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WM in Katar: Fanforscher: Jugendlichen fällt Identifikation mit Fußball-Nationalelf immer schwerer

Der „rote Faden“ zwischen Amateursport und Fußball-Nationalmannschaft ist über die Jahre verloren gegangen. Das sagt Harald Lange, Leiter des Instituts für Sportwissenschaft an der Uni Würzburg.

Der Würzburger Sportwissenschaftler Harald Lange sieht eine wachsende Kluft zwischen breiten Schichten der Gesellschaft und der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. „Früher hat es die Stärke des Fußballs ausgemacht, dass es gewissermaßen einen roten Faden gab vom Kinder- und Jugendfußball über den Amateursport bis in die Nationalmannschaft hinein, mit der man sich wunderbar identifizieren konnte“, sagte Lange dem Tagesspiegel. „Das fällt vielen Jugendlichen und auch Erwachsenen immer schwerer.“

Die deutsche Elf bestreitet an diesem Sonntag bei der WM in Katar ihr zweites Spiel gegen Spanien. Der Nationalmannschaft droht wie schon bei der Fußball-WM 2018 in Russland ein Vorrunden-Aus. In Deutschland war die Einschaltquote beim ersten deutschen WM-Spiel im Vergleich zu 2018 am Mittwoch dramatisch eingebrochen. Eine der Ursachen für das vergleichsweise geringe Interesse liegt in einer Boykottbewegung, die sich mit den Bedingungen der Turniervergabe durch die Fifa an das Gastgeberland Katar und der dortigen Menschenrechtssituation kritisch auseinandersetzt.

Beim letzten Bundesligaspiel zwischen Hertha BSC und dem 1. FC Köln wurde im Olympiastadion zum WM-Boykott aufgerufen.
Beim letzten Bundesligaspiel zwischen Hertha BSC und dem 1. FC Köln wurde im Olympiastadion zum WM-Boykott aufgerufen.

© Foto: dpa/Soeren Stache

Lange beklagte, dass die in der Gesellschaft bestehende „Kritik am Konstrukt Profifußball“ von der Deutschen Fußball-Liga und insbesondere vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) „kaum zur Kenntnis genommen“ werde. „Das System DFB ist vollkommen unbeweglich“, sagte der Leiter des Instituts für Sportwissenschaft an der Uni Würzburg. Trotz der Kritik am Wahlsystem beim DFB-Bundestag und an der fehlenden Partizipation der Basis in den 25.000 Fußballvereinen in Deutschland sei bislang nichts unternommen worden, um dies zu verändern.

„Wir befinden uns mitten drin im gesellschaftlichen Wandel, und mir scheint, als hätte die DFB-Spitze auch hier weder ein Konzept noch eine tragfähige Vision“, kritisierte Lange, der zu den Gründern des Instituts für Fankultur in Würzburg und Frankfurt am Main gehört. Die „Hilflosigkeit in der aktuellen Debatte um Diversität“ zeuge „von Konzeptlosigkeit und fügt dem Verband einen riesengroßen Imageschaden zu“, sagte er weiter.

Lange bezeichnete den DFB-Mittelfeldspieler Leon Goretzka als „das moralische Gewissen dieser Mannschaft“. „Ich hoffe, dass es nicht schon wieder Leon Goretzka sein muss, der in Katar Zeichen setzt“, fügte der Professor hinzu. „Wenn es nicht nur Leon Goretzka, sondern auch anderen Spielern gelingen würde, ein authentisches Zeichen gegen die Zustände in Katar zu setzen, dann könnte man einige von den Fans wieder zurückgewinnen, die jetzt die WM boykottieren“, sagte er.

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