzeuge. Allerdings hat Brüssel erklärt, keine solchen Pläne zu verfolgen.

Der ADAC begrüßte zwar den Vorstoß für begleitetes Fahren ab 16 und die Forderung nach einer besseren digitalen Verkehrslenkung. Der Automobilclub konnte sich aber nicht für den FDP-Vorstoß begeistern, in Innenstädten dem Auto wieder Vorrang etwa vor Fahrrädern zu geben.

Fahrradstraßen leisteten einen guten Beitrag, um die Verkehre stärker zu trennen und so die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmenden zu erhöhen, hieß es in einer Stellungnahme. Und: „Wo heute schon Verkehrsprobleme aufgrund knapper Flächen bestehen, sollten Pull-Effekte für den Pkw vermieden werden.“(AFP, moma, dpa)

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