
© dpa/Christoph Reichwein
„Wilde Böllerei muss untersagt werden“: Ärztepräsident Reinhardt appelliert eindringlich an die Politik
Bei privater Silvesterböllerei werden jedes Jahr etliche Menschen schwer verletzt. Die Innenminister müssen nach Ansicht des Ärztekammerchefs die unkontrollierte „Knallerei“ endlich beenden.
Stand:
Abgetrennte Finger oder gar Hände, Verbrennungen, Hörschäden, Angriffe auf Einsatzkräfte: Bei privater Silvesterböllerei werden in Deutschland jedes Jahr etliche Menschen schwer verletzt. Trotz wiederkehrender Debatten und einem in Umfragen relativ eindeutigen Stimmungsbild der Menschen in Deutschland kann sich die Politik bisher nicht auf bundesweit einheitliche Regeln einigen.
Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, hat nun kurz vor Silvester eindringlich ein Verbot privater Feuerwerke gefordert. „Niemand hat etwas gegen organisierte Feuerwerke an zentralen Plätzen, doch die wilde Böllerei muss untersagt werden“, sagte Reinhardt dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
„Die Innenminister von Bund und Ländern müssen endlich handeln und die Bevölkerung vor den Gefahren der Knallerei schützen“, sagte der Mediziner. „Das hat nichts mit Verbotskultur zu tun, sondern zeugt von der Einsicht einer reifen Gesellschaft, etwas Gefährliches zu lassen.“
Das hat nichts mit Verbotskultur zu tun, sondern zeugt von der Einsicht einer reifen Gesellschaft, etwas Gefährliches zu lassen.
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer
Ungeregelte „Knallerei“ führe immer wieder zu schweren Vorfällen, warnte Reinhardt. Jedes Jahr erlitten zahlreiche Menschen Verletzungen durch explodierende Feuerwerkskörper. Kinder und Jugendliche seien häufig von Knalltraumata betroffen. Hinzu kämen Verletzungen am Auge und Verbrennungen. „Das sorgt für volle Notaufnahmen in den Kliniken und kostet die gesetzliche Krankenversicherung Millionen“, so Reinhardt.
Zudem habe man in der Vergangenheit immer wieder erlebt, dass Knallkörper als Waffen gegen Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte eingesetzt würden. Viele Menschen hätten auch Angst vor der Knallerei, diese sei schlecht für das Klima und verursache enormen Müll.

© dpa/Hannes P Albert
Mit Blick auf die vielen Kriegsflüchtlinge in Deutschland, etwa aus der Ukraine oder aus Syrien, bezeichnete Reinhardt es als „vollkommen daneben“, das neue Jahr mit Raketen zu begrüßen. „Viele von ihnen haben in ihrer Heimat Bomben und Granaten erleben müssen. Da löst die Silvesterknallerei nicht selten sogar Todesängste aus.“
Besonders große Sorgen bereiten die sogenannten Kugelbomben, die eigentlich Pyrotechnik für professionelle Feuerwerke sind, aber zuletzt vermehrt auf Straßen und Plätzen gezündet wurden.
Tierschützer weisen zudem auf die Auswirkungen auf die örtliche Fauna hin. Nicht nur Haustiere wie Hund und Katze, auch Vögel, Igel und andere nachtaktive Kleintiere werden durch die Licht- und Knalleffekte gestört und in Panik versetzt.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) verwies Anfang Dezember auf das Beispiel Niederlande. Dort dürfen Privatleute ab Silvester 2026/2027 kein Feuerwerk und keine Böller mehr zünden. Anlass für das Verbot war die zunehmende Gewalt in dem Nachbarland zu Silvester.
Niederlande verbietet privates Feuerwerk
„Die Niederlande handeln und schützen ihre Bevölkerung, ihre Tiere, die Einsatzkräfte und die Umwelt. Deutschland hingegen lässt weiter zu, dass für den Spaß einer sehr kleinen Minderheit jedes Jahr tausende Menschen verletzt werden, Städte im Feinstaub versinken und Millionen Tiere in panische Flucht geraten“, erklärte DHU-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch.
Andere Zahlen aus Deutschland sprechen dagegen: Die Feuerwerksfirmen nehmen in der Bundesrepublik an Silvester den nächsten Verkaufsrekord in den Blick. „Unser Warenvolumen im Handel ist etwa zehn Prozent größer als vor einem Jahr“, sagte der Vertriebsleiter von Weco, Oliver Gerstmeier, in Eitorf bei Bonn. Vor einem Jahr war es sogar um 25 Prozent nach oben gegangen.
Die sachferne Forderung nach Pauschalverboten zeigt, dass es hier eher um Kultur- denn um Gesundheitspolitik geht.
Christoph Kröpl, Geschäftsführer Bundesverband für Pyrotechnik und Kunstfeuerwerk
Der Bundesverband für Pyrotechnik und Kunstfeuerwerk (bvpk) wies die Forderung der Bundesärztekammer nach einem Verbot privaten Feuerwerks zu Silvester zurück. Schwere Unfälle mit Pyrotechnik ereigneten sich „praktisch ausschließlich durch illegales Feuerwerk“, erklärte Bundesgeschäftsführer Christoph Kröpl am Samstag. Legal erhältliches Silvesterfeuerwerk sei hingegen „streng geprüft und und in Größe und Wirkung stark limitiert“.
„So ist es etwa nicht möglich, sich mit einem legalen Silvesterböller eine Hand zu zerstören oder gar Gliedmaße abzutrennen“, sagte Kröpl. Allerdings sei der Zugang zu illegalen und hochgefährlichen Knallkörpern „so leicht wie nie zuvor“. Hier müsse die „Politik ansetzen und für den Vollzug der bestehenden Gesetze sorgen“.
Kröpl warf der Bundesärztekammer vor, sie verweigere sich einer sachlich fundierten Auseinandersetzung mit dem Thema. „Die sachferne Forderung nach Pauschalverboten zeigt, dass es hier eher um Kultur- denn um Gesundheitspolitik geht.“
Notaufnahmen seien an Silvester „nicht wegen Feuerwerkskörpern voll“, fuhr Kröpl fort. Nach Studien seien diese „zum Jahreswechsel insbesondere wegen des bundesweit intensiven Alkoholkonsums überfüllt“. Kröpl verwies auch auf eine Studie der Magdeburger Universitätsmedizin vom November 2025. Sie habe belegt, dass die Feuerwerksverbote während der Corona-Zeit keinerlei messbare Entlastung der Notaufnahmen bewirkt hätten.
Auch Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder sprach sich gegen ein Böllerverbot aus. „Persönlich bin ich kein Anhänger des Böllerns und fände es angenehmer, wenn deutlich weniger geknallt würde. Aber man muss auch nicht immer alles verbieten“, sagte der CDU-Politiker am Samstag den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Es sei auch zu kurz gegriffen, die Frage nach einem Böllerverbot auf die Verkehrssituation herunterzubrechen. „Wir haben eine Tradition, so Silvester zu feiern“, sagte er. (mit Agenturen)
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: