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Der Präsident des Reservistenverbands, Patrick Sensburg, hält für die Landesverteidigung eine Zahl von einer Million Reservisten für nötig.

© Imago/Noah Wedel

„Wir brauchen ein Massen-Heer“: Verbandschef hält eine Million Reservisten in der Bundeswehr für nötig

Zur Landesverteidigung benötige die Bundesrepublik bis zu 350.000 Soldaten, so Sensburg. Die Zahl der Reservisten müsse dreimal so hoch sein, sagt der Präsident des Reservistenverbands. 

Stand:

Der Angriffskrieg des russischen Machthabers Wladimir Putin gegen die Ukraine und das Comeback von Donald Trump als US-Präsident haben in Europa und in Deutschland die Bedeutung der eigenen Streitkräfte massiv erhöht. Neben geplanten massiven Investitionen in die Bundeswehr suchen Union und SPD in ihren Koalitionsverhandlungen aktuell unter anderem nach einem neuen Wehrpflicht-Modell.

Der Präsident des Reservistenverbands, Patrick Sensburg, hat nun deutlich gemacht, dass er für die Landesverteidigung eine Zahl von einer Million Reservisten für nötig hält. Um Deutschland in der Fläche zu verteidigen, bräuchte man 300.000 bis 350.000 Soldaten, sagte Sensburg dem Nachrichtenportal t-online. „Die Zahl der Reservisten müsste um das Dreifache sein, also rund knapp eine Million.“ Er fügte hinzu: „Wir brauchen ein Massen-Heer, um in einem möglichen Krieg zu bestehen.“

Die Personalnot ist das größte Problem der Bundeswehr, aber die Politik verschließt weiter die Augen, weil sie Angst vor dem Wähler hat.

Patrick Sensburg, Präsident des Reservistenverbands

Derzeit leisten nach Angaben der Bundeswehr etwa 34.000 Reservistinnen und Reservisten Dienst in regelmäßigen Übungen. Der Bedarf der Bundeswehr an Reservistinnen und Reservisten für den Auftrag der Reserve liegt demnach bei rund 60.000. 

Sensburg, der von 2009 bis 2021 für die CDU im Bundestag saß, verwies auf Nato-Berechnungen, wonach bei einem möglichen Krieg an der Ostflanke 5000 Soldaten täglich sterben könnten. „Ich hätte als Soldat in der aktiven Truppe ein schlechtes Gefühl, wenn keine Reservisten in der Nähe wären“, sagte er. „Denn wenn ich von 5000 Toten ausgehe und danach rückt niemand mehr nach, kann ich ausrechnen, wie lange es dauert, bis die Front einbricht.“

Der Präsident des Reservistenverbands kritisierte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), dessen Wehrdienst-Modell im ersten Jahr 5000 freiwillige Wehrdienstleistende einplant. Das sei „illusorisch“ und eine „viel zu kleine Zahl“, sagte Sensburg.

„Die Personalnot ist das größte Problem der Bundeswehr, aber die Politik verschließt weiter die Augen, weil sie Angst vor dem Wähler hat. Sie müssten der Bevölkerung reinen Wein einschenken und sagen: Ohne Wehrpflicht scheitern wir an unseren selbst gesetzten Zielen und würden einen Krieg verlieren.“

Chef des Reservistenverbands der Bundeswehr: Patrick Sensburg.

© Tagesspiegel/Nassim Rad

Freiwilligkeit alleine reiche nicht mehr, sagte Sensburg. „Wir haben das Potenzial der freiwilligen Bewerbungen ausgeschöpft. Seit Jahren machen wir tolle Werbekampagnen und Imagefilme, gründen Karrierecenter und locken mit Angeboten – ohne sichtbaren Erfolg. Die Bundeswehr ist kein unattraktiver Arbeitgeber, aber nicht jeder will Soldat werden. Deshalb braucht es wieder eine Verpflichtung. Nicht, weil wir Zwang so toll finden, sondern weil es ohne nicht geht.“

Anderseits gebe es viele Interessenten, die gerne bei der Armee einsteigen würden, aber von der Bundeswehr abgelehnt würden, bestätigte Sensburg entsprechende Berichte. Bei der Truppe stapelten sich Briefe von Interessenten.

„Ich kenne Personen, die sich in Karrierecentern der Bundeswehr gemeldet haben, um Reservist zu werden, die aber heimgeschickt wurden, weil ihnen gesagt wurde, dass sie nicht gebraucht würden.“ Das seien Menschen, die fest im Leben stehen, die zwar kein Berufssoldat werden wollten, aber ihren Beitrag zur Landesverteidigung leisten wollten. „Und die Bundeswehr schickt sie weg? Das müssen wir schnell ändern“, forderte Sensburg.

Wer die Durchhaltefähigkeit der Bundeswehr nicht glaubwürdig vermittle, weil sie nur drei Tage Munition oder zu wenige Soldaten habe, erziele keinen Abschreckungseffekt, sagte Sensberg weiter.

181.150
Soldaten dienten Ende 2024 in der Bundeswehr.

„Dann kommen unsere Feinde auf Ideen. Putin ist ja nicht blöd, der sieht ja, wie viele Soldaten und wie viele Gewehre wir haben. Und für eine Durchhaltefähigkeit brauchen wir auch eine starke Reserve.“ Er mahnte: „Wenn die neue Regierung nicht zügig handelt, gefährdet sie die Sicherheit dieses Landes.“

Die Zahl der Männer und Frauen in der Bundeswehr ist trotz verstärkter Personalwerbung unter dem Strich rückläufig. Stand 31. Januar 2025 gab es nach Angaben des Verteidigungsministeriums 182.857 Männer und Frauen in Uniform. Ende 2022 hatte die Bundeswehr noch 183.050 Soldaten.

Gleichzeitig wird die Bundeswehr immer älter: Während das Durchschnittsalter Ende 2019 noch 32,4 Jahre betrug, ist es bis Ende 2024 auf 34 Jahre gestiegen.

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