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Mit dem Kanzler kann er seit Pandemiezeiten gut - Generalleutnant Generalleutnant Carsten Breuer hat erst kürzlich mit Olaf Scholz über die Ausbildung ukrainischer Soldaten in Deutschland gesprochen.

© Steffen Kugler/Bundespresseamt/dpa

„Wir können nicht so weitermachen“: Material, Personal, Infrastruktur – das sind die größten Probleme in der Bundeswehr

Carsten Breuer muss eine Truppe runderneuern, die laut dem jüngsten Bericht der Wehrbeauftragten Eva Högl von der Zeitenwende bisher kaum profitiert. Ihre Kritik fällt deutlich aus.

Auf Carsten Breuer kommt eine Menge Arbeit zu. Der künftige Generalinspekteur und oberste Soldat der Bundeswehr kennt die eklatanten Probleme der Truppe, die Eva Högl (SPD) als Wehrbeauftragte des Bundestages am Dienstag mit eindringlichen Worten beschrieben hat, aus eigener Anschauung zur Genüge.

Der 58-jährige Generalleutnant hat in seiner Offizierskarriere Flugabwehreinheiten und Panzergrenadiere befehligt. Er war in Afghanistan und in Brüssel bei der Nato, dazwischen mehrmals im Verteidigungsministerium, wo ihn die damalige Chefin Ursula von der Leyen mit der Erarbeitung des sogenannten Weißbuchs beauftragte, einer Blaupause für die sicherheitspolitischen Aufgaben der Zukunft.

Zu seinen „Verwendungen“, wie sie in der Truppe sagen, gehörten auch die Organisation der Corona-Amtshilfe, die Leitung des Impf-Krisenstabes im Kanzleramt und der Aufbau einer Art Inlandshauptquartier in der Zeitenwende - erst seit Ende September leitet er das Territoriale Führungskommando.

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So kann ihn der neue Jahresbericht der Wehrbeauftragten für 2022 kaum überrascht haben, der einer auch für die Öffentlichkeit altbekannten Mängelliste zu gleichen scheint. „Die Bundeswehr hat von allem zu wenig“, sagte Högl bei der Vorstellung ihres Berichts am Dienstagmittag in der Bundespressekonferenz, „und seit dem 24. Februar vergangenen Jahres noch weniger.“

Die Bundeswehr kann nicht ordentlich ausbilden und nicht ordentlich üben.

Eva Högl (SPD), Wehrbeauftragte des Bundestages

Seit die Truppe zur Unterstützung der von Russland angegriffenen Ukraine eigenes Gerät abgeben musste, kommt laut Högl noch hinzu, dass sie „nicht ordentlich ausbilden und nicht ordentlich üben kann“. Bei der Wiederbeschaffung etwa der im vergangenen Juni überstellten Panzerhaubitzen 2000 kommt es erst in den nächsten Wochen zu einer Nachbestellung. „Kein Cent“ ist im vergangenen Jahr aus dem neuen Sondervermögen von 100 Milliarden Euro abgeflossen. In diesem Jahr soll nun alles besser werden - vielleicht.

Neben der schleppenden Materialbeschaffung, die trotz erster Verbesserungen wie einer flexibleren Anwendung des EU-Vergaberechts laut Högl „noch viel mehr beschleunigt werden kann und muss“, richtet sie den Blick vor allem auf Infrastruktur und Personal. Wenn es in baufälligen Kasernen kein WLAN gibt und die sanitären Anlagen jeder Beschreibung spotten, macht das die Bundeswehr ohne Wehrpflicht nicht unbedingt zum attraktiven Arbeitgeber.

Dabei ist der Nachwuchsmangel ein gravierendes Problem. Högl kritisiert die Werbekampagnen der Truppe, da deren „Realität eine brutal andere als in den Filmchen” sei und Neulinge zusätzlich abschrecke. „Zu viele Kasernen in Deutschland sind in einem erbärmlichen Zustand“, heißt es in ihrem Bericht über Aufenthaltsräume, Duschen, Internetanschlüsse, Toiletten oder Truppenküchen: „Bei den meisten bereits in den vergangenen Jahresberichten aufgeführten Beispielen hat sich nichts geändert.“

50 Milliarden Investitionsstau abzutragen dauert 50 Jahre

Auf mittlerweile 50 Milliarden Euro beziffert die Wehrbeauftragte den Investitionsstau, und noch schlimmer: Bei den gegenwärtigen Personalengpässen in den Landesbauverwaltungen, die für die Bundeswehrbauten zuständig sind, wird es 50 Jahre dauern um ihn abzuarbeiten.

Bis auf einige wenige Fortschritte wie bei der neuen persönlichen Ausrüstung, die in Gestalt von neuer Funktionskleidung, Helmen, Nachsichtgeräten oder Rücksäcken nun allmählich die Truppe erreicht, ist aus Högls Bericht viel Enttäuschung herauszulesen, weil vieles darin „bereits seit Jahren bekannt“ sei, aber trotz Ukraine-Krieges bisher folgenlos bleibe: „Getan hat sich seitdem und trotzdem zum Teil erschreckend wenig.“

Eva Högl (SPD), die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, hat am Dienstag in er Bundespressekonferenz ihren Jahresbericht 2022 vorgestellt.
Eva Högl (SPD), die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, hat am Dienstag in er Bundespressekonferenz ihren Jahresbericht 2022 vorgestellt.

© dpa/Wolfgang Kumm

Er gipfelt in der Forderung, endlich ernst zu machen mit der Zeitenwende: „Jetzt, mehr denn je sollte der Jahresbericht Impuls für alle politischen und militärischen Verantwortlichen sein, an den hinlänglich bekannten Problemen zu arbeiten und sie Punkt für Punkt abzuarbeiten.“ Eva Högl selbst sagte am Dienstag: „Wir können nicht so weitermachen, wie das vor dem 24. Februar 2022 vielleicht noch akzeptabel war.“

Dem künftigen Generalinspekteur traut sie zu, die Aufgabe zu bewältigen: „Ich freue mich, wenn er an verantwortlicher Stelle die Dinge voranbringen kann.“ Eine Priorität bei den großen Bundeswehr-Baustellen Material, Personal, Infrastruktur mag sie ihm nicht mit auf den Weg geben: „Alle drei sind gleich wichtig.“ Sie will nur, dass bei aller Großgerätebeschaffung das „Personal nicht unter ferner liefen“ behandelt wird.

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