zum Hauptinhalt

Politik: Weniger Richter, gleiches Recht?

Die Justiz soll schlanker werden. Doch Kritiker befürchten Einsparungen auf Kosten der Qualität

Berlin – Die deutsche Justiz hat die wohl umfangreichste Reform seit mehr als 100 Jahren vor sich: Die Justizminister der Länder haben sich am Donnerstag auf ihrer Herbstkonferenz mehrheitlich auf Grundsatzbeschlüsse verständigt. Gerichtsverfahren sollen in Zukunft stark gestrafft werden. Der Vorsitzende der Justizministerkonferenz, Bremens Bürgermeister Henning Scherf (SPD), lobte die Ergebnisse als „guten Aufschlag“. Details des Eckpunktepapiers sind aber noch umstritten. Kritik kommt in erster Linie aus den SPD-regierten Ländern Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz.

Bis April 2005 sollen konkrete Vorschläge für eine „große Justizreform“ vorliegen, die dann von den Ländern als Gesetzentwurf in den Bundesrat eingebracht werden sollen. Im Laufe des Jahres 2005, so hofft Hessens Justizminister Christean Wagner (CDU), könnte sich dann der Bundestag mit dem Reformpaket beschäftigen. Trotz der Bedenken einzelner Länder rechnet Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU)damit, dass es am Ende „eine große Mehrheit“ für die Pläne geben werde. „Das wird sicher keine Wackelpartie“, sagte Merk.

Die Länder planen, die Rechtsmittel stark einzuschränken. Bislang werden viele Straf- und Zivilprozesse in zweiter Instanz (Berufung) wieder neu aufgerollt, mit erneuten Zeugenanhörungen und dem Prüfen von Beweismitteln. In einem dritten Verfahren (Revision) wird dann überprüft, ob es Rechtsfehler gab. Dieses Vorgehen soll nun nach dem Willen der meisten Länder verkürzt werden. Der Beschuldigte soll die Wahl haben, ob er in Berufung oder Revision geht. Dieser Punkt ist aber noch umstritten.

Der CDU-Rechtspolitiker Norbert Röttgen kritisierte den Ansatz der Reform. „Es sind rein fiskalisch geprägte Vorschläge“, sagte er dem Tagesspiegel. Seit zehn Jahren werde an der Justiz nur gespart. „Heute kommen auf jeden Bürger noch fünf Euro im Monat für die Justiz, aber er zahlt 16 Euro für die Rundfunkgebühren.“ Auch die fürhere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnaerrenberger (FDP) kritisierte, es gehe „ausschließlich um eine Reform nach Kassenlage“. Hessens Justizminister Wagner hingegen widersprach dem Eindruck, durch die Reform solle vor allem Geld und Personalstellen eingespart werden. „Es geht nicht ausschließlich um finanzielle Interessen, sagte er. Bremens Bürgermeister Scherf wies zugleich darauf hin, dass die Länderhaushalte nicht beliebig ausgeweitet werden könnten.

In der Diskussion ist außerdem, verschiedene Fachgerichtsbarkeiten zusammenzulegen (Verwaltungs-, Sozial- und Finanzgerichte). Richter sollen dadurch flexibler eingesetzt werden können, auch wenn die Länder laut Hessens Justizminister am Grundsatz festhalten wollen, dass man Richter „nicht einfach versetzen kann“. Die Prozessordnungen für alle Gerichtsbarkeiten sollen vereinheitlicht werden. Insolvenzverfahren sollen in Zukunft ebenfalls vereinfacht werden.

In der Überlegung ist auch, ob die Handelsregister künftig von den Industrie- und Handelskammern geführt werden sollen. Darüber hinaus wollen die Minister prüfen, das Gerichtsvollzieherwesen zu privatisieren. Nordrhein-Westfalens Justizminister Wolfgang Gerhards (SPD) äußerte gegen diese Pläne allerdings Bedenken: „Ich möchte keine schwarzen Sheriffs bei der Pfändung haben.“

Zur Startseite