
© dpa/Helena Dolderer
„Wir verhandeln jetzt direkt in Kabul“: Dobrindt bestätigt Gespräche mit Taliban über Abschiebungen nach Afghanistan
Straftäter und Gefährder sollen regelmäßig zurück nach Afghanistan gebracht werden. Wegen der Herrschaft der Taliban ist das umstritten. Der Innenminister schickt offenbar im Oktober eine Delegation.
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Die schwarz-rote Bundesregierung will regelmäßige Abschiebungen nach Afghanistan umsetzen und bereitet dafür die nächsten Schritte vor. Offizielle diplomatische Beziehungen zu den am Hindukusch herrschenden islamistischen Taliban unterhält Deutschland nicht. Mitte September hatte Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) dem Tagesspiegel bestätigt, dass es Gespräche „auf Ebene technischer Kontakte“ mit afghanischen Vertretern in der katarischen Hauptstadt Doha gebe.
Die Bundesregierung betonte danach, es handele sich dabei „in keinster Weise“ um eine De-facto-Anerkennung der international weitgehend geächteten Taliban-Regierung. Wegen ihrer Missachtung von Menschen- und vor allem Frauenrechten sind sie international isoliert. Die Kontakte mit den Extremisten sind umstritten.
Darum verhandeln wir jetzt direkt in Kabul, damit Straftäter und Gefährder künftig konsequent abgeschoben werden.
Alexander Dobrindt, Bundesinnenminister (CSU)
Nun wird das Bundesinnenministerium (BMI) einem Medienbericht zufolge im Oktober direkte Gespräche mit den Extremisten führen. „Abschiebungen nach Afghanistan müssen regelmäßig stattfinden können“, sagte Dobrindt der „Bild am Sonntag“. „Darum verhandeln wir jetzt direkt in Kabul, damit Straftäter und Gefährder künftig konsequent abgeschoben werden.“
Deutsche Gegenleistungen für die Taliban?
Wie die Zeitung unter Berufung auf einen Ministeriumssprecher berichtete, werden im Oktober Beamte des Bundesinnenministeriums in die Hauptstadt Afghanistans reisen, um mit Verantwortlichen der Taliban zu verhandeln. Die Abschiebungen verurteilter Straftäter und Gewalttäter sollen demnach nicht mehr nur mit Charter-Flugzeugen durchgeführt werden, sondern auch per Linienflug.
Wie das Blatt schreibt, sei offen, welche Gegenleistung die Taliban von der deutschen Regierung für einen möglichen Abschiebe-Deal erwarten – oder bekommen.
Seit der Machtübernahme der Taliban in Kabul im August 2021 kam es mithilfe von Katar zweimal zu Abschiebungen von Afghanen aus Deutschland. Im August 2024 – damals regierte noch die Koalition von SPD, Grünen und FDP – wurden 28 verurteilte Straftäter in die afghanische Hauptstadt gebracht.
Im Juli brachte ein Flugzeug 81 Männer nach Afghanistan, die nach Angaben der Länder unter anderem mit Tötungsdelikten, Sexualstraftaten, Gewalttaten und Drogendelikten strafrechtlich in Erscheinung getreten waren.
Flüchtlingsorganisationen fordern eine Einstellung aller Rückführungen afghanischer Staatsbürger in ihre Heimat. „Aufgrund der dramatischen Lage vor Ort verstoßen jegliche Abschiebungen in das Land gegen das völkerrechtliche Abschiebungsverbot, da Folter oder unmenschliche Behandlung droht“, hieß es nach dem letzten Flug im Juli von „Pro Asyl“.
Ende 2024 lebten in Deutschland rund 461.000 Menschen mit afghanischen Wurzeln, darunter etwa 347.600 Schutzsuchende wie Asylbewerber. Im Sommer teilte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) dem Redaktionsnetzwerk Deutschland mit, dass rund 11.500 Afghanen in Deutschland ausreisepflichtig seien.
Davon hatten demnach 9602 eine sogenannte Duldung. 1821 Menschen hatten keine Duldung. Ob und wie viele Straftäter oder Gefährder sich unter den Ausreisepflichtigen befinden, konnte das Bamf nicht sagen.
Eine Duldung ist eine vorübergehende Erlaubnis, in Deutschland zu bleiben, obwohl die betroffene Person eigentlich ausreisen müsste. Sie wird erteilt, wenn eine Abschiebung aus bestimmten Gründen, etwa wegen Krankheit, fehlender Reisedokumente oder gefährlicher Lage im Herkunftsland, nicht möglich ist. Menschen mit einer Duldung gelten aber weiterhin als ausreisepflichtig.
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