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Ferkel auf einer Wiese.

© Foto: Shutterstock, talseN

Wenn Fleisch jetzt billiger würde: „Das wäre ein Schlag ins Gesicht für uns Bäuerinnen und Bauern“

Der neue Landwirtschaftsminister Alois Rainer möchte mehr Tierwohl, gleichzeitig hat er eine Debatte über Fleischpreise mit ausgelöst. Drei Praktiker sagen, was sie davon halten.

Von
  • Martin Schulz
  • Christine Chemnitz
  • Alexander Hinrichs

Stand:

Dass der gelernte Metzger Alois Rainer in seiner neuen Funktion als Bundeslandwirtschaftsminister den Verzehr von Bratwürsten kritisieren würde, hat sicher niemand erwartet. Dass der CSU-Politiker in einem seiner ersten Interviews mit der „Bild“ die Möglichkeit sinkender Fleischpreise andeuten würde, kam trotzdem überraschend.

Noch unter der Vor-Vorgängerin der neuen Bundesregierung, unter Kanzlerin Merkel, hatte die Borchert-Kommission von Ex-CDU-Landwirtschaftsminister Borchert festgestellt: Für mehr Tierwohl muss die Nutztierhaltung umgebaut werden, und das kostet Geld. Fleisch, so die Erkenntnis damals, wird eher teurer als billiger.

Ein Vorschlag der Kommission war, die Mehrwertsteuer auf tierische Produkte heraufzusetzen. Das hat Rainer ausgeschlossen.

Gleichzeitig hat der neue Landwirtschaftsminister aber jetzt in anderen Interviews betont, sich für „mehr Tierwohl“ und „Tierwohlställe“ einsetzen zu wollen. Das sei ihm „sehr, sehr wichtig: Wir müssen verantwortungsvoll mit den Nutztieren umgehen, das wollen im Übrigen auch die Verbraucher.“

Die Diskussion über Preise und Tierhaltung ist also in vollem Gange. Wir haben in unserer Rubrik „3 auf 1“ deshalb drei Experten gefragt: Günstiger Fleisch essen und trotzdem mehr Tierwohl erreichen – wie könnte das gehen? Weitere Beiträge unserer Rubrik finden Sie hier.


Eine Mehrwertsteuer auf Fleisch ist der sicherste Weg

Würde Fleisch billiger werden, wäre das ein Schlag ins Gesicht für uns Bäuerinnen und Bauern. Über die gesamte landwirtschaftliche Tierhaltung haben wir seit vielen Jahren meist keine kostendeckenden Preise erhalten. Die Lebensmittelpreise sind zwar hoch, die Margen werden aber in der Wertschöpfungskette abgeschöpft.

Es fehlt der politische Rückhalt für eine nachhaltige und einkommenssichernde Landwirtschaft. Dabei ist die Art der Tierhaltung größtenteils nicht mehr zukunftsfähig, sagt der wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik. Die Tierhaltung muss sich ändern und das kostet uns Betriebe zusätzliches Geld.

Die Kosten dafür werden auf jährlich drei bis fünf Milliarden Euro geschätzt. Wir Landwirte brauchen wirtschaftlich langfristige Perspektiven nicht nur für Stallumbauten, sondern viel wichtiger für die höheren laufenden Arbeitskosten.

Eine Mehrwertsteuererhöhung auf Fleisch nach dem Konzept der Borchert-Kommission, noch unter der Merkel-Regierung erarbeitet, ist hier der sicherste Weg. Die Borchert-Empfehlungen müssen die Leitlinie des neuen Landwirtschaftsministers werden, wenn der Umbau auf vielen Höfen gelingen soll.


Kein Wunschbild der Landwirtschaft überstülpen

Fleisch kann nicht billiger und zugleich das Tierwohl besser werden. Wer mehr Tierwohl in die Breite bringen will, der muss mit der Wirtschaft pragmatisch und schrittweise vorgehen.

Konkret bedeutet das: kein Wunschbild der Landwirtschaft „überstülpen“, sondern hinschauen, wo die Landwirte stehen und herausarbeiten, welche Schritte hin zu mehr Tierwohl von dort aus für möglichst viele Landwirte machbar und für die Breite des Marktes bezahlbar sind.

Schweine stehen in einem Stall eines Landwirtschaftsbetriebs bei Finsterwalde in Brandenburg.

© pa/Andreas Franke

Dabei sollte ein Entwicklungspfad aufgezeichnet werden, ohne den Markt aus dem Blick zu verlieren. Das ermöglicht eine schrittweise Entwicklung – ohne unrealistische Forderungen an die Tierhalter und ohne plötzlichen Preisanstieg. So ist es zum Beispiel der Wirtschaft mit der Initiative Tierwohl gelungen, die Haltungsbedingungen von über 90 Prozent des Geflügels und über 60 Prozent der Schweine in Deutschland seit 2015 nachweislich anzuheben.

Bislang ist dieser Ansatz der Einzige, durch den das Tierwohl in der Breite des Marktes nach oben entwickelt wurde. So muss deshalb auch die Erfolgsformel für die neue Bundesregierung lauten.


Die Regierung will „nachhaltigen Konsum erleichtern“ – gut so

Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag zur Finanzierung von mehr Tierwohl bekannt. Im Entwurf der Verhandlungsgruppe waren dafür 1,5 Milliarden Euro pro Jahr vorgesehen.

Das ist gut, denn Tierwohl verursacht Kosten, und die Landwirtschaft kann diese gesellschaftliche Leistung im internationalen Wettbewerb nur dann erbringen, wenn sie dafür entlohnt wird. Das gelingt nur sehr eingeschränkt durch Entscheidungen von Konsumentinnen und Konsumenten im Supermarkt und erfordert daher öffentliche Mittel für Tierwohlprämien.

Wenn der Fleischkonsum steigt, und mit ihm die inländische Produktion, müssten auch die öffentlichen Ausgaben für Tierwohl steigen. Wünschenswert ist das nicht: Ein reduzierter Fleischkonsum ist zentral für Klima- und Biodiversitätsschutz.

Deshalb ist ein weiteres Ziel des Koalitionsvertrags wichtig: „Wir erleichtern nachhaltigen Konsum.‘“Wer diesen Anspruch ernst nimmt, sollte Ernährungspolitik nicht polarisieren, sondern Ernährungsumgebungen politisch so gestalten, dass die nachhaltige und gesunde Wahl zur leichten Wahl wird.

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