
© AFP/Jens Schlueter
„Da liegen Welten dazwischen“: FDP schließt Zusammenarbeit mit BSW aus – auch Kühnert skeptisch
Das BSW könnte im Osten für Regierungsbildung unverzichtbar sein. Die Generalsekretäre von FDP und SPD sehen das kritisch. Politologen ordnen die Chancen des BSW vor den Ostwahlen ein.
Stand:
Gut eine Woche vor den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen läuft die Debatte um mögliche Koalitionen mit dem neu gegründeten Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) auf Hochtouren. Die Bundes-FDP schloss am Donnerstag eine Zusammenarbeit mit dem BSW faktisch aus. „FDP und BSW passen inhaltlich überhaupt nicht zusammen“, sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai der Nachrichtenagentur Reuters in Berlin. „Also, da liegen Welten dazwischen. Da fehlt es mir an Fantasie, wie eine solche Zusammenarbeit aussehen könnte.“ Allerdings würden nach Landtagswahlen Fragen wie diese am Ende von den Landesverbänden entschieden.
Auch SPD-Generalsektretär Kevin Kühnert blickt skeptisch auf mögliche Koalitionen seiner Partei mit dem BSW. „Parteien ohne Programm gehören nicht in Regierungsverantwortung“, sagte Kühnert den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland vom Donnerstag. Kühnert kritisierte, es gebe nur ein Thema, bei dem das BSW überhaupt greifbar sei, und das sei „das Thema, was auf der Landesebene nun als Allerletztes entschieden wird: die internationale Politik. Auf so wenig Substanz sollte man keine Regierung aufbauen“, urteilte der SPD-Generalsekretär.
Und doch könnte die von vor nicht einmal neun Monaten gegründete Partei von Sahra Wagenknecht bei den anstehenden Landtagswahlen in Ostdeutschland in eine Regierung schaffen. Bei der Europawahl erzielte die Linkspartei-Abspaltung aus dem Stand gut sechs Prozent – und zog damit ins Europaparlament ein. In Sachsen, Thüringen und Brandenburg werden dem BSW sogar zweistellige Ergebnisse vorhergesagt. Doch Parteichefin Sahra Wagenknecht hat die Hürden für mögliche Koalitionen hoch gelegt.
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Welche Chancen hat das BSW bei den Wahlen?
Die Partei kann sich in allen drei Bundesländern Hoffnung auf ein starkes Ergebnis machen. Am besten steht sie den Umfragen zufolge in Thüringen da: Dort wird sie auf dem dritten Platz hinter AfD und CDU gesehen - mit nur knappem Rückstand zu den Christdemokraten. Am BSW wird deshalb dort nach der Wahl kaum ein Weg vorbeiführen.
An dritter Stelle in den Umfragen steht die Linksabspaltung aber auch in Sachsen, in Brandenburg an vierter. Die Partei könnte damit bei Regierungsbildungen in allen drei Bundesländern „das Zünglein an der Waage“ sein, wie Hendrik Träger von der Universität Leipzig der Nachrichtenagentur AFP sagt. Das BSW könnte dem Politikwissenschaftler zufolge mit darüber entscheiden, ob es zu einer Koalition mit parlamentarischer Mehrheit oder einer Minderheitsregierung kommt.
Welche Hürden gibt es für mögliche BSW-Koalitionen?
Parteichefin Wagenknecht hat Bedingungen für Regierungskoalitionen aufgestellt, die mit Landespolitik eigentlich nichts zu tun haben. Ein solches Bündnis müsse die geplante Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland sowie weitere Waffenlieferungen an die Ukraine ablehnen, forderte sie.
„Sahra Wagenknecht steht in keinem der drei Bundesländer auf dem Stimmzettel, will aber entscheiden, wie das BSW dort vorzugehen hat“, sagt Träger. Dies sei „ein sehr zentralistisches Weltbild“. Der Politologe hält es für möglich, dass sie die Hürden absichtlich hoch setzt, um eine Regierungsbeteiligung abzulehnen – und „später sagen zu können: An uns lag es nicht, aber unsere Bedingungen wurden nicht erfüllt“.
Welche innerparteilichen Folgen hätte ein Regierungseintritt?
Der Kasseler Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder, der bis vor kurzem noch Mitglied der SPD-Grundwertekommission war, unterstellt Wagenknecht ein großes Interesse, dass das BSW nicht Teil einer Landesregierung wird. „Wenn die BSW-Leute vor Ort in eine Regierung eintreten, könnten sie sich von Wagenknecht emanzipieren.“ Aus Sicht der Parteichefin hält er deshalb eine Regierungsbeteiligung des BSW für den „Worst Case“, die Duldung einer Minderheitsregierung hingegen für ideal. „Die Partei hätte dann einen gewissen Einfluss - ohne Regierungsverantwortung“, sagt er der AFP.
Die BSW-Spitzenkandidatin in Thüringen, Katja Wolf, traut sich allerdings durchaus ein Regierungsamt zu. Sachsens BSW-Spitzenkandidatin Sabine Zimmermann betonte ebenfalls, die Entscheidung liege in Sachsen. Schroeder prophezeit deshalb „eine erste Kraftprobe innerhalb des BSW“ für den Fall, dass eine Regierungsbeteiligung in greifbare Nähe rückt.
Ist eine Koalition von BSW und AfD denkbar?
Aus der Partei sind dazu unterschiedliche Stimmen zu vernehmen. So erteilte BSW-Ko-Parteichefin Amira Mohamed Ali einer Zusammenarbeit mit der AfD eine klare Absage. Katja Wolf hingegen schließt zumindest die Zustimmung zu AfD-Gesetzesvorschlägen nicht aus. Für einen anderen Umgang mit der Rechtsaußen-Partei wirbt zudem Wagenknecht selbst.
Annäherungen der beiden Parteien sieht auch Träger: „Frau Wagenknecht hat da in den letzten Tagen durchaus Dehnungsübungen vollzogen, um es vorsichtig auszudrücken.“ Schroeder hält „punktuelle Kooperationen“ der beiden Parteien für möglich, aber keine Koalition. „Im BSW sind viele aus der alten Linkspartei dabei, die würden da nicht mitmachen“, betont er.
Wie sieht es mit der Bundestagswahl aus?
Sahra Wagenknecht will das BSW langfristig als Partei etablieren, von großer Bedeutung ist daher die Bundestagswahl im kommenden Jahr. Politikwissenschaftler Schroeder sieht die ostdeutschen Wahlen deshalb als „wichtige Zwischenetappe“ für das BSW. Die Partei werde erste Mandate erringen und Macht beanspruchen können - „damit zeigt sie, dass sie handlungs- und mobilisierungsfähig ist“.
Wäre das BSW Teil einer Landesregierung, könnte die Partei im Bundestagswahlkampf nicht mehr als klassische Fundamentalopposition auftreten, wie sie das machen kann, wenn sie keiner Regierung angehört.
Hendrik Träger, Politikwissenschaftler an der Universität Leipzig
Regiert das BSW auf Landesebene geräuschlos mit, könnte es Träger zufolge davon auch im Hinblick auf die Bundestagswahl profitieren. Klappt dies nicht oder müssen viele Wahlkampfforderungen verworfen werden, prognostiziert er enttäuschte Wähler und „einen Ernüchterungsprozess“. Träger gibt weiter zu bedenken: „Wäre das BSW Teil einer Landesregierung, könnte die Partei im Bundestagswahlkampf nicht mehr als klassische Fundamentalopposition auftreten, wie sie das machen kann, wenn sie keiner Regierung angehört.“ (AFP)
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