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„Wir analysieren alles“: Wie sich die Grünen nach der Europawahl-Schlappe auf Fehlersuche begeben
Habeck nimmt die Wahlergebnisse als Anlass zur Selbstkritik. Kretschmann zufolge seien die Grünen im „negativen Sog“ mitgerissen worden. Und Haßelmann macht die Corona-Politik verantwortlich.
Stand:
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat nach den massiven Verlusten seiner Partei eine selbstkritische Fehleranalyse angekündigt.
„Die Fehlersuche, auch die Selbstkritik, ist, glaube ich, bei allen angezeigt und auch bei meiner Partei und auch bei mir selbst selbstverständlich“, sagte der Grünen-Politiker am Dienstag auf eine Journalistenfrage am Rande der internationalen Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine in Berlin.
Auf die Frage, ob es sich noch lohne, dass die Grünen einen Kanzlerkandidaten oder eine Kanzlerkandidatin aufstellen würden, antwortete er: „Wir analysieren alles.“ Die Grünen waren bei der Europawahl am Sonntag auf 11,9 Prozent abgerutscht (2019: 20,5 Prozent).
Es ist ein großes Misstrauen, das sich da ausgedrückt hat.
Robert Habeck
Habeck will „großes Misstrauen“ ernst nehmen
„Die Wahl war für alle Regierungsparteien ein harter Schlag, auch für meine Partei“, räumte Habeck ein, dem Ambitionen auf die Kanzlerkandidatur der Grünen nachgesagt werden. Er ergänzte: „Das muss man sich sehr genau angucken und man muss die Wahlergebnisse sehr, sehr ernst nehmen. Es ist ja doch ein großes Misstrauen, das sich da ausgedrückt hat.“
Er finde Unterstellungen, „meine Partei hat verloren, weil die anderen so doof sind, sehr, sehr unappetitlich“ und wolle da nicht mitmachen.
Kretschmann: „Negativer Sog reißt uns mit“
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat den Kurs seiner Partei nach dem dramatisch schlechten Abschneiden der Grünen bei der Europawahl kritisiert. Man habe sich im Land nicht vom Bundestrend abkoppeln können, sagte der Grünen-Politiker am Dienstag in Stuttgart.

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„Der negative Sog hat sich in den letzten Monaten verstärkt und reißt uns mit.“ Er führte das schlechte Abschneiden auf die Arbeit der Ampel sowie auf eine radikal veränderte Themenlage zurück - und auf eine zunehmende Skepsis, ob die Grünen noch die richtigen Antworten auf die Fragen der Zeit hätten, etwa beim Thema Migration.
Die Grünen müssten sich entscheiden, ob sie eine Bündnispartei oder eine Milieupartei sein wollten. Er empfehle den Kurs der Bündnispartei, so Kretschmann.
Der negative Sog hat sich in den letzten Monaten verstärkt und reißt uns mit.
Winfried Kretschmann
Haßelmann macht Corona-Politik für Stimmverlust verantwortlich
Aus Sicht von Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann hat ihre Partei junge Wählerinnen und Wähler auch wegen des Umgangs mit der Corona-Pandemie verloren. In den vergangenen Jahren hätten die Grünen sich wahrscheinlich zu wenig mit den Folgen der Pandemie gerade für die junge Generation beschäftigt, sagte Haßelmann am Dienstag in Berlin.

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„Was hat das eigentlich bedeutet, dieser Situation ausgesetzt zu sein, für junge Menschen in ihrem Lebensalltag, in Schule, Sport, Freizeit, Jugendclubs?“ Viele Dinge, die sonst normal seien, seien nicht mehr möglich gewesen. Das sei für viele ihrer Einschätzung nach „sehr, sehr einschneidend“ gewesen.
Als weiteres Thema nannte Haßelmann Fragen zur Finanzierbarkeit eines Studiums in einer Großstadt mit knappem Bafög. „Und darauf brauchen wir klarere, einfachere und überzeugende Antworten.“ Sie kündigte eine intensive Analyse des schlechten Europawahl-Ergebnisses an, bei der es auch um wirtschaftliche Sorgen und die Bekämpfung der Klimakrise gehen solle.
Zur Aufarbeitung der Entscheidungen in der Corona-Pandemie brauche es „eine parlamentarische Betrachtung“. Die Grünen hatten als Oppositionspartei den Kurs der damaligen großen Koalition aus Union und SPD weitgehend mitgetragen. Sie sei aber nicht für einen Untersuchungsausschuss, erklärte Haßelmann.
Stattdessen plädierte sie für eine Aufarbeitung in einem Ausschuss oder einer Kommission. Die Ampel-Fraktionen SPD, Grüne und FDP wollten dazu bald einen Vorschlag machen. (dpa)
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